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Demografischer Niedergang in den USA

Eine Katastrophe mit Ansage

Wahlkämpfe in den USA werden noch immer von den klassischen Medien dominiert. Geschätzt 70 Prozent der Werbeausgaben fließen, trotz einflussreicher werdender sozialer Medien, weiterhin ins Fernsehen und Radio. Am Ende des Wahlkampfes 2024 dürften Vizepräsidentin Kamala Harris und Donald Trump gemeinsam mehr als eine Milliarde Dollar in Werbung investiert haben.

Um überhaupt in die Position einer Kandidatur auf Bundesebene zu kommen, gilt es, sich der Wählerschaft vorzustellen. Hierfür werden in den USA oftmals Autobiografien verfasst. Schließlich geht es darum, einen positiven Eindruck bei der Bevölkerung zu hinterlassen und nicht von vornherein von der Konkurrenz negativ definiert zu werden. Zudem geht mit dieser Strategie der Vorteil eines monetären Gewinns einher, zumal bei einem steigenden Bekanntheitsgrad.

Bestandteil von US-Wahlkämpfen: Autobiografien

Exemplarisch sei an dieser Stelle die Veröffentlichung der Memoiren von Harris im Jahr 2019 genannt. Das Buch der damals noch als US-Senatorin amtierenden Demokratin mit dem Titel „Der Wahrheit verpflichtet“ sollte ihre Teilnahme an den innerparteilichen Präsidentschaftsvorwahlen unterstützen. Nach ihrem schnellen Ausscheiden, Harris zog ihre Kandidatur noch vor der ersten Vorwahl zurück, erlebt Harris’ Werk nun mit einer vierjährigen Verspätung doch noch eine erhöhte Nachfrage. Schließlich könnte die Kalifornierin am 20. Januar 2025 in das Weiße Haus einziehen.

Schon vor seinem politischen Aufstieg verfasste hingegen J. D. Vance 2016 einen Bestseller. In seinem autobiografischen Roman „Hillbilly-Elegie“ beschreibt der republikanische Vizepräsidentschaftskandidat des Jahres 2024 die Herausforderungen der weißen Arbeiterschicht im sogenannten „Rostgürtel“, der ältesten und größten Industrieregion der USA. Es sollte das Standardwerk zum Verständnis des Wahlerfolgs von Trump bei dessen erster Präsidentschaftskandidatur werden.

J.D. Vance: USA beherrscht „von kinderlosen Katzen-Frauen“

So sehr sich Vance mit seinem Werk weit über die Grenzen der USA hinaus Respekt verschafft hat, so sehr polarisiert er doch als Politiker. Auf Grund des nun auf ihn gerichteten landesweiten Fokus thematisierten zuletzt Medien und die politische Konkurrenz eine von Vance getätigte Äußerung aus dem Jahr 2021. Bei Talkshow-Moderator Tucker Carlson beklagte sich Vance nämlich, damals noch als Kandidat für den US-Senat, dass die Vereinigten Staaten von „Demokraten, Wirtschaftsoligarchen und einem Strauß von kinderlosen Katzen-Frauen“ beherrscht würden, „die unglücklich mit ihrem eigenen Leben und mit ihren eigenen Entscheidungen sind, so dass sie auch den Rest des Landes miesepetrig machen wollen“.

 

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Explizit bezog sich Vance mit seiner Aussage auf Politikerinnen der Demokratischen Partei wie Harris oder Alexandria Ocasio-Cortez. Führungsfiguren ohne eigene Kinder, welche laut des Republikaners „die gesamte Zukunft der Demokraten“ darstellen würden. Vance machte damit die Anspielung, dass kinderlose Verantwortungsträger kein so starkes Interesse an nachhaltigen Entscheidungen haben würden wie Eltern. Neben der diesbezüglichen nicht haltbaren Kritik am Führungspersonal der Demokratischen Partei – Präsident Joe Biden, Mehrheitsführer Chuck Schumer und die damalige Sprecherin Nancy Pelosi sowie ihr Nachfolger Hakeem Jeffries haben allesamt Kinder großgezogen – versuchte Vance, mit der demografischen Entwicklung ein weiteres Thema auf die Agenda zu setzen.

Vance thematisiert demografische Herausforderung

In „The Megyn Kelly Show“ präzisierte Vance sodann seine Kritik, in dem er einerseits das Sinken der Geburtenrate als eine „zivilisatorische Krise“ bezeichnete. Andererseits machte er hierfür primär die Demokratische Partei verantwortlich, deren Politik „gegen Familie und gegen Kinder“ gerichtet sei. Letztere Behauptung sei an anderer Stelle zu hinterfragen, in Bezug auf den demografischen Wandel weist Vance aber definitiv auf eine ernstzunehmende Herausforderung hin.

Datenquelle: Federal Reserve Bank of St. Louis

Laut der US-Gesundheitsbehörde CDC ist nämlich die „Fertilitätsrate auf einen weiteren historischen Tiefstand gesunken“. Vor diesem Hintergrund ist zu konstatieren, dass im Jahr 2023 die Geburtenrate bei 1,6 Kindern pro Frau (Deutschland: 1,35) und damit unter dem Reproduktionsniveau von 2,1 lag. Insbesondere bei 20- bis 24-Jährigen lag die Fertilitätsrate so niedrig wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen.

