Das Geschäft mit dem Verkauf von Kindern
In Deutschland ist Leihmutterschaft verboten. Zumindest nach dem Gesetz. Das gilt für dahingehende Tätigkeiten von Ärzten, die im Extremfall mit einer Gefängnisstrafe von bis zu drei Jahren rechnen müssen. Aber auch die Leihmutterschaftsvermittlung steht unter Strafe. Während ersteres im Embryonenschutzgesetz geregelt ist, greift für die sogenannte „Ersatzmuttervermittlung“ das Adoptionsvermittlungsgesetz. Legal hingegen agieren die Auftraggeber, also die Paare, die sich ein Kind wünschen und eine Firma beauftragen.
Trotz der rechtlichen Eindeutigkeit funktioniert hierzulande der Markt für Leihmutterschaft. Interessenten nutzen das Ausland, in den meisten Fällen die Ukraine. Dass das Geschäft mit den Kindern dort so gut läuft, liegt auch an der Armut im Land. Laut der Kinderrechtsorganisation „Humanium“ lebten vor dem Krieg rund 35 Prozent der Menschen unterhalb der Armutsgrenze. Gerade Frauen sind häufig betroffen. Bis zu 20.000 Euro kann eine Mutter für den Verkauf erhalten – Geld, auf das viele junge Frauen angewiesen sind. Sie sehen oftmals keine andere Chance, als ein Kind für eine andere Familie auszutragen.
Ein weiterer Grund sind die geringen bürokratischen Hürden, die in der Ukraine gelten. Es ist recht leicht für die ausländischen Paare, das Baby bei den Behörden offiziell zu ihrem Kind zu machen. In der Praxis kann man sich das laut einer Recherche der Welt in etwa so vorstellen: Die Auftraggeber sitzen auf gepackten Koffer, bis der Anruf kommt und sie in die Ukraine reisen. Dort bleiben sie einige Tage und gehen anschließend zur deutschen Botschaft in Kiew. Die Paare zeigen die Papiere vor, Geburtsurkunde und eine Verzichtserklärung, die die leibliche Mutter unterschrieben hat. Wenige Minuten später erhalten sie die Pässe.
Kinder wurden bereits vertauscht
Eine der bekanntesten Firmen, die ganz offen in Deutschland für Leihmutterschaft wirbt, ist das Unternehmen „BioTexCom – center for human reproduction“ in der Ukraine. Auf ihrer Homepage können Interessenten zwischen drei Paketen wählen: All-Inclusive Standard für 39.900 Euro, All-Inclusive Standard plus für 49.900 Euro und All-Inklusive VIP für 64.900 Euro. Hormonbehandlung für die spätere gesetzliche Mutter in Deutschland und die spätere Befruchtung in Kiew inklusive. So erhalten die Interessenten, nachdem die Leihmutter entbunden ist, ein eigenes, genetisches Kind.
In der Praxis ist es bereits zu Verwechslungen gekommen, was Firmengründer Albert Tochilovsky als einen „bedauerlichen Einzelfall“ bezeichnete. Im Jahr 2011 bekam ein italienisches Ehepaar über BioTexCom einen Sohn. Als Behörden aufgrund von optischen Ungereimtheiten – ein blondes Kind, das auch noch in Kiew geboren wurde – Nachforschungen anstellen, verlangte das Einwohnermeldeamt einen DNA-Test. Dieser ergab, dass Eltern und Kind nicht miteinander verwandt waren. Im Zuge des Verfahrens entzog der Staat dem Paar das Sorgerecht. Das Kind kam in eine Pflegefamilie. Rechtliche Konsequenzen gab es für BioTexCom nicht.
Die FDP fordert „Leihmutterschaft aus Nächstenliebe“
Dass es sich hierbei tatsächlich um einen Einzelfall handelt, bestreitet Juriy Kovalchuk, ehemaliger Mitarbeiter der ukrainischen Bundesanwaltschaft, gegenüber Welt. Sein Verdacht: BioTexCom verkaufte immer wieder ukrainische Kinder, statt das teure und aufwendige In-Vitro-Verfahren anhand des Spermas und der Eizelle der Interessenten durchzuführen. Doch laut Kovalchuk verliefen die Ermittlungen immer wieder im Sande. „Es gab Gespräche mit den Behörden in Spanien, Italien und Großbritannien darüber, zu insgesamt 200 Verdachtsfällen Untersuchungen einzuleiten. Doch letztendlich wurden die Kollegen nicht erkennbar aktiv“, so der Jurist.
In Deutschland kämpft vor allem die FDP um die Legalisierung von Leihmutterschaft. Eine der Lautsprecher ist die Bundestagsabgeordnete Katrin Helling-Plahr, die auch Mitglied des Gesundheitsausschusses ist. Sie plädiert für eine „Leihmutterschaft aus Nächstenliebe“, eine „altruistische Leihmutterschaft“.
