Deutschlands Autoimmunerkrankung und was dagegen hilft

Die guten Nachrichten zuerst: Die Ampel ist, nachdem sie zerbrochen ist, nun auch endgültig abgewählt. Es bleibt hoffentlich ein einmaliges, gescheitertes Experiment. Die SPD verlor so stark, dass sie bei der gestrigen vorgezogenen Bundestagswahl ihr historisch schlechtestes Ergebnis erzielt hat. Die FDP büßte so stark ein, dass sie mit 4,3 Prozent der Stimmen klar aus dem Bundestag fliegt. Die Grünen sind auf ihr Kernmilieu zurückgestutzt worden.
Deutschlands Parlament ist mehrheitlich konservativ. Die nominalen Wahlsieger CDU/CSU sind mit 28,6 Prozent stärkste Kraft. Gefolgt von der AfD, die ihr Ergebnis um 10,4 Punkte auf 20,8 Prozent verdoppelt. Die CDU kann mit dem Ergebnis nicht zufrieden sein. Dazu aber später mehr.
Die Deutschen gingen in hellen Scharen an die Urne. Die Wahlbeteiligung war mit 82,5 Prozent so hoch wie noch nie im wiedervereinigten Deutschland. Den Bürgern ist der Ernst der Lage bewusst.
Das erstmals zur Wahl angetretene Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) ist denkbar knapp mit 4,972 Prozent an der Fünfprozenthürde gescheitert. Das ist für den Fortlauf der Geschicke des Landes besonders wichtig. Auch dazu später mehr.
Das bundesrepublikanische Abwehrsystem unterliegt einer Fehlsteuerung
Zunächst gilt es, die bittere Diagnose zu stellen: Deutschland leidet an einer Autoimmunerkrankung. Das bundesrepublikanische Abwehrsystem unterliegt einer Fehlsteuerung. Die T-Zellen stufen die guten Organismen als Feinde und die Feinde als gut ein.
Dabei darbt Deutschlands Wirtschaft, das Land zehrt von seiner Substanz, die Jugend ist nicht durch Zuversicht und Aufbruchstimmung, sondern durch Sorgen gekennzeichnet. Gleichzeitig sorgt eine seit nunmehr einem Jahrzehnt anhaltende Masseneinwanderung kulturell-religiös Fremder in Kombination mit einer nie dagewesenen Bevölkerungsalterung für demografische Verwerfungen, die unser Land unwiderruflich verzeichnen.

Wirtschaft und Migration: Das sind die bestimmenden Themen der Deutschen. Und sie werden es bleiben. Wie gut, dass es Parteien gibt, denen die Wähler in ebenjenen Politikfeldern Lösungen zutrauen. CDU/CSU gelten als wirtschaftskompetent, die AfD als aussichtsreichster Kandidat zur Bewältigung der Einwanderungskrise.
Wie passend, dass Schwarz-Blau nach der gestrigen Wahl eine solide Mehrheit hat. Oder hätte. „Links ist vorbei. Es gibt keine linke Mehrheit und keine linke Politik mehr in Deutschland. Es ist vorbei“, betonte Unions-Spitzenkandidat Friedrich Merz beim Wahlkampfabschluss am Samstag.
Doch Merz schloss, wie die Wochen zuvor, auch am Sonntagabend eine Koalition mit der AfD dezidiert aus. Die Blauen machen es ihm mitunter leicht: Angesichts ihrer teils verqueren außenpolitischen Positionen kann die Partei der Westbindung, die Partei Konrad Adenauers und Helmut Kohls rein inhaltlich argumentieren. Manche AfD-Politiker haben die Union zum politischen Hauptgegner erklärt, und konservative Wähler fragen sich zu Recht, ob die AfD angesichts des desaströsen Zustands des Landes ihre strategischen Überlegungen zugunsten pragmatischer Lösungen zurückstellt.

