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Internationale Konferenz „Bildung am Scheideweg“

Erziehung zur Schönheit, zum Staunen und zur Weisheit

Kompetenzen, Skills, ECTS-Punkte, Digitalisierung: Es sind Begriffe wie diese, die seit Jahren durch den Raum der Bildungsdebatte schweben. Schule ist auch immer ein Spiegel der Gesellschaft. Trends wie künstliche Intelligenz, Transhumanismus, Gender oder Cancel Culture machen vor den Schultoren nicht halt. Doch geht bei diesen Entwicklungen nicht das christlich-humanistische Bildungsideal und die Persönlichkeitsformung verloren?

Vergleichen, Transferieren, Beurteilen – allesamt Instrumente aus der Ökonomie – ersetzen die geisteswissenschaftliche Tradition des Analysierens, Erkennens und Verstehens. Diesen Themen, die eine immer dringlicher werdende Debatte benötigen, nahm sich der internationale Bildungsgipfel „Bildung am Scheideweg“ der Katholischen Hochschule International Theological Institute (ITI) im niederösterreichischen Trumau vergangenes Wochenende an.

„Dieser Tage ist mir so deutlich zu Bewusstsein gekommen, dass es zwei Arten des Erkennens gibt. Eine führt zur Versenkung in das Ding und den Zusammenhang. Der Erkennende sucht einzudringen, inne zu werden, mitzuleben. Die andere Weise aber packt, zergliedert, ordnet in Fächer, nimmt in Besitz, herrscht.“ Mit diesem Zitat aus den „Briefen vom Comer See“ von Romano Guardini eröffnete der Rektor des ITI, Christiaan Alting von Geusau, den Bildungsgipfel am Freitag. Die Worte des bedeutenden deutschen Theologen von 1927 könnten aktueller nicht sein. Als zwei Schwerpunkte der Tagung zeichneten sich zwei Themen ab: „Kompetenzorientierung versus Persönlichkeitsbildung“ und die Debatte, wie viel Digitalisierung der Schule guttut.

Schulsystem: Vorbild war Militär

Bildungspolitisch ging es mit dem Vortrag von Wolfgang Mazal weiter, der als Professor für Arbeits- und Sozialrecht an der Universität Wien lehrt. Das österreichische Bildungswesen sei maßgeblich von der Struktur des Militärs geprägt. Diese nahm Kaiserin Maria Theresia als Vorbild, als sie im 16. Jahrhundert die Schulpflicht einführte. Ihr Sohn und Nachfolger Joseph II. reformierte die Schule mit dem Bildungsziel, dass diese fleißige Arbeitskräfte und Soldaten für den Staat hervorbringe. „Doch ist dieses Bildungsziel noch auf der Höhe der Zeit?“, fragte Mazal, der auch Leiter des Österreichischen Instituts für Familienforschung der Universität Wien ist und in seiner Rede mehr Fragen als Antworten lieferte.

Doch auch die Reformpädagogik des Sozialdemokraten Otto Glöckel aus den 1920er Jahren, der durch Änderungen des Schulwesens den „neuen Menschen“ schaffen wollte, entspräche nicht „den Werten des Guten, Wahren, Schönen“, denen sich die österreichische Schule laut dem Schulorganisationsgesetz verpflichtet sieht.

Warum eine Erziehung zum Schönen heute von äußerster Bedeutung ist, legte der Begründer der „Eden Culture“-Bewegung, Johannes Hartl, dar. Schönheit sei zweckfrei und damit genau das Gegenteil des modernen Form follows function-Paradigmas. „Wenn alles Funktion wird, wird alles Ware, wird alles verzweckt, wird alles lieblos und kalt“, meinte der Vater von vier Kindern. Die Aussage „Das ist schön“ enthalte eine moralische Wertung. „‘Dieser Baum ist schön’ wäre ein Argument zu sagen: ‘Und deshalb kann ich ihn nicht fällen’. Wenn du sagst: ‘Dieser Baum ist grün’, ist damit nichts verbunden“, erklärte er.

