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Kolumne „Ein bisschen besser“

Warum es besser ist, dem anderen seine Macken zu lassen

Manchmal habe ich den Eindruck, wir Deutschen sind mit Donald Trump verheiratet. Es ist eher so eine langjährige Beziehung, bei der jeder vom anderen weiß, welchen Knopf er drücken muss, damit der andere zuverlässig hochgeht. Wo jeder das Stöcklein genau so hinhält, dass der andere darüber stolpert. „Ich kauf mir Grönland, und wenn die es nicht hergeben, hole ich es mir“, tönt er.

Wir schauen gleich im Diercke-Weltatlas nach, wo Grönland liegt, sagen, dass es aber uns, also genauer seit dem Jahr 1721 den Dänen, aber auf jeden Fall uns Europäern gehört und natürlich sowieso zuallererst den 56.865 Grönländern. Das Nationalgericht heißt Suaasat, was eine dicke Suppe aus Robbenfleisch, Kartoffeln, Zwiebeln und Reis ist. Alternativ machen sie auch mal Walfleisch rein.

Dem anderen nicht ständig das Stöcklein hinhalten

Wir Deutschen sind in solchen Beschreibungen sehr genau und sehr gerecht, während Trump mal eben seinen Sohn hinschickt, der ein cooles Video mit jubelnden Einwohnern postet, von denen wir dann gleich behaupten, es seien eigens bezahlte Obdachlose gewesen, die da jubeln.

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Mich friert schon bei dem Gedanken, obdachlos in Grönland zu sein.

 

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Judith und ich machen das anders. Wir geben uns herzlich Mühe, dem anderen nicht ständig das Stöcklein hinzuhalten. So könnte meine Frau natürlich zum Beispiel sagen, dass ich außer der Hündin und meiner Arbeit und das Töchterchen in den Kindergarten bringen wirklich nicht viel zu Hause hinkriege.

Ich würde dann hochgehen und sehr genau und gerecht aufzählen, wie oft ich sauge, einkaufen gehe, das Bett mache und als Fotomodell durchs Bild hüpfe. Ich könnte dann weiter zum Gegenangriff übergehen und berichten, in welchem Zustand ich den Küchenausguss mehrmals täglich vorfinde: Gemüseschalen, matschige Brotkrümel, Verschlusskappen irgendwelcher Sahnedöschen, Fleischklümpchen vom Hundefutterlöffel, Robbenknochen – ich will gar nicht so sehr ins Detail gehen, aber alles sammelt sich da, bis ich es tapfer herausklaube.

So lange mit den Macken umgehen, bis sie uns als liebenswerte Schrullen erscheinen

Angriff und Gegenangriff würden natürlich zu einer Spirale der Eskalation führen, weswegen wir es ein bisschen besser finden, dem anderen seine Macke zu lassen, seine Marotte sozusagen, oder seine Schrulle eben.

Jedenfalls haben wir beide uns vorgenommen, solange mit den Macken des anderen zu leben, bis sie uns als liebenswerte Schrullen erscheinen, ohne die wir dann gar nicht mehr leben wollen. Zusammen sind wir jetzt schon ganz gespannt, was der schrullige Onkel Donald als nächstes vorhat. Die Suaasat jedenfalls kann er allein auslöffeln.

 

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