Andererseits muss sich die Union fragen, wie sie nun mit der SPD als ziemlich sicherem Koalitionspartner ihre angekündigte politische Wende umsetzen will. Die meisten Punkte ihres Wahlprogramms würde sie nämlich mit der AfD umsetzen können. Besonders die Wähler in den östlichen Bundesländern werden sich fragen, ob diese Demokratie noch funktioniert, wenn im Osten fast 40 Prozent der Bürger AfD wählen und ihre Partei dennoch nicht einmal an Gesprächen beteiligt wird.
US-Vizepräsident J. D. Vance hatte recht, als er jüngst auf der Münchner Sicherheitskonferenz sagte, es gebe keine Sicherheit, „wenn man Angst vor den Stimmen, den Meinungen und dem Gewissen des eigenen Volkes hat“.
> Abonnieren Sie den Corrigenda-Newsletter und erhalten Sie einmal wöchentlich die relevantesten Recherchen und Meinungsbeiträge
Die Union hat fast eine Million Wähler an die AfD verloren, so viel wie an keine andere Partei. Merz’ Schlingerkurs, sich mal betont konservativ zu geben, mal an der Brandmauer zu bauen: Er verfängt nicht. Einmal einen folgenlosen Antrag mit den AfD-Stimmen durchzubringen: Es reicht nicht. Im Konrad-Adenauer-Haus sollte deshalb Demut vor Freude herrschen. Es ist das zweitschlechteste Ergebnis für CDU/CSU, unterschritten nur von jenem 2021. Der langfristige Trend zeigt aber nach wie vor nach unten (s. Grafik).

Dass Merz und sein Generalsekretär Carsten Linnemann bereits vor der Wahl die pragmatisch naheliegendste Option einer Minderheitsregierung ausgeschlossen haben, könnte sich noch als bitterer Fehler erweisen – für Partei und Land. Denn mit einer solchen Konstellation, die in einigen skandinavischen Ländern hervorragend funktioniert, könnte die Union sich wechselnde Mehrheiten im Parlament suchen: migrations- und wirtschaftspolitische Wahlversprechen mit der AfD umsetzen, außenpolitische mit Grünen und SPD.
Die linke Propagandamaschinerie funktioniert nach wie vor
Die Union wird nun wahrscheinlich wie in Hessen mit den Sozialdemokraten regieren. Bis in den frühen Morgen mussten die Post-Merkelianer in der Union zittern. Denn hätte das BSW den Sprung ins Hohe Haus geschafft, hätte es für Schwarz-Rot nicht gereicht, und auf Deutschland wäre eine Ampel 2.0 zugekommen, schwarz, rot und grün.
Schwarz-Rot ist die am wenigsten schlechte realistische Option. Aber sie ist immer noch eine schlechte. Auch wenn die SPD mit neuem Personal an der Spitze auftritt – Boris Pistorius –, wird sie die dringend benötigten Sozialreformen bremsen. Hinzu kommt, dass die Union den Fokus wahrscheinlich auf Wirtschaft und Migration legen wird. Im Gegenzug dazu könnten die Genossen den Christdemokraten in gesellschaftspolitischen Fragen einiges abringen. Auch Carmen Wegge, eine der Initiatoren der in dieser Legislaturperiode gescheiterten Abtreibungslegalisierung, hat es wieder in den Bundestag geschafft. Sie und die anderen Abtreibungsfanatiker werden nicht ruhen, den sozialistischen Todestrieb auch beim Lebensrecht zu befeuern.
Zweite schlechte Nachricht: Die SED-Erben von der Linkspartei haben ein für ihre Verhältnisse fulminantes Ergebnis erzielt. Nachdem sie 2021 noch unter fünf Prozent gelandet waren und nur durch Direktmandate dennoch einzogen, kamen sie beim aktuellen Urnengang auf 8,8 Prozent der Stimmen. Noch schlimmer: Glaubt man den Nachwahlbefragungen, so hat ein Viertel der unter 25-Jährigen Die Linke gewählt.
Die linke Propagandamaschinerie funktioniert in weiten Teilen des Landes nach wie vor reibungslos. Das beweist nicht nur das gute Erstwähler-Ergebnis der Linken, sondern auch die Mutlosigkeit der Union. Die Deutschen haben einen Politikwechsel gewählt, sie bekommen aber eine weitere Legislaturperiode Status quo.