Gebetshaus-Gründer Johannes Hartl hielt einen Vortrag mit dem Titel „Widerstand gegen die Große Entzauberung“

Kunst lehrt Sehen

Der vorherrschenden „technischen Vernunft“, die erkläre, messe und kontrolliere, stellte der Gründer des Gebetshauses Augsburg eine Erziehung zur Schönheit und Kunst gegenüber. Diese enthalte das Sehen-Lernen, was eine wichtige Fähigkeit im Umgang mit den Mitmenschen sei. „Bevor ich urteile und meine Meinung sage, erst einmal wahrnehmen, was da ist“, beschrieb Hartl die Lehre der Kunst. Schließlich lehre Kunst Wert-Schätzung. „Da ist ein Wert und den schätze ich“, sagte der Theologe. Die Aufgabe des Lehrers sei die Entzündung des Geistes in den jungen Menschen. Doch, zitierte er Johann Gottfried Herder, könne „Geist nur an Geist entzündet werden“. Nur Menschen, die selber Zugang zum Schönen haben, könnten Schönheit auch vermitteln.

Dass „Schönheit als Kanal des Göttlichen“ mächtiger sei als Technokratie, davon gab sich Edward Hadas überzeugt, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der „Blackfriars Hall“ der Universität Oxford, welches auch ein Thomas-von-Aquin-Institut beherbergt. Allerdings habe die Schönheit keinen Platz innerhalb einer technokratischen Bildung. In seinem Vortrag verglich der ehemalige Wirtschaftsjournalist der Financial Times drei Arten von Bildung, denen er Universitäten als Beispiele zuordnete: Die Universität Oxford verkörpere eine professionelle Bildung, die polnische WSB Universität eine technokratische und das ITI mit seinen knapp 100 Studenten eine „vocational education“, eine Bildung hin zur Berufung.

„Homo technocraticus“ versus Weisheit

Letzterer Begriff dürfte für Deutschsprachige eher Neuland sein. Gemeint ist ein Bildungsideal, das nicht nur auf reine Wissensvermittlung, Erfolg und eine abgeschlossene Ausbildung aus ist, sondern den Menschen als Ganzes formt. Das aus dem einzelnen Studenten das herausholt, wozu Gott ihn geschaffen und berufen hat. Die Realität sehe allerdings folgendermaßen aus: „Die Universitätsleitung ist bestrebt, mehr Geld zu bekommen, aber sie zeigt wenig Interesse daran, die Tiefe und Qualität der Bachelor-Studiengänge zu verbessern oder auch nur aufrechtzuerhalten, vor allem in den Geisteswissenschaften“, beschrieb Hadas die Situation in Oxford. Das Geld gehe in zusätzliche Forschungsstellen oder in die Einstellung namhafter Professoren, die keine Lehrveranstaltungen für Bachelor-Studenten abhalten.

Staunen“, hingegen, „tiefes Hinterfragen und göttliche Anliegen sind den Anliegen von Wirtschafts-, Computer-, Daten- und Wissenschaftsprofis fremd, überflüssig oder sogar schädlich“, sagte der Autor, der kürzlich ein Buch über die Katholische Soziallehre verfasst hat. Das technokratische Denken, das die Universitäten durchziehe, zeichne sich dadurch aus, dass es zwar Wissen produziere, jedoch Staunen und Weisheit ablehne. Es produziere außerdem keine Kultur. Die Berufungsbildung hingegen gehe Hand in Hand mit dem Streben nach Wahrheit. Der „Homo technocraticus“ habe kein Problem mit „Problemlösung, Regelsetzung und Karriereplanung“, aber er kenne „keine Größe, kein Elend, keinen Enthusiasmus, keine moralischen und geistigen Kämpfe“.

