Die Wichtigkeit des eigenen Heims
Die Wohnbaupolitik erhitzt die Gemüter. Unisono wollen zwar alle Parteien, egal ob in Deutschland, Österreich oder in Italiens Autonomer Region Südtirol, das Wohnen erschwinglicher machen, doch mit Worten allein ist es eben nicht getan. In der politischen Praxis rückt das sogenannte „leistbare Wohnen“ angesichts steigender Preise in weite Ferne.
Betroffen sind vor allem so genannte „mobile“ Haushalte, sprich der Arbeitsplatzwechsel, die Familienneugründung, aber auch die Trennung; letzteres ein Phänomen, das uns heute immer häufig begegnet. Während langjährig standorttreue Mieter „nur“ die Mieterhöhungen, steigende Energiekosten sowie steigende Nebenkosten zu tragen haben, haben es diejenigen, die eine neue Bleibe suchen, in einer Zeit, in der die Nachfrage vielerorts das Angebot übersteigt, schwer.
Konterkariert wird das so genannte „Recht auf Wohnen“, das immer wieder als ein Grundrecht auf leistbares Wohnen deklariert wird, durch das Spekulationsgut Immobilie, das nicht selten als Kapitalanlage genutzt wird, aber auch durch schleppende Baulandausweisungen und sich hinauszögernde Baugenehmigungen. Viele private Initiativen verlieren durch die bürokratische Verkrustung ihre Freude an den Projekten. Der Schutz der Landschaft und des Bodens steht im Widerspruch zu ausreichendem Wohnraum. Letztlich liegt es an der Politik, zu entscheiden, was wichtiger ist.
Wohneigentum schafft dauerhafte Bindungen
Während Finanzratgeber häufig davon sprechen, dass Wohnkosten maximal ein Drittel des verfügbaren Haushaltseinkommens ausmachen sollten, liegt dieser Anteil vor allem bei geringen Einkommen deutlich höher. Familien mit mehreren Kindern, Alleinerziehende oder ältere Menschen mit einer geringen Altersvorsoge zählen zu den großen Leidtragenden. Die Tendenz erreicht aber auch immer deutlicher die breite Mitte. Die berechtigte Angst, den Wohnraum nicht mehr finanzieren zu können und sozial abzurutschen, breitet sich aus.
Eine Wohnbaupolitik, die den Ernst der Lage erkennt und das Wohnen zur Chefsache erklärt, wird leider vergeblich gesucht.
Wohneigentum schafft dauerhafte materielle und immaterielle Bindungen. Die materielle Zukunft und der Raum verweben sich durch die Eigentumsbindung am Ort. Gleiches gilt auch für langfristige Mietbeziehungen, die nicht nur als buchhalterische Durchlaufposten verbucht werden. Daraus entwächst ein soziales Verantwortungsbewusstsein für die eigene Umgebung in Form von Solidarität und Heimatliebe sowie der Verantwortung gegenüber der Dorfgemeinschaft und dem Gemeinwesen. Unverzichtbar in Zeiten, in denen alle die entsolidarisierte und atomisierte Gesellschaft beklagen, der jeglicher sozialer Kitt abhandenkommt.
Schlechte Wohnbaupolitik und die Folgen
Auf der anderen Seite sind die Folgen einer Wohnbaupolitik, die die sogenannte „Wohnmaschine“ verwirklichen will, mit der sich niemand mehr identifizieren kann und will, eklatant. Der Begriff der „Wohnmaschine“, zeitweise architektonisch en vogue, symbolisiert begrifflich das Problem: Wohnen wird als etwas Mobiles, Flexibles aufgefasst, die Menschen sind schnell da und auch schnell wieder weg, weil die sozialen Brennpunkte in Gegenden naturgemäß wachsen, in denen niemand eine Beziehung zur sozialen und kulturellen Umgebung mehr eingeht.
