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Kolumne „Der Schweizer Blick“

Importierter Terror

Ein orthodoxer Jude klingelt am vergangenen Samstag um 21.30 Uhr an der Tür von Bekannten. Er ist gerade aus der Synagoge gekommen. Unvermittelt wird er von einem Mann angegriffen und mit einem Messer schwer verletzt. Dem Eingreifen von Besuchern einer nahen Bar ist es zu verdanken, dass die Attacke ein jähes Ende findet und der Täter festgenommen werden kann.

Seither füllen die Zeitungen ihre Spalten mit Details, die Klicks garantieren. Der Messerstecher ist gerade mal 15 Jahre alt. Ein Bekennervideo auf Arabisch taucht auf, das die Redaktionen flugs übersetzen lassen. Wir erhalten Einblick in eine zutiefst verwirrte, vor allem aber manipulierte Seele. Der Jugendliche wirkt orchestriert. Sein Mund bewegt sich, aber jemand hat ihm wohl die Worte eingeflüstert. Möglichst viele Menschen wollte der Täter an jenem Abend laut eigener Aussage töten. Auf der Liste: Juden und „Ungläubige“. Geplant hat er das nach dem Muster des „Islamischen Staats“, kurz IS.

Heiliger Krieg in der Schweiz

Dass der Terror in der Schweiz angekommen ist, macht viele fassungslos. Umso mehr, als der Täter ein 15-Jähriger ist, der als Kleinkind eingebürgert wurde und zuvor nie auffällig war. Damit galt er aus offizieller Sicht als „integriert“. Die Frage, die nun alle umtreibt? Wie kann es sein, dass ein Jugendlicher, der vollauf mit Lehrstellensuche, erster Liebe und dem Bewältigen der Hormone beschäftigt sein müsste, den heiligen Krieg in seine neue Heimat tragen will?

In diesem Staunen liegt viel Naivität. Dass der spätere Täter in der Grundschule nicht damit aufgefallen ist, dass er in der Mathematikstunde den Koran liest, wurde als erfolgreiche Integration gewertet. Aber Extremismus ist keine in Benzin getränkte Lunte, sondern ein schwelendes Feuer. Es gärt im Untergrund, und niemand weiß, wann der Flächenbrand ausbricht. Die Anpassung ist nur scheinbar und erweckt den Eindruck, da sei jemand wirklich in seiner neuen Heimat angekommen.

Der Grund dafür nennt sich Hoffnung. Das Einwanderungsland Schweiz hat seit vielen Jahren offene Türen für Migranten aus anderen Kulturkreisen. Den Ängsten aus der Bevölkerung begegnen die Behörden gern wortreich. Sie zählen auf, was alles für eine erfolgreiche Integration geleistet wird. Unzählige Betreuer, Fachstellen und staatlich finanzierte Programme sollen dafür sorgen. Nur eines können selbst die Experten nicht: In die Köpfe der Betreffenden blicken.

Freie Bahn für Aufwiegler

Das Ergebnis ist der sogenannte „Einzelfall“. Erschütternde Nachrichten wie die vom Wochenende werden als Ausnahme der Regel abgetan. Vielleicht findet sich in der Biografie des Täters ja etwas, das Hinweise auf einen Sonderfall gibt. Was man aber auf keinen Fall tun darf, wenn es nach dem Staat und seinen Medien geht: Den Rückschluss ziehen, dass eingebürgerte Menschen aus islamischen Staaten im Nahen Osten oder Nordafrika Restbestände extremistischer Haltungen in sich tragen könnten, die von Dritten ausgelöst werden.

Aber genau damit haben wir es hier zu tun. Auf Knopfdruck lassen sich sogar in Kinderzimmern Botschaften von hasserfüllten Aufwieglern abspielen, die ihre Saat pflanzen. Natürlich ist nicht jeder Empfänger dafür offen, klar ist nur eine Minderheit dafür ansprechbar. Allerdings reicht das für eine ernstzunehmende Gefahr. Ein Messer ist bei jedem in Griffnähe.

Die Warnung davor, bestimmte Bevölkerungsgruppen unter Generalverdacht zu stellen, ist berechtigt. Niemand hat es verdient, aufgrund des Verhaltens anderer vorverurteilt zu werden. Aber ein Staat hat auch eine Schutzfunktion. Während fast täglich ein drohender Umsturz durch rechtsradikale Kreise herbeifantasiert wird, lebt die offizielle Schweiz eine Willkommenskultur, die ein reales Gefahrenpotenzial vergrössert.

Verlockung für Nachfolgetäter

Die breite Berichterstattung über den aktuellen Fall trägt dazu noch bei. Wer bereits Tendenzen zu den Gewaltaufrufen des IS hat, sieht in dem Jugendlichen einen Märtyrer, einen, der von der Idee zur Tat geschritten ist. Es wäre nicht überraschend, wenn bald ein Nachfolger in den Schlagzeilen erscheinen würde. Denn auch wenn die furchtbaren Pläne mit zahlreichen Todesopfern nicht vollendet wurden, die Rechnung ist ja aufgegangen: Die Angst grassiert. Und das ist die Währung, in der die Soldaten des sogenannten heiligen Kriegs bezahlt werden.

Die Versuchung ist groß, die weitere Bewältigung dieses Falls nun einfach der Polizei zu überlassen. Will man diese aber davor bewahren, schon bald den nächsten Täter befragen zu müssen, ist die Politik an der Reihe. Wenn weiter Anpassung mit Integration verwechselt wird, wenn wir naiverweise davon ausgehen, dass die Schweiz für Menschen von überall das gelobte Land ist, das die Vergangenheit beim Einzelnen einfach auslöschen kann, dann wird es ein nächstes Mal geben.

 

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