Kritik an Laptopklassen und Multiplechoice-Tests

Der „Homo technocraticus“, Transhumanismus und Digitalisierung – diese Trias treibt nicht nur Eltern, Theologen und Bildungsexperten um, sondern auch die österreichische Journalistin Gudula Walterskirchen. In ihrem Vortrag zeichnete sie nach, wie Bildung in totalitären Systemen aussehe. Diese wollten die Gesellschaft atomisieren. Statt Familien wolle ein totalitärer Staat einsame Individuen, denn diese seien viel ängstlicher als in Gemeinschaft und deshalb empfänglich für Indoktrination, erläuterte die ehemalige Die Presse-Redakteurin.

Das „nicht so sichtbar Totalitäre“ sei die „Ideologie des Transhumanismus“. Der Mensch an sich sei gemäß dieser Denke ein Mängelexemplar. „Der Mensch ist das Unperfekte, die Technik das Perfekte“, erklärte Walterskirchen. Im Transhumanismus sei Bildung lediglich „Nützlichkeits- und Optimierungsgedanke“. Vor diesem Hintergrund sieht die Journalistin Laptopklassen und Ipads ab der Grundschule kritisch. Multiplechoice-Tests, alles kann gegoogelt werden und das Zurückgehen des Schreibens mit der Hand – „wer dient hier wem?“, fragte Walterskirchen. Das kindliche Gehirn werde verstanden als Festplatte, die man formatieren könne.

Bildung solle, so der Rektor des ITI, Christiaan Alting von Geusau, „Individualität stärken und nicht Uniformität und die Fähigkeit ausbilden, in Gemeinschaft zu leben anstatt in einer atomisierten Welt“

Der Lehrer als Hebamme

Zum Schluss des zweitägigen Bildungsgipfels beantwortete Rektor Christiaan Alting von Geusau seine drei eingangs gestellten Fragen. Die wichtigste Aufgabe von Bildung heute ist für von Geusau das Sichtbarmachen von dem, was in einem Menschen bereits vorhanden ist. Der Lehrer sei wie eine Hebamme, der dem Schüler helfe, seine Berufung zu finden. Wie kann das gelingen?

Indem man „Individualität stärkt und nicht Uniformität und die Fähigkeit, in Gemeinschaft zu leben anstatt in einer atomisierten Welt“, sagte von Geusau, der auch Rektor des privaten katholischen Gymnasiums „Schola Thomas Morus“ in Trumau ist.

Die größte Herausforderung der heutigen Bildungslandschaft sieht er in der Priorisierung der Bürokratie gegenüber der Pädagogik, Prozessen gegenüber Personen und in der Wirtschaft gegenüber der menschlichen Ökologie. Dies habe eine „Entmenschlichung der Bildung“ zur Folge.

Auf die dritte Frage – „Wenn Sie heute als Bildungsminister berufen werden würden, was wäre die wichtigste Aufgabe?“ – antwortete der Rektor: „Die Wiedereinführung des Prinzips der Subsidiarität in die Bildung“. Die Rolle des Staates, der Wirtschaft und ideologischen Interessen müsse in der Bildung reduziert werden.

Stattdessen sollten die Lehrer, Professoren, Schulen und Universitäten zusammen mit den Studenten die Freiheit haben zu entscheiden, wie man den Einzelnen am besten „zu seiner Berufung erwecken könnte“.

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Kommentare

Kommentar
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Alexander Pach…
Vor 1 Jahr 6 Monate

Danke für diese exzellente Zusammenfassung vorgetragener Idee. Bitte ergänzen Sie doch noch, was Kardinal Christoph Schönborn zu Lehrer und Lernenden auf Basis des Hl.Thomas von Aquin und des Hl. Augustinus gesagt hat. Es ist auf der website unter:
https://iti.ac.at/news-events/calendar-of-events/event-detail/?event=383
nachzuhören.

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Alexander Pach…
Vor 1 Jahr 6 Monate

Danke für diese exzellente Zusammenfassung vorgetragener Idee. Bitte ergänzen Sie doch noch, was Kardinal Christoph Schönborn zu Lehrer und Lernenden auf Basis des Hl.Thomas von Aquin und des Hl. Augustinus gesagt hat. Es ist auf der website unter:
https://iti.ac.at/news-events/calendar-of-events/event-detail/?event=383
nachzuhören.