Diese Denkfabrik will den Bürgerlichen wieder eine Stimme geben
Seit anderthalb Jahren ist die frühere Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel von der politischen Bühne verschwunden. Doch ihre 16 Jahre dauernde Kanzlerschaft drückt Land und Leute immer noch wie eine Bleiweste. Und sie beschäftigt das bürgerlich-konservative Lager vor allem in der CDU auch im Jahr 2023.
Die von dem Mainzer Historiker Andreas Rödder, der früheren Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (beide CDU) sowie dem bayerischen Rechtsanwalt Harald Mosler geführte „Republik 21“ (R21), „Denkfabrik für neue bürgerliche Politik“, lud deshalb am gestrigen Dienstag in die Hauptstadt zur Konferenz „Deutschland nach der Ära Merkel. Lehren für die Gegenwart – Perspektiven für die Zukunft“.
Gleichzeitig veröffentlichte R21 ein gleichnamiges Manifest, in dem der Name Merkel zwar nicht vorkommt, das aber dennoch als strikte Abrechnung mit ihr und ihrer Politik gewertet werden kann. „Die politische Ordnung und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Deutschlands sind Anfechtungen und Gefährdungen ausgesetzt, die lange unterschätzt, falsch bewertet oder sträflich vernachlässigt worden sind.“
„Deutschland braucht eine Generalreform“
Der von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) geprägte Begriff „Zeitenwende“ sei „viel mehr als nur eine sektorale Reparaturleistung in der Verteidigungs- oder Außenpolitik“, schreiben Rödder, Schröder und Mosler in dem zweiseitigen Papier. Er markiere „das Ende der Komfortzone, in der Deutschland es sich zu lange bequem gemacht hat. Notwendig ist eine grundlegende Kurskorrektur der gesamten Politik.“
Der deutsche Staat sei handlungsunfähig und habe Erwartungen geweckt, die er einerseits nicht mehr rückgängig machen und andererseits nicht mehr erfüllen könne. „Diese Politik gefährdet die Grundlagen unseres Gemeinwesens.“ Für R21 folgt daraus: „Deutschland braucht deshalb eine Generalreform.“
Doch wie kann diese gelingen, wie kann der Sanierungsfall Deutschland wieder auf Vordermann gebracht werden? Mögliche Antworten versuchten die Redner und Diskussionsteilnehmer der Konferenz den rund 250 Teilnehmern und zahlreichen Journalisten im Saal zu geben. Dabei schwächelte die Veranstaltung immer dann, wenn es um die Aufarbeitung der Merkel-Jahre ging, weil die Analysen um Jahre zu spät kommen und im Lager rechts der CDU schon mindestens seit 2015 formuliert wurden. Die Konferenz punktete hingegen, wenn es darum ging, pragmatische Lösungen darzulegen und zu diskutieren.
Die Webfehler der deutschen Energiewende
Deutlich wurde das beim Panel „Klima und Energie“. Dem Volkswirtschaftler Joachim Weimann (Uni Magdeburg) war es in seinem einleitenden Statement sehr darum zu tun, auf die Herausforderung des Klimawandels unbedingt rationale Antworten zu geben, denn: „Die Kluft zwischen Rationalität und dem, was die Politik tut, ist auf keinem anderen Feld so gewaltig wie auf dem Gebiet der Klimapolitik.“ Auch diese müsse nach ökonomischen Gesichtspunkten organisiert werden und in jedem Fall kosteneffizient angegangen werden. Darum brauche es eine CO2-Bepreisung. Der Ausstoß von Kohlendioxid ist zuerst dort zu vermeiden, wo die Kosten der Vermeidung am geringsten sind. Nur dann könnten die begrenzten Mittel ein maximales Ergebnis erreichen.
