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Kolumne „Der Schweizer Blick“

Wir Hinterwäldler

Basel, die Schweizer Grenzstadt am Rhein, die zusammen mit einigen kleinen Gemeinden einen ganzen Kanton namens „Basel-Stadt“ bildet, wird 2025 der Austragungsort des Eurovision Song Contest (ESC) sein. Zu verdanken hat sie das Nemo Mettler, einem Musiker, den Wikipedia ganz nach seinem Wunsch als „Schweizer Person“ umschreibt, weil er sich als nonbinär bezeichnet. Nemo war bei der letzten Austragung in Malmö als Sieger hervorgegangen. Danach balgten sich mehrere Schweizer Städte darum, die Veranstaltung durchführen zu dürfen.

Wie dieser dereinst aussieht, ist noch offen. Auf der Bühne werden wie immer Vertreter Dutzender Nationen um den Sieg singen. Aber das „Rahmenprogramm“ um die Veranstaltung steht auf Messers Schneide. Die Basler werden am 24. November darüber abstimmen, ob ihr Kanton wie geplant 37,5 Millionen Schweizer Franken in den Event pumpt. Sogar die „Tagesschau“, das Flaggschiff des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland, sah sich gezwungen, darüber zu berichten, was in Basel geschieht.

Festhütte in Regenbogenfarben

Aber was ist eigentlich wirklich geschehen? Zunächst einmal ganz einfach: die Schweiz. Es ist hier Usanz, dass sich das Volk zu Krediten dieser Größenordnung äußern darf, wenn jemand das Referendum gegen einen Entscheid ergreift und genügend Unterschriften sammelt.

In diesem Fall war es die Eidgenössisch-Demokratische Union (EDU), die das tat. Eine konservativ-christlich geprägte Kleinpartei, die dem ESC gelinde gesagt kritisch gegenübersteht. Den Anlass an sich kann sie nicht verhindern und will es laut eigenem Bekunden gar nicht. Die Opposition gegen den Kredit betrifft nur das Drumherum, das die Stadt selbst auf die Beine stellen will. Wie dieses aussehen wird, weiß man nach der letzten Austragung.

Dass die Basler nun an die Urne gerufen werden und entscheiden können, ob ihre Stadt rund um den Musikwettbewerb für einige Tage zur regenbogenfarbenen Festhütte wird, ist also ein ganz normaler Vorgang. Bei vielen Kommentatoren ist die Empörung über diesen aber groß. Da bietet sich die Chance, sich vor der Weltöffentlichkeit mit einer bunten Show zu präsentieren, und irgendwelche Hinterwäldler wehren sich dagegen?

Die Vorwürfe sind überprüfbar

Hinterwäldler: Das Wort ist hier nicht zufällig gewählt. Denn als solche wurden und werden die Vertreter der EDU nun bezeichnet. Hin und wieder auch als „Ewiggestrige“. Womit die druckbaren Begriffe bereits erschöpft sind, es gab auch deftigere Ausdrücke.

Wie wird man zum Hinterwäldler? Die Kritik der christlichen Partei kurz zusammengefasst: Der ESC ist heute eine reine Propagandaveranstaltung der LGBTQ-Szene, die Musik ist nur das Vehikel für politische Botschaften des Zeitgeists, und wer gewinnt, ist in erster Linie eine Frage der Geschlechtsbezeichnung oder der sexuellen Ausrichtung. Dafür, so die EDU, wolle man nicht 37,5 Millionen Franken ausgeben.

Vorwürfe dieser Art lassen sich überprüfen. Im Fall des Eurovision Song Contest reicht es, sich die letzten Shows anzusehen. Natürlich stimmt alles, was da gesagt wird. Nemo gewann in erster Linie, weil er sich als „Person“ vermarktete und als biologischer Mann im Röckchen herumturnte. Das trug ihm bereits vor dem Wettbewerb unzählige Schlagzeilen ein.

 

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Der ESC und das ganze Treiben um ihn herum sind schon lange in der Hand der Regenbogen-Missionare. Eine gute Stimme und eine hübsche Melodie mag ein Bonus sein. Aber ohne Bekenntnis gegen biologische Naturgesetze verlässt niemand als Sieger die Bühne.

Man darf das gut finden, wenn man möchte. Aber ebenso legitim ist es sich zu fragen, ob man als Stadt Dutzende von Millionen Franken ausgeben möchte, um dafür eine Plattform zu bauen.

Bildung statt Party machen

Zumal es entgegen den im Ausland kursierenden Klischees nicht so ist, dass Schweizer Städte im Geld schwimmen. Was könnte man mit 37,5 Millionen Franken alles anstellen in Bereichen, in denen Nachholbedarf besteht? Die Touristiker und Wirtschaftsförderer schwärmen von der einmaligen Chance, Basel mit dem ESC zu bewerben. Als ob die – übrigens mäßig attraktive – Stadt danach über Jahrzehnte geflutet würde von Gästen. Um wie viel nachhaltiger wäre hingegen eine Investition in die nächste Generation? In die Bildung unserer Kinder beispielsweise? In Schulen, in Lehrkräfte, in Förderung?

Der Kredit dürfte in Basel auf Zustimmung stoßen. Die Stadt gilt als linke Hochburg. Schweizweit steht laut Umfragen allerdings eine Mehrheit der Menschen dem ESC kritisch gegenüber. Was heißen würde, dass hier vorwiegend Hinterwäldler leben. Ewiggestrige.

Ist man wirklich von gestern, wenn man nicht jede neue Entwicklung enthusiastisch abfeiert? Ist man nicht eher von morgen, wenn man sich Gedanken darüber macht, wie Geld sinnvoll für die Zukunft eingesetzt wird? Statt für eine rauschende Party für eine kleine Minderheit, die es geschafft hat, überall Gehör zu erhalten?

Und war „gestern“ wirklich so furchtbar?

 

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