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DBK warnt vor AfD-Wahl

Vergeben die deutschen Bischöfe das Rechtsextremismus-Label zu leichtfertig?

In den vergangenen zwei Wochen sind zwei bemerkenswerte Dokumente der Öffentlichkeit präsentiert worden. Vor zehn Tagen präsentierte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zusammen mit Behördenchefs einen neuen Maßnahmenkatalog gegen Rechtsextremismus. Aus ihren Äußerungen und dem Papier wehte der Hauch des Autoritären, der sich bei Umsetzung der Pläne durchaus in einen Sturm gegen Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in Deutschland entwickeln könnte. Grund dafür ist das Erstarken der AfD.

Am gestrigen Donnerstag nun hat die Deutsche Bischofskonferenz (DBK), der nationale Zusammenschluss der katholischen Bischöfe, anlässlich ihrer Frühjahrs-Vollversammlung eine Erklärung mit dem Titel „Völkischer Nationalismus und Christentum sind unvereinbar“ veröffentlicht. Darin loben die Bischöfe die Demonstrationen „gegen rechts“ – bei denen mitunter auch Christdemokraten unerwünscht waren – und warnen vor extremistischen Ideologien, die sich aufgrund der allgemeinen Verunsicherung breitmachen könnten.

Als größte Bedrohung identifizieren die Bischöfe das, was sie als „Rechtsextremismus“ bezeichnen. „Der Rechtsextremismus behauptet die Existenz von Völkern, die angeblich in ihrem ‘Wesen’ und in den kulturellen Lebensgestalten scharf von den anderen Völkern abgegrenzt werden“, heißt es weiter. „Das Volk wird als ‘Ethnos’ gedacht, als Gemeinschaft der ethnisch und kulturell Gleichen oder Ähnlichen. Dies ist die Ideologie des völkischen Nationalismus.“

Warum betonen die Bischöfe gerade jetzt Selbstverständlichkeiten?

Dass tatsächlicher völkisch-biologistischer Nationalismus, wie ihn die Nationalsozialisten vertreten haben, unvereinbar ist mit dem katholischen Glauben, darüber gibt es keine zwei Ansichten. Entgegen der Behauptung der Bischöfe umfasst der Volksbegriff des Grundgesetzes neben dem Demos auch einen Ethnos und Populus. Warum also formulieren es die Bischöfe gerade jetzt so einseitig? Die Antwort findet sich auf Seite 3 des Dokuments. „In den vergangenen Jahren haben sich rechtsextreme Haltungen in der Gesellschaft jedoch stark verbreitet, sie sind ‘sagbar’ geworden und gewinnen an Einfluss. Nach mehreren Radikalisierungsschüben dominiert inzwischen vor allem in der Partei ‘Alternative für Deutschland’ (AfD) eine völkisch-nationalistische Gesinnung.“

Die AfD. Wieder einmal. Und in diesem Jahr stehen drei Landtagswahlen an, aus denen ebendiese Partei als stärkste Kraft hervorgehen könnte. Auf Corrigenda-Nachfrage sagte DBK-Pressesprecher Matthias Kopp: Die AfD sei bei den Ausführungen in dem Dokument explizit mitgemeint, da sie ein „Amalgam rechtsextremer und rechtspopulistischer Strömungen“ sei. Der völkische Nationalismus habe nach Auffassung der Bischöfe in der AfD inzwischen „eine dominierende Stellung errungen“. Deshalb sei die AfD für Christen kein Ort politischer Betätigung und nicht wählbar. Die Erklärung kommt nicht überraschend, haben doch schon sechs mittel-, nord- und ostdeutsche Bischöfe vor wenigen Wochen vor der AfD gewarnt.

Unbestreitbar gibt es in der AfD Anhänger völkisch-nationalistischen Gedankenguts. Der AfD-Landtagsabgeordnete Hans-Thomas Tillschneider sagte etwa auf einem „Kyffhäuser-Treffen“ der AfD: „Jeder unserer Gedanken, jedes unserer Worte, unsere gesamte Weltsicht ist deutsch. (...) Es gibt ein deutsches Verständnis von Familie, eine deutsche Art sich zu kleiden. Es gibt eine deutsche Art zu arbeiten, eine deutsche Art zu kochen, eine deutsche Art zu bauen, eine deutsche Art zu musizieren, und diese Art unterscheidet sich von allen anderen Völkern.“