Aktiv werden, die Hände nicht in den Schoß legen
Autoimmunerkrankungen sind zäh. Eine vollständige Heilung gelingt selten. Deutschlands politische Autoimmunerkrankung wird absehbar bestehen bleiben. Und dennoch: Bis neue Wirkstoffe verfügbar sind, sollte man die Hände nicht in den Schoß legen, sonst verschlimmert sich die Situation nur. Das hat erst jüngst der Kampf gegen die Abtreibungslegalisierung gezeigt.
Ohne die Zehntausenden engagierten Gläubigen, die nebst Gebet auch auf kleinster politischer Eben aktiv wurden, ihre Abgeordneten anschrieben, herumtelefonierten und in sozialen Netzwerken auf die drohende Gefahr aufmerksam machten, wäre Paragraf 218 StGB in seiner jetzigen Form wahrscheinlich schon Geschichte.
Doch nicht nur auf politischer, auch auf kirchlicher, kultureller und auf Vereinsebene muss sich etwas ändern. Zu lange schon dominieren die Verirrten, weil sie ihre Prioritäten anders legen. Karriere schön und gut, aber wieso nicht auch sich zusammentun und das Vereinsleben vor Ort übernehmen, den Pfarrgemeinderat, die Theatergruppe?
Wieso nicht endlich sich überwinden, den Streit in Kauf nehmen, wenn es ums Überleben – wirtschaftlich, demografisch – und die Wahrheit – biologische, naturrechtliche und religiöse – geht? Mit einem faulen Frieden ist nichts gewonnen. Denn die Feinde kämpfen erbittert und scheuen vor nichts zurück. Das kleinbürgerliche, unpolitische Idyll der Bundesrepublik mit Zwei-Kind-Familie, Zweitwagen, Helene-Fischer-Konzert, All-inclusive-Urlaub und geheuchelter Harmonie war, wie sich immer mehr herausstellt, eine Ausnahmezeit.
Jetzt gilt wieder Matthäus, Kapitel 10: Rausgehen, verkünden, mitten unter den Wölfen. Keine Furcht vor Konfrontation, „wacher Widerstand“ (Josef Pieper). Disziplin nach außen und innen sowie Tapferkeit. Jetzt heißt es, die Kultur, die Mentalität zum Besseren zu verändern. Dann ist es auch zweitrangig, wer aktuell regiert. Weil die Politik stets die Folge ist, nicht die Ursache.
> Kennen Sie schon unseren Corrigenda-Telegram- und WhatsApp-Kanal?
Kommentare
Viel konservativer finde ich dieses Ergebnis nicht.
45,3% der Stimmen gingen 2021 an Rot-Rot-Grün
41,76% der Stimmen gingen gestern an Rot-Rot-Grün-Rot
Ein sehr kleiner Unterschied
Was ist los mit diesem Volk?
@Corrigenda Fan Was ist los mit diesem Volk?
Nichts. Es gibt nur einen bestimmten Prozentsatz, der politisch nicht Ihrer Meinung ist. Deal with it.
Eine Koalition mit der AfD kann schon wegen der EU-Politik der AfD nicht funktionieren
Eine CDU-SPD-Koalition hat eine komfortable Mehrheit, dass die Neo liberalen draußen sind und die Linke drinnen ist sehr gut den dann ist die AfD nicht die einzige Opposition
@Thomas Kovacs Wo ist die komfortable Mehrheit? 12 Sitze!
Ja, die linke Propagandamaschinerie funktioniert. Wie auf X zu lesen ist, mit allein 4,5 Mrd. Euro für linke sogenannte Nicht-Regierungsorganisationen, die von der Regierung mit Steuergeldern finanziert werden. Wenn dieser Geldhahn genauso wie für USAID zugedreht wird, wird sich auch die öffentliche Meinung in den Köpfen der Mehrheit wieder normalisieren. Und daran muss man im Alltag und wie in den USA - strategisch arbeiten.