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Kolumne „Der Schweizer Blick“

Ramadan schlägt Ostern

Natürlich konnte man auch in diesem Jahr nach wie vor Osterhasen aus bester Schweizer Milchschokolade kaufen. Sogar wie immer schon viele Wochen vor dem Anlass. Das Konsumbedürfnis wurde zuverlässig befriedigt von den Schweizer Ladenketten. Auch Osterdekorationen waren im Angebot, und an bunt bemalten Eiern gab es keinen Mangel. Die Ostertage sind weiterhin ein Kassenschlager, den sich kein Anbieter entgehen lässt. 

Jedenfalls bis auf Weiteres. Denn diesmal stand Ostern ein wenig im Schatten. Den Rang abgelaufen hat der Leidensgeschichte und der Auferstehung von Jesus Christus ein Anlass, von dem wohl die wenigsten Schweizer sagen könnten, was er überhaupt bedeutet und warum man ihn begehen soll. Das Land war 2024 nämlich erstmals so richtig im Ramadan-Fieber. Jedenfalls im ökonomischen Sinn.

Ein einträgliches Geschäft witterte beispielsweise der Detailhändler Coop, zusammen mit der legendären Migros, der absolute Platzhirsch im Einkaufsland Schweiz. Goldene Becher, bedruckte Pappteller, allerlei Dekoration: Man konnte sich dort in diesem Jahr erstmals mit Ramadan-spezifischen Produkten eindecken. Der Onlinehändler Galaxus, eine Tochter der erwähnten Migros, wollte dem nicht nachstehen. Auch dort wurde fristgerecht ein umfangreiches Sortiment rund um den islamischen Fastenmonat angeboten.

Muslime als Zielgruppe

Was ist denn da passiert? Haben schwerreiche Ölbarone aus Saudi-Arabien die Schweizer Handelsriesen handstreichartig übernommen und ihnen ihre Lebensart aufgezwungen? Nicht ganz. Die Verkaufsoffensive erfolgte völlig freiwillig. Es geht lediglich um den schnöden Mammon. Die erwähnten Anbieter haben erkannt, dass die weit über 400.000 Muslime in der Schweiz eine willkommene Zielgruppe sind. Wer Ramadan begeht, soll sich in seiner neuen Wahlheimat mit allen nötigen Utensilien eindecken können, auf dass die Kasse klingle.

Es kommt aber noch besser. Große Schweizer Unternehmen passen mittlerweile ihre Jahres- und Ferienplanung auf die Bedürfnisse fastender Mitarbeiter an. In den Schulen werden Kinder aufgefordert, sich in der Pause diskret zu verpflegen, um Rücksicht zu nehmen auf ihre Klassenkameraden, die den Ramadan ernst nehmen. Oder von den Eltern verordnet ernst nehmen müssen.

Während eine erbitterte Debatte darüber stattfindet, ob man überhaupt noch eine Schulweihnacht mit Krippenspiel durchführen darf – man könnte ja religiöse Gefühle Andersgläubiger verletzen –, werden Schweizer Kinder im Unterricht bis ins Detail über die islamische Fastentradition in Kenntnis gesetzt. Besser kann man den Begriff der Religionsfreiheit gar nicht persiflieren.

Fasten: Gern, aber bitte nicht christlich

Auch die Schweizer Medien nahmen den Ball dankbar auf. Die Neue Zürcher Zeitung beispielsweise lieferte eine Art Anleitung zum Ramadan. Wie viele ihre Leser vom Fastenmonat betroffen sind, ist unbekannt, und gefühlt dürfte es eine verschwindend kleine Minderheit sein. Aber wir leben in Zeiten, in denen nichts wichtiger ist als Minderheiten, also gilt es, der Mehrheit diese Welt näherzubringen.

Dem Osterfest eine volle Zeitungsseite zu widmen: Auf diese Idee kommt kaum eine Zeitung. Wer will schon als christliches Religionsblatt gelten? Ramadan hingegen klingt nach Multikulti, nach Offenheit, nach Toleranz. Da kann man nichts falsch machen.

Es spricht gar nichts dagegen, Muslimen einen würdevollen Ramadan zu ermöglichen, indem man ihnen entsprechende Produkte anbietet. Die Gesellschaft wandelt sich und mit ihr das Konsumangebot. Aber mittlerweile kann ein zehnjähriges, christlich getauftes Kind aus der Schweiz dank des Übereifers der Lehrkräfte vermutlich verlässlicher Auskunft geben über den Ablauf des muslimischen Fastenmonats als über die Fastenzeit des Christentums. Fasten gemäß der Bibel? Wer will das denn bitte heute noch vermitteln.

Menschen sehnen sich nach Traditionen und Ritualen

Der Ramadan wird von den Bildungseinrichtungen als anziehend exotisch verkauft, während die Zeit des christlichen Verzichts zwischen Aschermittwoch und Ostern total altbacken klingt. Erinnern wir uns noch an das Motto „freitags nur Fisch“? Das könnte man heute schwerlich am Familientisch durchsetzen. Da solidarisiert man sich doch lieber mit einer Fastenphilosophie aus einer völlig anderen Kultur.

Die Muslime sind daran übrigens überhaupt nicht schuld. Die Kirchen in der Schweiz haben sich das selbst zuzuschreiben. Sie haben so eifrig daran gearbeitet, ihre Botschaft zu verwässern und ihr jegliche Mystik und jede Regel auszutreiben, dass der Ramadan, so wenig uns hier mit ihm verbindet, nun eben viel verführerischer klingt. Eine Religion, die ihr Ding konsequent durchzieht: Das ist verlockend. Aber nur, wenn es nicht die angestammte ist.

Halloween hat es schon längst in unsere Breitengrade geschafft, nun zieht schleichend der Ramadan ein. Die Menschen wünschen sich offensichtlich nach wie vor Traditionen und Rituale. Wenn ihre eigene Kultur freiwillig von diesen abrückt, übernehmen sie auch gern eine fremde. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis die goldenen Becher für Ramadan den Osterhasen in den Ladengestellen den Rang ablaufen. Wir wollten es nicht anders – und wir kriegen es nicht anders.

 

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