„Stellen Sie sich vor, Sie haben 500 Euro in der Hand, und Sie wollen Klimapolitik machen, und Sie haben zwei Optionen: A und B. Bei der Option A kostet die Vermeidung einer Tonne 500 Euro. Bei der Option B kostet die Vermeidung einer Tonne 50 Euro. Sie wollen möglichst viel CO2 einsparen – welche Option wählen Sie? Natürlich wählen Sie B. Aber, und das ist der Punkt: In der tatsächlichen Klimapolitik wählen wir fast immer A. Und das ist das Problem.“
Das hänge mit klimapolitischen Glaubenssätzen zusammen, die in der Merkel-Ära in Beton gegossen wurden: Kosten spielten beim Klimaschutz keine Rolle, Klimaschutz sei eine nationale Angelegenheit, und ausnahmslos jeder Bereich müsse zum Klimaschutz beitragen, und: „Märkte sind schlecht, wir brauchen Planwirtschaft.“ Weimann: „Eine himmelschreiende Irrationalität.“ Der Volkswirtschaftler plädierte vehement für einen CO2-Preis, also ein marktwirtschaftliches Instrument. Deutschland gibt Milliarden aus, zerstört seine Landschaft in Größenordnungen, „und das alles für keinen Klimaschutz. Das hätte nicht mal die SED hingekriegt.“
Ähnlich irrational das aktuelle Verbot von Gas- und Ölheizungen: Bei den politisch vielgepriesenen Wärmepumpen lägen die Kosten für die gesparte Tonne CO2 zwischen 400 und 1.200 Euro, wohingegen der Emissionshandel bloß 80 Euro verlangt. Auf den einzelnen Hausbesitzer kämen bis zu sechsstellige Investitionskosten zu, zu denen er gezwungen wird und die sich niemals rentieren. Weimanns plausibler Lösungsvorschlag: den Wärmemarkt in den europäischen Emissionshandel integrieren. Nur dann könne der Privatmann selbst entscheiden, und die Heizung würde er nur ersetzen, wenn es die kostengünstigste Möglichkeit ist, CO2 einzusparen.
Die Leitkultur ändern: die der German Atomangst
Den Webfehler der deutschen Energiewende lokalisierte die Kernkraftexpertin Anna Veronika Wendland (Marburg) bereits in der Regierung Schröder: Ausstieg aus der Kernkraft, Ausbau der „Erneuerbaren“ Energien, Back-up durch Erdgas. Hatte Deutschland im Jahr 2000 einen Strombeitrag aus Kernkraft von 30 Prozent und etwa 21 Gigawatt (GW) installierter Atom-Leistung, beträgt er heute noch sechs Prozent, bis am 15. April endgültig Schluss ist. Aber die heute wieder angeschlossenen Kohlekraftwerke sind mit etwa 20 GW im Verbund dabei. „Wir haben im Grunde nur eins geschafft“, so Wendland als erstes Resümee: „Wir haben die Kernenergie durch die Kohle ersetzt.“ Und Wendland wäre nicht „die“ Wendland, wenn sie nicht sofort die Vorzüge der Kernkraft in die Waagschale legen würde: eine „sogar außerordentlich CO2-arme Technologie“, die mit fünf bis zwölf Gramm CO2 pro Kilowattstunde zu Buche schlage – „das liegt noch mal viermal unter der Photovoltaik. Das ist die Technologie, die wir abgebaut haben!“ Unter dem Primat des Klimaschutzes sei das eine „denkbar schlechte Strategie gewesen“.
Wegen der Volatilität der „Erneuerbaren“ ist die Energiewende „praktisch nicht machbar“, unterstrich der Wirtschaftsmanager Wolfgang Reitzle. Aus der Kernkraft ausgestiegen zu sein sei fatal, „weil sie die einzige Energie bereitstellt, die grundlastfähig und CO2-frei ist“. Den Grünen kreidete er an, dass sie die Systemkosten nicht rechneten, womit er mit Wendland einer Meinung war, die kritisch festhielt, dass wir die Energiewende „aus der Perspektive des Einfamilienhauses“ betrachteten.
Die wegen der Volatilität notwendigen Speicher existieren nicht, und sie seien technisch und ökonomisch nicht darstellbar. Da als Speicher nur Wasserstoff in Frage komme, so Reitzle, benötigten wir die doppelte Menge an zu speicherndem Strom, da der Wirkungsgrad durch die Umwandlung („60 Prozent weg“) bloß 40 Prozent betrage und wir immer Reservekapazitäten benötigen. „Bei der Einbeziehung der Gesamtkosten komme ich zu einem unbezahlbaren Strom. Deindustrialisierung ist dann programmiert.“
Sein Hauptkritikpunkt war aber die deutsche Froschperspektive, aus der Berlin die Klimapolitik angeht – die Vorstellung, dass Deutschland mit einem Anteil von zwei Prozent am Welt-CO2-Ausstoß der Vorstellung anhänge, in Deutschland das Erdklima retten zu können: „Für einen einfachen Ingenieur wie mich einfach nur absurd!“, und: „Die deutsche Klimapolitik ist in etwa so effektiv wie der Versuch, eine Straßenbahn von innen anzuschieben.“ Wer sperrige Sachverhalte in schöne Bilder packt, brauchte um den Applaus nicht zu bangen. Des Managers Fazit: Am Ende werde nur der Standort Deutschland unnötig teuer gemacht.
