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Neue Salzburger Landesregierung

„Wir stehen für einen sorgsamen Umgang mit werdendem Leben“

Salzburg ist seit April nach Ober- und Niederösterreich das dritte österreichische Bundesland, welches von einer Koalition aus ÖVP und FPÖ geführt wird. Als einzige der drei nahm die Salzburger Regierung das Thema Abtreibung in ihren Koalitionsvertrag auf. Unter dem Punkt „Kinder und Familie“ verspricht sie eine Informationskampagne, die Alternativen zur Abtreibung aufzeigt, sowie Motivforschung zu den Gründen, warum sich Frauen für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden. In dem schwarz-blauen Regierungsübereinkommen – so bezeichnet man in Österreich den Koalitionsvertrag – steht im Wortlaut:

„Wir werden eine Informationskampagne des Landes zur Vermeidung ungewollter Schwangerschaft sowie zu Adoption und Pflegeelternschaft als Alternative zum Schwangerschaftsabbruch ausarbeiten. Zielführend wäre auch eine anonymisierte Studie, die das Alter der Frauen sowie auch die Gründe für Schwangerschaftsabbrüche aufzeigt, um das Beratungsangebot anpassen zu können.“

In einer gemeinsamen Stellungnahme der Büros von Marlene Svazek (FPÖ), der Salzburger Landeshauptmannstellvertreterin, und Landesrätin Daniela Gutschi (ÖVP) gegenüber Corrigenda heißt es:

„Wir stehen für einen sorgsamen Umgang mit werdendem Leben und möchten sicherstellen, dass Frauen in schwierigen Entscheidungslagen oder sozialen Drucksituationen eine wohlinformierte und selbstbestimmte Entscheidung unter Berücksichtigung allfälliger Alternativen treffen können.“

Motivforschung und Alternativen zu Abtreibung

Eine anonymisierte Studie solle „dem immer wieder berichteten Informationsdefizit in diesem Bereich entgegenwirken und eine Grundlage zum Ausloten möglicher Verbesserungspotentiale schaffen“. Konkrete Schritte sollen in den kommenden Monaten ausgearbeitet werden. Dabei wolle man sich die Expertise von „Institutionen und Einrichtungen“ holen, „die entsprechende Erfahrungen auf diesem Gebiet aufweisen“.

Die in Österreich geltende Fristenlösung (Abtreibung ist innerhalb der ersten drei Monate nach Beginn der Schwangerschaft und nach einer Beratung durch einen Arzt straffrei) werde von der Salzburger Regierung nicht infrage gestellt, heißt es in der Stellungnahme.

Beide Anliegen – eine Informationskampagne über Alternativen zur Abtreibung sowie anonymisierte Motivforschung – werden auch von der österreichischen Initiative #fairändern geteilt. Der Verein mit Sitz in Wien, welcher die Bürgerinitiative „Willkommen Zukunft! – für ein kinder- und familienfreundliches Österreich“ 2018 ins Leben rief, fordert die Einführung einer offiziellen Statistik.

Geschätzte 35.000 Abtreibungen pro Jahr in Österreich

Die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche in Österreich wird auf circa 35.000 im Jahr geschätzt. Gesichert sind die Zahlen nicht, denn es gibt, im Gegensatz zu den meisten europäischen Staaten, keine offizielle Statistik. Weitere Anliegen der Kampagne, die über 61.000 Bürger unterschrieben haben, sind beispielsweise die Einführung einer Bedenkzeit von mindestens drei Tagen zwischen Anmeldung und der Durchführung einer Abtreibung. In Österreich gibt es nämlich keine verpflichtende Bedenkzeit zwischen Anmeldung und Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs. Auch Politiker unterstützen die Kampagne. Unterzeichner sind unter anderem die ÖVP-Nationalratsabgeordneten Carmen Jeitler-Cinelli, Kira Grünberg und Norbert Sieber.

