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Kolumne „Ein bisschen besser“

Wo sind die Schmetterlinge hin?

Manchmal ist das Leben ein Schmetterling auf einem Gemälde. Die Zeichnung von dem alten Dorf, sie hängt da seit Jahrzehnten, manchmal wundersam schief, dann rücken wir das Bild gerade. Es ist Inventar geworden, wir freuen uns daran, weil wir wissen, dass es da ist. 

Wir betrachten es nur noch gelegentlich, und falls uns einmal die nächste Generation in diese Küche, wo die Zeichnung hängt, nachfolgen wird, und sie abhängt, werden Bild und Rahmen einen helleren Fleck in der von Essensdämpfen hunderter hier zubereiteter Gerichte eierschalfarbenen Wand hinterlassen haben.

Ein unbewegliches Bild, gemalt für Generationen

Der Schmetterling dagegen ist ein Berufshüpfer: Überall ist er gern gesehen, aber nirgends bleibt er lang. Butterfly, Papillon, unzählige Male besungen. Seine Zeichnung ist mal eben schöner geraten als manches Bild, was er selbstverständlich für eine ihm wohlgesonnenen Laune der Natur hält. Gärige Obstsäfte mag er besonders, wahrscheinlich hat er ständig leicht einen im Tee. Er muss nur aufpassen, nicht frühzeitig im Herbarium zu landen. 

Das unbewegliche Bild, gemalt für Generationen, und der zapplige Falter, gleich ist er wieder weg für immer – sie sind das Yin und Yang der Ewigkeit. „Du hast dir das genauso gedacht, als du dieses Foto gemacht hast, nicht wahr?“, frage ich Judith. 

Für das Wichtigste finde ich keine Worte

Meine Frau und ich reden am Telefon, Judith ist mit Töchterchen und Hündin im lombardischen Palazzo mit Seesicht geblieben, ich hüpfe hier herum. Übers Wetter hatten wir schon geredet (durchwachsen ist optimistisch), über Kinder- (wir erleben die Nein-Phase) und Hündinnenerziehung (macht, was sie will) auch schon. Ich mag diese Telefoniererei nicht sonderlich. Für das Wichtigste finde ich keine Worte. Die Frage ist ein Versuch. Die Schmetterlinge im Bauch, haben wir sie noch, möchte ich eigentlich wissen.

„Quatsch mit Soße“, sagt Judith. Sie habe doch nur gemacht, was sie immer macht: den Augenblick in die digitalen Pixel gepresst, der Flüchtigkeit die Dauerhaftigkeit verliehen. Einen Moment Gott gespielt. Einfach so. Ohne Wortgeklingel. Ein bisschen besser eben. Ich kann wirklich von ihr lernen, denke ich, und irgendetwas flattert mir dabei durch den Bauch.

 

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