Die naheliegende Frage, warum Berlin denn bei dieser katastrophalen Bilanz der Klimapolitik dennoch an ihr festhalte, beantwortete Wendland mit dem Verweis auf die „große Erzählung“, die mit ihr verbunden wird: Hier die als autokratisch, autoritär, zentralistisch, gemein und männlich geframte Atomkraft, dort die demokratischen, dezentralen, sanften Erneuerbaren Energien – die Grünen erzählten „einfach ’ne tolle Geschichte“. Vorstellungen von Technik statt Kenntnissen von Technik: Die Entscheidungen über Technik fällten die Bürger schon im vortechnischen Bereich anhand ihrer Werteorientierungen, so Wendland, und hier liege auch der „Schlüssel für den Diskurs, der zum Beispiel bei uns die Kernenergie aus dem System gekippt hat: Die deutsche Kernenergie ist nicht an ihrer Technik kaputtgegangen, die ist an ihren Diskursen kaputtgegangen.“
Problematisch, wenn mit solchen einfachen Geschichten Wahlen gewonnen werden. „Da müssen wir uns auch an die eigene Nase fassen – haben wir denn keine gute Geschichte erzählt, zum Beispiel über die deutsche Kernenergie?“ Als allererstes müsste die Grundbedingung des Atomausstiegs angefochten werden, und das ist „die Leitkultur der Atomangst. Und die ist anfechtbar!“ Viel Applaus für Wendland für diesen unerschrockenen Ansatz.
„Sollten uns überlegen, ob die Bedingungen für junge Familien so ideal sind“
Das dicht gepackte Programm war vielfältig: Von Umrissen der Merkel-Ära über Außen- und Sicherheitspolitik, Migration, Wirtschaft bis zur deutschen Regierungspraxis war alles dabei. Und doch fehlten für einen Staat essenzielle Punkte: etwa die der Familien- und Religionspolitik.
Hoffnung auf Lösungen in diesen Feldern machte Panel 4: „Migration und Demographie“ mit den Diskutanten Axel Börsch-Supan vom Max-Planck-Institut München, dem Migrationsexperten Ahmad Mansour sowie der Ethnologin Susanne Schröter von der Goethe-Universität Frankfurt.
Den Aufschlag machte der Volkswirt Börsch-Supan, Leiter des Max-Planck-Instituts für Sozialrecht und Sozialpolitik, mit einem launigen Statement zum demographischen Niedergang, der Deutschland noch die nächsten Jahrzehnte beschäftigen wird, und zur Sozialpolitik. Das Land, betonte er, befinde sich in einer demographischen Schieflage – „das wissen Sie und das wusste auch Frau Merkel von Anfang an“. Er kritisierte auch den unter Merkel kaum angesprochenen Arbeitskräftemangel, der heute voll durchschlägt. „Der demographische Wandel ist nicht nur ein Rentenproblem, sondern in erster Linie ein makroökonomisches Problem.“ Womit er einen Punkt anspricht, der in der Debatte oft unterschlagen wird: Demographie betrifft alle Bereiche der Gesellschaft. Sein Fazit: Deutschland kann sein Demographieproblem nicht mit Einwanderung, erst recht nicht durch eine „irrationale Migrationspolitik“ lösen, sondern nur selbst. Den Elefanten im Raum, die Massenabtreibung unseres Nachwuchses oder, deutlicher ausgedrückt: die vorgeburtliche Tötung von Kindern in Größenordnungen von hunderttausend Menschen pro Jahr, blendeten die drei Experten dieses Panels komplett aus, und auch die Moderatorin hakte nicht nach.
Die Geburtenrate in Deutschland liegt bei unter 1,6 Geburten pro Frau. Für eine Bestandserhaltung sind aber 2,1 nötig. „Wir sollten uns auch mal überlegen, ob die Bedingungen für junge Familien, für junge Menschen, Kinder großzuziehen, in unserem Land so ideal sind. Da glaube ich, dass man an einigen Stellschrauben drehen kann“, mahnte Susanne Schröter.
