Wie wir mit der US-Wahl bei uns zu Hause umgehen
Die Herbstsonne scheint, die Blätter segeln vom Baum. Das Töchterchen steht darunter und hat sich vorgenommen, sie wieder an den Baum zu werfen. Langsam wird sie ungeduldig. Meine Frau Judith und ich sind noch von einer Geburtstagsparty gezeichnet, die Woche war auch nicht ohne. Und am Mittwoch werden wir aufwachen und vielleicht schon wissen, wer US-Präsident wird.
Natürlich ist meine Frau für Kamala Harris. Sie wollte erst, dass Michelle Obama übernimmt und hat sich dann ruckzuck mit der Ersatz-Obama arrangiert. Sie ist die Demokratin bei uns im Haus, ich bin der Republikaner, weswegen aktuell so ein Haarriss durch unseren Haushalt geht. Sie denkt an die Armen, ich denke, wie ich endlich reich werden könnte. Sie zahlt Steuern, ohne mit der Wimper zu zucken.
Ich entdecke Trumpsche Züge an mir
Ich entdecke Trumpsche Züge an mir, wenn ich mich frage, was die da oben mit meinem Steuergeld eigentlich so anstellen. Ich plädiere auf hohem intellektuellem Niveau für schöpferische Zerstörung. Judith sagt: „Pass auf, dass dabei nichts kaputt geht.“
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Ich habe ein Herz für Outlaws, von Robin Hood bis Elon Musk, was auch daran liegt, dass ich davon träume, selbst einer zu sein. Zumindest an den Wochenenden. Ich glaube sogar, dass Judith das am Ende attraktiv findet, zumindest, so lange ich nicht mein Taschenmesser in einer Lederhülle außen am Gürtel trage und eine Taschenlampe für alle Fälle in der Cargohose verstaue. Das mag sie nicht.
„Jede Minderheit hat das Recht auf ihre Diskriminierung“
Sie ist geduldig, ich explodiere manchmal. Sie hält Gründlichkeit für eine Qualität, ich Geschwindigkeit. Wenn ich koche, schmeckt’s und hinterher kannst du vom Fußboden essen, so viel liegt da drauf. Wenn sie kocht, schmeckt’s auch, aber hinterher sieht der Fußboden aus wie geleckt. Ich liebe unsere Hündin, sie hasst deren Haare, vor allem die, die auf dem Parkett landen.
Ich kann Tränen lachen über Witze, die politisch völlig unkorrekt sind. Ich bin Gründungsmitglied einer Männerwandertruppe mit angeschlossener Whatsapp-Gruppe, die vom Verfassungsschutz, wenn er darauf käme, als gesichert daneben eingestuft werden müsste. „Jede Minderheit hat das Recht auf ihre Diskriminierung“, ist ein Satz, der mir gefällt. Judith versucht dann tadelnd zu gucken, manchmal zucken allerdings die Mundwinkel.
Was unsere Familienregierung von der in Washington unterscheidet
Ich glaube übrigens, das genau unterscheidet unsere Familienregierung von der in Washington. Bei uns hält es zwar jeder für ein bisschen besser, wenn er endlich das alleinige Sagen hätte, aber keiner glaubt daran, dass die Welt untergeht, wenn das der andere gerade macht.
Die Familie fliegt nicht gleich auseinander, wenn der andere am Ruder ist. Und jetzt werden wir dem Töchterchen helfen, die Blätter an die Bäume zu werfen. Denn dass das unmöglich ausgeschlossen ist, glaubt bei uns keiner. Darin sind wir uns im Herzen einig, auch wenn wir ansonsten natürlich grundverschieden sind.
Kommentare
Robin Hood nahm nicht von den Reichen und gab den Armen, er nahm vom Staat und gab es den Steuerzahlern zurück. Der Outlaw in der Geschichte ist Prinz John.
Der Ehestreit ist vollkommen unnötig. Laut Larry Fink von BlackRock ist es völlig egal, wer Präsident wird. In Amerika bestimmt die Finanzindustrie, was gemacht wird. Der Präsident ist nur eine Marionette. Die Wahl ist nur für das gemeine Volk, damit es denkt, es lebe in einer Demokratie.