„Heimatliebe und der Einsatz für das Vaterland sind Dankespflichten“

Für Katholiken steht nicht das deutsche Volk an erster Stelle, sondern Gott. Unbestreitbar ist aber auch: Katholiken und Patriotismus schließen sich nicht aus. Im Katechismus der katholischen Kirche (KKK 2239) heißt es: „Pflicht der Bürger ist es, gemeinsam mit den Behörden im Geist der Wahrheit, Gerechtigkeit, Solidarität und Freiheit zum Wohl der Gesellschaft beizutragen. Die Heimatliebe und der Einsatz für das Vaterland sind Dankespflichten und entsprechen der Ordnung der Liebe.“

Papst Johannes Paul II. schrieb wenige Tage nach seiner Wahl 1978 in einem Brief an die Polen: „Die Liebe zu unserem Land eint uns und muss uns über alle Differenzen hinweg vereinen. Sie hat nichts mit einem engstirnigen Nationalismus oder Chauvinismus zu tun, sondern entspringt dem Gesetz des menschlichen Herzens. Sie ist ein Maßstab für den Edelmut des Menschen: ein Maßstab, der im Laufe unserer schwierigen Geschichte viele Male auf die Probe gestellt worden ist.“

Wer sich genauer mit der AfD befasst und seine Meinung über sie nicht von linken Vorfeldorganisationen übernimmt, kommt zu dem Schluss: Die AfD als Ganzes ist keine rechtsextreme Partei, sondern eine patriotische, die als Reaktion auf die Schwäche der Christdemokratie entstanden ist und heute vor allem von der von vielen Wählern als schlecht empfundenen Politik der Ampel-Regierung profitiert. Sie ist aber auch keine christliche Partei, das haben prominente Köpfe wie Alexander Gauland und Björn Höcke klargemacht.

Wenn die deutschen Bischöfe so deutlich vor der Wahl einer bestimmten Partei warnen, weil diese von einem rechtsextremen und unchristlichen Geist durchdrungen sei, sollten sie dann nicht auch vor der Wahl von linksextremen und mindestens genauso unchristlichen Parteien warnen? Von Corrigenda gefragt, antwortete der DBK-Sprecher hier nur ausweichend:

„Die Erklärung stellt unmissverständlich fest, dass die Kirche alle extremistischen Ideologien und Bewegungen ablehnt. Der Rechtsextremismus ist derzeit die in Deutschland dominierende Bedrohung extremistischer Art und wird deshalb von den Bischöfen in einer eigenen Erklärung zum Thema gemacht.“

Was sagt die AfD?

Dabei gäbe es insbesondere mit den Grünen sogar eine Regierungspartei, die seit ihrer Gründung christliche Glaubenssätze verletzt und nun unchristliche Fakten schafft. Gemeinsam mit SPD und FDP will sie Abtreibungen und Leihmutterschaft entkriminalisieren. Apropos Abtreibungen: Der DBK-Vorsitzende betonte am Donnerstag, eine Nähe zwischen Kirche und AfD in Sachen Lebensschutz sei „mitnichten der Fall“. Und ergänzte: „Fragen Sie AfD-Politiker, was sie meinen, wenn sie von Lebensschutz sprechen.“

Gesagt, getan. Corrigenda fragte bei der kirchenpolitischen Sprecherin der AfD-Bundestagsfraktion, Nicole Höchst, nach, was die AfD unter Lebensschutz verstehe. Sie verweist auf das AfD-Programm, in dem es heißt: „Die AfD setzt sich für eine Willkommenskultur für Neu- und Ungeborene ein. Die AfD steht für eine Kultur des Lebens und ist im Einklang mit der deutschen Rechtsprechung der Meinung, dass der Lebensschutz bereits beim Embryo beginnt.“ Höchst ergänzt:

„Entsprechend dieser Grundhaltung in unserer Verantwortung vor Gott und den Menschen machen wir Politik. So eindeutig wie die AfD bekennt sich keine andere Fraktion in den Landtagen durch Wort und Abstimmungen zum Lebensschutz für jede Person von der Zeugung bis zu deren natürlichen Tod. Die Würde jeder einzelnen Person ist in jeder Lebenslage für uns unantastbar. Die Theologie des Leibes Papst Johannes Paul II. sowie die Enzyklika ‘Evangelium Vitae’ bieten hierfür die theologische Grundlage für den politischen Einsatz für das Leben. Hierin entspricht die AfD also vollumfänglich dem katholischen Lehramt. Die neuste Äußerung des Vorsitzenden der DBK, Bischof Bätzing, bleibt im Dunkeln, wenn er hier einen Dissens herbeifantasieren will.“