„#fairändern begrüßt die entsprechende Verpflichtung im Regierungsprogramm der neuen Salzburger Landesregierung und drängt auf rasche Umsetzung“, sagt eine Sprecherin der Initiative gegenüber Corrigenda. Laut der von #fairändern und dem IMAS-Institut durchgeführten, repräsentativen Umfrage „So denkt Österreich über die Anliegen von #fairändern“ sprechen sich rund 80 Prozent der Menschen in Österreich für eine Umsetzung der Anliegen des Vereins aus. „Das erreicht nun auch die Regierungsebene. Die Menschen – auch die Politiker – sehen mehr und mehr, dass dringender Handlungsbedarf herrscht“, teilt die #fairändern-Sprecherin mit.

Entscheidung für Abtreibung: Äußerer Druck durch Umstände oder den Partner

Auch die gemeinnützige GmbH 1000plus lobt den Vorstoß. „Die Kampagne und die Motivforschung sind begrüßenswert, da sie schon mal ein echtes Interesse an Frauen im Schwangerschaftskonflikt zeigen“, sagt Clara Auersperg, Leiterin des Wiener Büros von 1000plus (das auch Corrigenda verlegt). „Von inzwischen weit über 300.000 beratenen Frauen haben wir bei 1000plus gelernt, dass äußerer Druck durch Umstände und den Partner die häufigste Begründung für einen Schwangerschaftskonflikt und die Entscheidung für eine Abtreibung ist“, betont Auersperg auf Corrigenda-Nachfrage.

Frauen in einem Schwangerschaftskonflikt wollten keine Abtreibung, sondern sähen in den allermeisten Fällen keine Alternative. Objektive Informationen, exzellente Beratung sowie konkrete Hilfe würden den Schwangeren am besten helfen, eine selbstbestimmte und unabhängige Entscheidung zu treffen. „Deswegen ist aus unserer Sicht Hilfe statt Abtreibung die wichtigste Antwort auf die viel zu vielen Schwangerschaftskonflikte. Wenn es einem wirklich um Schwangere in Not geht, muss man sich auch in ihre Situation hineinversetzen: Fragt man sie nämlich, was sie sich wünschen, so ist unserer Erfahrung nach ihre Antwort darauf: echte Hilfe und die Lösung ihrer Probleme. Und genau das ist es, was fehlt: konkrete Hilfe und greifbare Alternativen!“

Unterstützung von Eltern, die Kinder familienintern betreuen möchten

Familien möchte die neue Salzburger Regierung auch unter die Arme greifen, indem sie Eltern mit finanziellen Mitteln unterstützt, die ihre Kinder familienintern betreuen möchten. „Die Salzburger Landesregierung bekennt sich klar zum Prinzip der Wahlfreiheit in Sachen Kinderbetreuung und versteht sich in diesem Rahmen dezidiert auch als Fürsprecher all jener Familien, die ihre Kinder auf eigenen Wunsch hin selbst betreuen möchten“, heißt es in der Stellungnahme von Svazek und Gutschi. Für die konkrete Umsetzung existieren bereits Modelle und Ansätze, die die „Landesregierung noch einer intensiven Prüfung unterziehen“ werde. Ein Anhaltspunkt sei die „Diskussion rund um das ‘Berndorfer Modell’“.

Dieses ist benannt nach einem Beschluss der Salzburger Gemeinde Berndorf aus dem Jahr 2013, das für kontroverse Diskussionen in der Öffentlichkeit gesorgt hatte. Demnach erhalten Berndorfer Eltern, die ihr Kind in den ersten drei Lebensjahren ausschließlich selbst betreuen wollen, einen Gemeindezuschuss von bis zu 112 Euro monatlich.

Damit sich eine solche Maßnahme nicht als Integrationsbremse entpuppt, sollen die Leistungen verknüpft werden mit „klaren Anforderungen im Hinblick auf Spracherwerb und Integrationsbereitschaft“, heißt es aus den schwarz-blauen Salzburger Büros.