Die Realität bilden folglich sogenannte „Nicht-Orte“, die der französische Kulturanthropologe Marc Augé einmal beanstandete mit den Worten:
„Eine Welt, die Geburt und Tod ins Krankenhaus verbannt, in der die Anzahl der Transiträume und provisorischen Beschäftigungen unter luxuriösen oder widerwärtigen Bedingungen unablässig wächst, eine Welt, in der sich ein enges Netz an Verkehrsmitteln entwickelt, die gleichfalls bewegliche Behausungen sind, wo der mit weiten Strecken, automatischen Verteilern und Kreditkarten Vertraute an die Gesten des stummen Verkehrs anknüpft, eine Welt, die solcherart der einsamen Individualität, der Durchreise, dem Provisorischen und Ephemeren überantwortet ist, bietet dem Anthropologen ein neues Objekt, dessen bislang unbekannte Dimensionen zu ermessen wären, bevor man sich fragt, mit welchem Blick es sich erfassen und beurteilen lässt“.
In die gleiche Kerbe schlug Alexander Mitscherlich: „Die gestaltete Stadt kann ‘Heimat’ werden, die bloß agglomerierte nicht, denn Heimat verlangt Markierungen der Identität eines Ortes“.
Der Psychoanalytiker unterstellte den modernen Siedlungen: „Alles ist artifiziell, gewollt, beabsichtigt, geplant – manipuliert also. Wir haben es noch nie erleben können, dass eine dieser neuen Siedlungseinheiten plötzlich Strahlungskraft entwickelt und ihre Nachbarschaft sich hierarchisch unterordnete, zur neuen Stadt wurde“. Das gilt nicht nur für die Stadt, sondern genauso auch für das Land.
Grüne Ideologen, die das Ein- oder Zweifamilienhaus als überholt deklarieren und nur noch das Wohnen in dichten Wohnsilos und Wohnmaschinen erlauben wollen, zerstören die Umwelt, die sie eigentlich vorgeben, zu schützen. Entgegen sozialutopischer Gesellschaftsmodelle, die uns unter dem „ökologischen“ Vorwand in wohnbaulichen Großstrukturen einquartieren wollen, bildet der eigene Garten den Zugang zur Natur und zum bewussten ökologischen Denken fernab abstrakter Theorien, die erfolglos bleiben. In diesem Sinne bildet der Landwirt, der mit der Natur und dem Boden eins wird, das Vorbild für ein modernes Bauen, das bodenständig und ökologisch, solidarisch und generationenübergreifend sein soll.
Eine Wohnbaupolitik der sozialen Wärme sowie ein Wohnbau, der Heimatgefühl und Verwurzelung verkörpert, gehen Hand in Hand. Das Gute und das Schöne stehen nicht in einem unüberwindbaren Kontrast, sondern ergeben sich gegenseitig. Schönheit garantiert, dass das, was gut ist, Bestand hat. Soziale Stabilität bedeutet, dass Menschen dauerhafte Beziehungen zu ihrer Umgebung eingehen, dass sich nicht alles ständig ändert. Sie bedeutet, dass man seinen Nachbarn persönlich kennt, sich mit diesem identifizieren und auch solidarisieren kann, wenn einmal Not wie Krankheit oder Einsamkeit im Alter eintritt.
Wohnbauprojekte, die Menschen langfristig an einen Ort binden
Wohnbauprojekte, die möglichst langfristig Menschen an einen Ort binden sollen, werden charakterisiert durch Naturbezogenheit, natürliche Materialien, den Dialog mit der gewachsenen Umgebung, sie verschmelzen mit der Natur und mit der Geschichte eines Ortes. Im Ideal bieten sie die Geschichten im Dachboden und die Erinnerungen im Hinterhof, sind untrennbar mit unseren Emotionen und Gefühlen von Geborgenheit und mit dem Bewusstsein einer trauten Kindheit verbunden.
Grundlage für solche gebaute Umgebungen ist, dass wir in deutlich größeren Zeiträumen zu denken beginnen, nicht nur für 30, sondern für 200 Jahre bauen und den Bürgern ihr Recht auf kollektive Erinnerung und soziale Stabilität gewähren.
Ein Wohnbau, der für Verwurzelung und Geborgenheit steht, bietet nicht nur jenen, die sich langfristig niederlassen wollen, sondern auch jenen, die zeitlich begrenzt eine Bleibe suchen, das wohltuende Aufgehobensein in gewachsenen Strukturen, das selbst jene anerkennen müssen, denen die „Heimat“ in öffentlichen Bekundungen zwar „zu eng“ ist, die aber letztlich das kühle Bier im gemütlichen eigenen Vorgarten doch schätzen.
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