Die Kirchenpolitische Sprecherin der AfD-Bundestagsfraktion, Nicole Höchst: „So eindeutig wie die AfD bekennt sich keine andere Fraktion durch Wort und Abstimmungen zum Lebensschutz“

Die Reaktionen auf das Papier der deutschen Bischöfe lassen erahnen, was es mit der Erklärung eigentlich auf sich hat. Führende Medien wie die „Tagesschau“ berichteten und kommentierten dazu statt über die aus Sicht von Beobachtern angesichts der Kirchenkrise in Deutschland ernüchternde Frühjahrs-Vollversammlung.

Der BR-Journalist und „Tagesschau“-Kommentator Tilmann Kleinjung freute sich – ebenso wie zahlreiche Linke in sozialen Medien – regelrecht über den Nichtwahl-Befehl der Bischöfe. Sie setze „andere gesellschaftliche Akteure unter Zugzwang“. Zugleich aber ging ihm die Abgrenzung nicht weit genug. „Ein spezifisch katholisches Problem: Die AfD besetzt Themen, die auch und besonders konservativen Katholikinnen und Katholiken am Herzen liegen – der Schutz des ungeborenen Lebens, der Kampf für die ‘klassische Familie’ (was auch immer damit gemeint ist).“ Hier sei die „Versuchung besonders groß, mit den selbsternannten Verteidigern des christlichen Abendlandes gemeinsam Position zu beziehen“.

Als Beispiel nannte der öffentlich-rechtliche Journalist „Anti-Abtreibungsmärsche“, bei denen man in den vergangenen Jahren auch katholische Bischöfe gesehen habe. „Wo AfD-Parteigänger marschieren, haben katholische Bischöfe, Pfarrer, alle Katholikinnen und Katholiken nichts zu suchen.“

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Wenn Katholiken mit keiner Partei mehr Kontakt aufnehmen sollten, die unchristliche Politik vorantreibt, dann gäbe es aktuell keine Partei mehr, mit der sie sprechen dürften. Und auch die von der DBK gelobten Demonstrationen wären tabu, weil dort auch knallharte Linksextreme mitlaufen. Außerdem – und es verwundert, dass die Bischöfe dies nicht durchschauen – wird das Label „rechtsextrem“ schnell vergeben. So auch in einem ZDF-Bericht über „radikale Abtreibungsgegner“.

Vergeben die Bischöfe das Label ebenso leichtfertig, müssen sie konsequenterweise auch bald vor Lebensschützern warnen, die ihre Anliegen auf die Straße tragen. Außerdem müssen sie sich die Fragen gefallen lassen, ob Menschen, die sich lange vor der AfD für den Lebensschutz eingesetzt haben – wie auch Höchst und andere AfD-Politiker –, plötzlich und allein deshalb zur Persona non grata werden, wenn sie ein blaues Parteibuch besitzen?

Ratzinger: Mehrere Parteien wählbar, Prinzipien aber nicht verhandelbar

Während das Bundesinnenministerium mit der erodierenden inneren Sicherheit und die Bischofskonferenz mit dem erodierenden Glauben in Deutschland eigentlich genug Aufgaben zu bewältigen hätten, wenden beide auffallend viel Energie für eine Oppositionspartei auf, die aktuell keine Chancen auf eine Regierungsbeteiligung hat.

Der damalige Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre und spätere Papst, Joseph Kardinal Ratzinger, und Sekretär Tarcisio Bertone wiesen 2002 in einer „Lehramtsmäßigen Note zu einigen Fragen über den Einsatz und das Verhalten der Katholiken im politischen Leben“ explizit darauf hin, dass es in einem modernen demokratischen System „mehrere Parteien gibt, in denen Katholiken aktiv mitarbeiten können“, um „ihr Recht und ihre Pflicht beim Aufbau der Gesellschaft ihres Landes auszuüben“.

Keinen unterschiedslosen Pluralismus dürfe es hingegen bei der Wahl der moralischen Prinzipien und Grundlagen geben.

 

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