Die Feministen der französischen Organisation „Coalition Internationale pour L’Abolition de la Maternité de Substitution“ (CIAS) sehen das kritisch: „Wie soll ein Staat überhaupt einschätzen können, wie altruistisch das Gebären eines Kindes für eine andere Frau wirklich ist? Wie will man ausschließen, ob nicht Erpressung und Handel stattfinden? Was passiert, wenn das Kind eine Behinderung hat oder die Mütter Schäden in der Schwangerschaft oder während der Geburt davontragen? Was passiert, wenn eine Leihmutter Gefühle für das Kind entwickelt und es nicht hergeben will?“ Um dem letzteren Argument, der Bindung der leiblichen Mutter zum Baby, entgegenzuwirken, gilt bei BioTexCom die Regel, dass nur Frauen Leihmütter werden dürfen, die bereits Mütter sind.
Interessant hierbei ist auch folgendes: Mit dem Vorhaben, Leihmutterschaft in Deutschland zu legalisieren, steht die FDP im Widerspruch zum EU-Parlament. Dieses stellt in einer Resolution vom 2022 unmissverständlich klar: „Leihmutterschaft ist inakzeptable sexuelle Ausbeutung und Verletzung der Menschenwürde und der Menschenrechte.“ Ferner forderte das EU-Parlament die EU-Mitgliedstaaten auf, „die Ausmaße dieser Industrie, den sozioökonomischen Kontext und die Situation der schwangeren Frauen sowie die Folge für ihre körperliche und geistige Gesundheit und für das Wohlbefinden der Babys zu untersuchen“.
Georgien als neues Zielland für Interessenten
Währenddessen steigt die Nachfrage nach Leihmutterschaft trotz des Krieges in der Ukraine. Der Klinikdirektor von BioTexCom, Ihor Pechenoha, möchte daher Frauen aus Russland gewinnen: „Da so viele ukrainische Frauen ins Ausland gegangen sind, haben wir nicht genug, um die Nachfrage zu stillen, die seit Kriegsbeginn gewachsen ist“, äußerte er gegenüber dem spanischen Nachrichtenportal „La Marea“.
Ein Land, das in diesem Kontext immer wieder genannt wird, ist Georgien. Im eurasischen Staat wurde Leihmutterschaft 1997 erlaubt. Die Voraussetzungen dort erinnern an die in der Ukraine. Relative Armut in der Bevölkerung in Verbindung mit wohlwollenden Behörden, die das Geschäft möglich machen. Neben dem reichen Westen interessieren sich auch immer mehr wohlhabende Inder für die Leihmutterschaft, da dort die Legalisierung im vergangenen Jahr endgültig verboten wurde.
Georgische Leihmutterschaftsagenturen wie „ARTbaby“ haben bereits Zweigstellen in Indien aufgebaut. Dessen Direktor Ravi Sharma lobt die Möglichkeiten in Georgien: „Die Leihmutter hat keine Rechte an dem Kind. In der Geburtsurkunde werden weder die Leihmutterschaft noch die Leihmutter erwähnt. Es besteht kein Anwaltszwang.“
Widerstand von Medizinern und Psychologen
Doch es regt sich auch Widerstand. Im März dieses Jahres wurde die „Erklärung von Casablanca“ veröffentlicht. Juristen, Mediziner, Psychologen und Humanwissenschaftler aus rund 70 Ländern appellieren an Staaten, „Leihmutterschaft in all ihren Formen, ob bezahlt oder unbezahlt, zu verurteilen und Maßnahmen zur Bekämpfung dieser Praxis zu ergreifen“. Insgesamt kamen 17 Redner aus 15 Ländern Nord- und Südamerikas, Afrikas und Europas zu Wort, um die Praxis der Leihmutterschaft von ihrem Fachgebiet aus zu beleuchten: „Unsere Gruppe wird weiterhin Inhalte produzieren, um die öffentliche Meinung und die Regierungen unserer Staaten zu sensibilisieren“, erklärte der Chilene Bernardo Garcia Larrain gegenüber der Tagespost.
Für eine der Mitstreiterinnen der Erklärung, Aude Mircovic, kommt nur eines in Frage, um die Praxis der Leihmutterschaft zu unterbinden: ein globales Verbot. „Man kann noch so viele Arbeitsgruppen einrichten und noch so viele Berichte übereinanderstapeln, die Leihmutterschaft bleibt ein Akt der Verfügung über ein Kind. Über ein menschliches Wesen durch einen Vertrag zu verfügen, unabhängig von der Liebe, die ihm versprochen wird, bedeutet, es wie ein Objekt zu behandeln“, stellte die Juristin in der katholischen Wochenzeitung klar.
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