Die dreifache Mutter bekannte sich als Anhängerin kinderreicher Familien und wies auf die Scheu junger Paare, mehr als ein Kind zu bekommen. Eine Möglichkeit sei etwa, Familien steuerlich zu entlasten. Generell sei die Steuer- und Sozialpolitik aktuell deutlich verbesserungswürdig, konstatierte die Professorin, denn Arbeit im mittleren oder unteren Segment sei „nicht unbedingt attraktiv“, was auch mit den im Vergleich zu anderen Ländern großzügigen Sozialhilfen zusammenhänge. Das Publikum quittierte ihre Forderung, wonach der Staat nicht „als große sorgende Mutter“ auftreten dürfe, mit Applaus.
„Es gibt keine Willkommenskultur ohne Abschiebepolitik“
Doch was ist mit dem zweiten wichtigen Schwerpunkt, der wie kaum ein anderer Merkels Regierungszeit prägte: Einwanderung und Integration? Hier schlug die Stunde von Ahmad Mansour. „Ich finde es ziemlich kontraproduktiv und teilweise rassistisch, zu sagen, wir wären moralischer, wenn wir Leute aufnehmen und sie dann im Stich lassen.“ Applaus.
Bei dem Thema gehe es nicht nur um Rente oder Demographie, sondern auch um den gesellschaftlichen Frieden, um Integration und Akzeptanz sowie um die Vermeidung von Konflikten, die es ohne Zweifel gebe, betonte der deutsch-israelische Psychologe. Er betonte eine Obergrenze für Zuwanderer, die in Deutschland integriert werden könnten: lieber weniger Migranten und dafür bessere Integration.
„Was macht die Bundesregierung? Sie wechselt den Begriff Integration und macht daraus Teilhabe. Damit verlagert sich die Verantwortung für diese Aufgabe auf die Mehrheitsgesellschaft. Das heißt, statt die Menschen in die Verantwortung zu setzen und sie dazu zu bewegen, Teil dieser Gesellschaft zu werden, aktiver sich zu integrieren, machen wir die Mehrheitsgesellschaft dafür verantwortlich und nennen das Teilhabe. Das bedeutet, die Mehrheitsgesellschaft muss besser werden: weniger diskriminierend, weniger rassistisch, dann haben wir keine Probleme mehr. Das ist viel zu naiv und falsch. Und das bedeutet, wir nehmen diese Menschen nicht als gleichberechtigte Bürger in diesem Land wahr, sondern wie ein Kuscheltier, das nur auf die Mehrheitsgesellschaft reagiert.“
Doch bei dem Panel zeigte sich auch, warum rechts der Union eine weitere Partei reüssieren kann. Denn eine prägende Folge Merkelscher Kanzlerschaft ist die dauerhafte Etablierung einer Rechtspartei: der AfD. Sowohl Börsch-Supan als auch Schröter offenbarten einen teils naiven Blick auf die Asylzuwanderung, etwa wenn Börsch-Supan betonte, der Großteil der Syrer sei gut integriert und arbeite, und wenn Schröter die Forderung aufstellte, Zuwanderer müssten engmaschiger betreut werden, obwohl dies schon jetzt personell kaum zu stemmen ist und die Kommunen seit Monaten unter der Last ächzen.
Widerspruch kam hier abermals von Mansour. Er zweifele daran, dass ein großer Teil gut integriert sei. Und er betonte: „Es gibt keine Willkommenskultur ohne Abschiebepolitik. Das funktioniert nicht.“ Das sei ein Satz, den er in Willkommensklassen von Flüchtlingen höre. „Die sagen, dass sie die Politik, die Deutschland betreibt gegenüber Schwerkriminellen, Terroristen und Leuten, die dieses Land verachten, aber hierbleiben, komplett ablehnen und als irre Politik beschreiben.“
Schröter hakte ein: Alle Asylfälle müssten im Ausland gestellt und bearbeitet werden. Das würde auch das Sterben im Mittelmeer verhindern. Das Publikum zeigte Zustimmung, Mansour nicht. Wieder war er es, der ein Problem ansprach, das die deutsche Asyl- und Einwanderungspolitik seit Jahrzehnten durchzieht: „Wir reden ganz viel von Humanismus, wenn es um Migrationspolitik geht, und ich frage mich, was ist human dabei, Signale an alle diese Menschen zu senden: Macht euch auf den Weg, wenn ihr es nach Europa schafft, kriegt ihr die Möglichkeit, auch hierzubleiben. Das ist genau das, was diese Menschen dazu bewegt, sich in Gefahr zu bringen, weil wir uns als humane Politiker beschreiben wollen.“
„Mehr Realismus, mehr think big, mehr Führung“
Große, vielleicht zu große Einigkeit herrschte bei den Themen Außen- und Sicherheitspolitik. Hier setzte R21-Leiter Andreas Rödder den Ton. Drei Aspekte der Außenpolitik müssten sich dringend ändern: „Erstens: mehr Realismus und weniger Denkblockaden. Zweitens: mehr Strategie und think big und, drittens: mehr Führung.“ Deutschland habe sich als „Zivilmacht“ außenpolitisch blockiert.