Anfang September wurde bekannt, dass auch das Nachbarbundesland Tirol ein Register zu Schwangerschaftsabbrüchen aufbauen möchte. In dem von ÖVP und SPÖ regierten Land fehlen Daten und Motivforschung zu Abtreibung. Kritisiert wird das Vorhaben unter anderem von der Grünen-Nationalratsabgeordneten Meri Disoski und dem Österreichischen Frauenring, der Dachorganisation aller österreichischen Frauenvereine. In Österreich würden „religiöse und konservative Kräfte“ immer wieder versuchen, Abtreibung „durch die Hintertür anzugreifen“, meint der Österreichische Frauenring in einer Stellungnahme.

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Kommentare

Kommentar
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Josef Aufreiter
Vor 1 Jahr 1 Monat

Als vor vielen Jahren die von der SPÖ gestellte Landeshauptfrau Burgstaller im Landeskrankenhaus Salzburg Abtreibungen eingeführt hat, gab es Protest seitens der ÖVP und vermutlich auch der FPÖ. Nun gibt es Frau Burgstaller schon seit zehn Jahren nicht mehr als Salzburger Landeshauptfrau. Im Landeskrankenhaus wird nach wie vor abgetrieben. Auch unter einer von ÖVP und FPÖ gestellten Regierung. Die Grundsätze von früher gelten offensichtlich nicht mehr. Ich finde es sehr traurig, dass beide Parteien, die vor 50 Jahren sehr viel unternommen haben, um die Fristenlösung zu verhindern, diese schon seit langer Zeit akzeptieren und nicht ändern wollen. Das Töten wird akzeptiert.

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Mützenich Rainer
Vor 1 Jahr 2 Monate

Abtreibung ist und bleibt Mord. Der Mensch ist von Anfang der Zeugung, von Anfang an Mensch.
Jeder Mensch ist von Gott gewollt und geliebt, ist einmalig und nicht zu ersetzen. Jeder, der ein Kind im Mutterleib tötet oder sich daran beteiligt, macht sich der Tötung von menschlichen Leben schuldig und muss sich vor Gott dem Allmächtigen rechtfertigen. Genauso schlimm ist es, dass Menschen und auch die Pharmaindustrie am Töten von menschlichen Embryonen verdienen. Wer davor die Augen verschließt, macht sich des Mordes an Kindern mitschuldig.

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Josef Aufreiter
Vor 1 Jahr 1 Monat

Als vor vielen Jahren die von der SPÖ gestellte Landeshauptfrau Burgstaller im Landeskrankenhaus Salzburg Abtreibungen eingeführt hat, gab es Protest seitens der ÖVP und vermutlich auch der FPÖ. Nun gibt es Frau Burgstaller schon seit zehn Jahren nicht mehr als Salzburger Landeshauptfrau. Im Landeskrankenhaus wird nach wie vor abgetrieben. Auch unter einer von ÖVP und FPÖ gestellten Regierung. Die Grundsätze von früher gelten offensichtlich nicht mehr. Ich finde es sehr traurig, dass beide Parteien, die vor 50 Jahren sehr viel unternommen haben, um die Fristenlösung zu verhindern, diese schon seit langer Zeit akzeptieren und nicht ändern wollen. Das Töten wird akzeptiert.

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Mützenich Rainer
Vor 1 Jahr 2 Monate

Abtreibung ist und bleibt Mord. Der Mensch ist von Anfang der Zeugung, von Anfang an Mensch.
Jeder Mensch ist von Gott gewollt und geliebt, ist einmalig und nicht zu ersetzen. Jeder, der ein Kind im Mutterleib tötet oder sich daran beteiligt, macht sich der Tötung von menschlichen Leben schuldig und muss sich vor Gott dem Allmächtigen rechtfertigen. Genauso schlimm ist es, dass Menschen und auch die Pharmaindustrie am Töten von menschlichen Embryonen verdienen. Wer davor die Augen verschließt, macht sich des Mordes an Kindern mitschuldig.