Infolgedessen sank der Anteil der unter 4-Jährigen an der Gesamtbevölkerung zwischen den Jahren 2010 und 2022 um 8,2 Prozent auf nun 5,6 Prozent. Der Anteil der US-Amerikaner über 65 Jahre ist hingegen die am schnellsten wachsende Kohorte. Zwischen 2010 und 2022 stieg deren Anteil an der Gesamtbevölkerung von 13,1 Prozent auf 17,3 Prozent. Folgerichtig ist das Durchschnittsalter von US-Amerikanern in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen: Im Jahr 1970 lag dieses noch bei 28,1 Jahren, bevor es zur Jahrtausendwende auf 35,3 Jahre anstieg und mittlerweile bei 38,9 Jahren (Deutschland: 44,7 Jahre) liegt.

Bevölkerungswachstum trotz sinkender Geburtenzahlen

Trotz einer sinkenden Geburtenrate können die USA ihr Bevölkerungsniveau gegenwärtig halten, ja sogar ausbauen. Wie das Congressional Budget Office (CBO) in seinem Bericht feststellte, liegt dies nahezu allein in der konstant hohen Einwanderung begründet. Schätzungen zufolge soll die Migration noch in diesem Jahrhundert für ein konstantes Bevölkerungsniveau sorgen.

Doch je länger Migranten in einem Land leben, desto stärker passen diese sich auch hinsichtlich der Fertilität den Einheimischen an. Heißt: Wartet die erste Einwanderergeneration noch mit einer vergleichsweise hohen Geburtenrate auf, sinkt diese bei den nachfolgenden Generationen.

Die Migration verdeckt also gegenwärtig noch die aufkommenden demografischen Herausforderungen für die USA. Die Darstellung der Altersgruppen hat noch keine Zwiebelform wie in Deutschland, mit einem dicken Bauch der Baby-Boomer und einem immer geringer werdenden Stamm, angenommen. Dennoch wird die sinkende Geburtenrate mittel- und langfristig für erhebliche Konsequenzen sorgen. Allein aus politisch-ökonomischer Sichtweise werden neben einer Belastung für die wirtschaftliche Entwicklung auch die Sozialversicherungssysteme vor enormen Herausforderungen gestellt.

Krasser Wertewandel als Ursache

Die demografische Entwicklung in Deutschland gilt den USA vor diesem Hintergrund als frühe Warnung: Die alternde Gesellschaft ist in Deutschland schon weiter vorangeschritten als in Amerika, und die wenig regelkonforme Einwanderung hat zu neuen, weiteren Herausforderungen geführt. In den Vereinigten Staaten leben schon heute geschätzte elf Millionen illegale Einwanderer. Die Migrationspolitik, die an anderer Stelle ausführlicher zu besprechen sei, ist folgerichtig schon seit Jahren eines der wichtigsten Wahlkampfthemen.

Bevölkerungspyramide der USA Anfang Dezember 2023

Mit der steigenden Kinderlosigkeit hat sich indes das Pew Research Center auseinandergesetzt und kam zu aufschlussreichen Ergebnissen. Dementsprechend gaben 57 Prozent der Erwachsenen unter 50 Jahren als Grund für ihre (geplante) Kinderlosigkeit an, dass sie einfach keine Kinder haben wollen. Bei der Kohorte der Personen über 50 Jahren liegt dieser Wert bei gerade einmal 31 Prozent. Dabei wollen mehr Frauen im gebärfähigen Alter (64 Prozent) keine Kinder haben als Männer (50 Prozent). Zu einem ähnlichen Ergebnis kam auch eine Studie von Morgan Stanley, laut der im Jahr 2030 ungefähr 45 Prozent der Frauen zwischen 25 und 44 Jahren alleinstehend sein werden.

Bei den angegebenen Beweggründen für diese aktive Entscheidung wurden laut Pew Research Center primär (angebliche) individuelle Einschränkungen angegeben: Ohne Kinder würde man sich mehr materialistische Dinge leisten können und mehr Zeit für eigene Hobbys und Interessen haben. Des weiteren könnte eigener Nachwuchs dem aktiven sozialen Leben ebenso entgegenstehen wie dem beruflichen Fortkommen. 

Rückgang an gläubigen Christen

Um der sinkenden Geburtenrate entgegenzusteuern, schlug der republikanische Vizepräsidentschaftskandidat Vance schon höhere Steuern und die Einschränkung von Wahlrechten für kinderlose Personen vor. Doch staatliche Lenkung, sei es durch Förderungen oder Einschränkungen, kann der demografischen Entwicklung kaum entgegenwirken. Andere entwickelte Länder mit stärker ausgebauten Sozial- und Wohlfahrtssystemen als in den USA zeigen dies exemplarisch.

Vielmehr liegt die Ursache in einer grundlegenden Veränderung des Wertesystems bei einer wachsenden Gruppe insbesondere junger Menschen begründet. Der Rückgang an gläubigen Christen auch in der selbsternannten „Nation unter Gott“ geht hierbei mit dem steigenden Wunsch nach einem ausgeprägten Individualismus einher. Das Ich steht oftmals vor dem Wir. Die kinderlose Musikerin Taylor Swift zeigte dies exemplarisch, als sie sich bei einem Beitrag auf Instagram zur Unterstützung von Vizepräsidentin Harris im Präsidentschaftswahlkampf schon nahezu stolz als „Katzenlady“ bezeichnete und ein Bild von sich mit dem Haustier postete.

Doch das konservative Amerika braucht nicht mit dem Finger auf eine angeblich familienfeindliche Demokratische Partei zeigen, die übrigens in der Tat von unverheirateten Frauen zu zwei Dritteln gewählt wird. Denn die Republikanische Partei, welche die Werte der traditionellen Familie hochhalten will, geht in diesem Jahr schon zum dritten Mal hintereinander mit einem Präsidentschaftskandidaten ins Rennen um das Weiße Haus, der einst als Playboy Bekanntheit erlangte und in dritter Ehe lebt.

 

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