Deutschland müsse die „Ankündigungen der Autokraten“ ernst nehmen. Neben Moskau meinte er damit ausdrücklich auch Peking. Deutschlands geopolitische Rolle habe sich seit dem russischen Angriff auf die Ukraine verändert. „Deutschland denkt zu selbstbezogen und zu festgefahren im Status quo. Angela Merkel war immer stark in der Analyse, was nicht geht, aber sie war schwach in der Phantasie, was machbar und möglich wäre.“ Deutschland hingegen müsse, so Rödder, „auf das größere Bild sehen, statt am eigenen Kirchturm zu kleben“.
Die Bedrohung der „regelbasierten Weltordnung“ komme – „trotz der Fehler, allen voran der Irakkrieg 2003“ – aus Russland und China. „Und die Selbstbehauptung der liberalen Demokratien nach außen wie im Inneren: das ist die Herausforderung der Gegenwart.“ Hier äußerte Rödder das tiefverwobene Selbstverständnis der CDU als Partei der Westbindung. Diese Selbstbehauptung sei nur im Bündnis mit den westlichen Partnern möglich, allen voran der USA. Und neben der Achse mit Frankreich müsse diese im Dreieck mit Großbritannien und Polen gedacht und bewältigt werden – Stichwort: mehr Führung.
Auch wenn in CDU (und auch FDP) am transatlantischen Orientierung nicht gekratzt wird: Auf einer Konferenz, die deutschlandweite Debatten setzen will, hätte man an dieser Stelle auch Referenten mit anderer Meinung erwartet. Zum einen, weil dies auch die Argumentation der übrigen Redner schärfen würde, zum anderen aber, weil ein relevanter Teil der Deutschen bei diesem Thema längst nicht so uniform tickt, wie das laut der veröffentlichten Meinung häufig der Fall zu sein scheint. Schließlich speist sich auch die Zustimmung zur AfD teilweise aus diesem Segment der „Anderstickenden“.
Die Aufgabe für das bürgerliche Lager ist groß
Apropos AfD: Obwohl die Partei ohne Zweifel ein Kind Merkelscher Politik ist, wurde über sie auf der offiziellen Veranstaltung kaum gesprochen. Ob Teile der AfD ebenso zum bürgerlichen Lager dazugehören und wie beispielsweise die CDU in den östlichen Ländern mit einer AfD in Volksparteistärke künftig umgehen solle, diese Fragen mussten im Anschluss besprochen werden.
Auch nach fast neun Stunden Vorträgen und Diskussionen war der Konferenzsaal bis in den Abend gut gefüllt. Das liberal-konservative Publikum – westdeutsch, bürgerlich, CDU- und FDP-nah – sehnte sich offenbar danach, weitgehend unter seinesgleichen zu sein. Und R21 will jenes Vehikel sein, das dieses Lager intellektuell zurüstet und ihm eine satisfaktionsfähige politische Stimme gibt. Der Wille und die Nachfrage dazu waren – zumindest an diesem Tag – unübersehbar da.
Doch die Aufgabe ist groß, denn sowohl in der CDU als auch in der FDP geben andere den Ton an. Und selbst der als Anti-Merkel-Kandidat angetretene jetzige CDU-Parteichef Friedrich Merz tat bislang kaum etwas, um das Konservative in der Partei nach vorn zu bringen. Diese Meinung war auch bei vielen Teilnehmern Konsens. Umso motivierter stimmten sie dem Ziel des R21-Leiters Rödder zu, die „Sprachlosigkeit des Bürgertums“ zu überwinden und „die Diskurshoheit zurückzuerobern“. Und das nicht nur parteipolitisch, sondern im ganzen Land.
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