Auf einen Kaffee mit dem Richter
Möglicherweise habe ich es noch nicht erwähnt, aber Judiths Kaffeemaschine ist eine sehr eigene Persönlichkeit. Sie ist sich ihrer einzigartigen Rolle in unserem Haushalt bewusst, braucht stets eine Vorwärmphase, in der sie zu Seufzen und Puffen anhebt, dass es einen das Herz anfasst.
Manchmal verweigert sie abrupt den Dienst, weil ihr das Wasser ausgegangen ist, und wenn dann ihre Instrumententafeln und Lämpchen anzeigen, dass sie final wohltemperiert sei, rinnt der braune Kaffee unendlich langsam in die dicke Porzellantasse.
Während Judith und ich morgens auf das Rinnsal starren und uns gleich gegenseitig die erste Tasse anbieten werden, denke ich an das Fest auf der kleinen Straße vor unserer Großstadtwohnung, die nicht weit hinterm Bahnhof liegt und keine auf Anhieb schöne Gegend ist.
Ein Fest, einfach so
Unsere Nachbarn hatten es liebevoll vorbereitet, und zwar einfach so, und nicht, um über das Dixiklo auf dem Bürgersteig zu sprechen, das seit Monaten nicht abgeholt wird, oder um die Völkerverständigung zwischen den Vertretern der geschätzt 25 Nationen zu fördern, die in dem Sträßchen wohnen, sondern einfach so.
Das Ordnungsamt war gekommen und hatte für 190 Euro Parkverbotsschilder aufgestellt, die Gesellschaft für Musikverwertungsrechte hatte gewarnt, keine Musik auf dem Fest zu spielen, weil sonst gleich eine Rechnung gestellt werden müsste, und die Feuerwehr war durchgefahren und hatte die schmückenden Wimpel über der Straße abgeschnitten, weil sie einen Einsatz gefährden könnten.
Es war ein schönes Fest mit einem leichten Überangebot an Kuchen und für meinen Geschmack zu wenig Käse, aber da sind die Menschen ja verschieden, und das ist ein bisschen besser so.
Die verdutzten Gesichter des Mainstreams
Ich traf einen Richter, der mit seiner Frau, einer Richterin und vier Kindern von uns bislang unerkannt zwei Häuser weiter wohnt, und unterhielt mich über den Fall Aiwanger, zu dem ich eine klare Meinung habe.
Sie lautet: Wenn ein 17jähriger Bube ein übles Flugblatt in seinem Ranzen transportiert, damit erwischt wird und eine Strafarbeit macht, darf ihm das 35 Jahre später als Politiker nicht angekreidet werden. Zumal, wenn er in seiner späteren Laufbahn zeigt, dass er eben nicht die Gesinnung vertritt, die in dem Flugblatt zu Tage trat.
Vielmehr halte ich den pensionierten Lehrer, der mit dem Ziel, die Karriere seines ehemaligen Schülers zu zerstören, das Flugblatt ein halbes Leben später veröffentlicht, mal mindestens für einen Schlawiner, der im Bairischen übrigens Schlawuzi genannt wird. Ich vertrete diese Meinung auch, weil sie so schön gegen den Mainstream läuft und mir es immer Freude bereitet, in verdutzte Gesichter zu schauen.
Der Jurist war sofort nicht meiner Meinung
Der Richter war sofort nicht meiner Meinung. Er wog routiniert ab und stellte fest, dass das Petzen 35 Jahre später ein kleineres Rechtsgut verletzt habe als antisemitische Schmierereien, die ein 17-Jähriger und damit durchaus zurechnungsfähiger junger Mann mit sich herumgetragen habe.
Als ich Judith davon erzählte, hatte ich kurz den Eindruck, sie hätte die erste Tasse unseres Morgenkaffees am liebsten dem Richter rübergereicht und mich bei Wasser und Brot gelassen. Aber so weit ist es nicht gekommen, sondern ich bekam die Tasse.
Wir überlegen aber, ob wir das Richterehepaar mit den vier Kindern nicht doch auf eine Käseplatte zu uns einladen.
Zwischen dem Vergehen und dem Peter liegen 35 Jahre. Es mag juristisch so sein, aber das Verhalten des Lehrers ist moralisch niederträchtig.
Tippfehler?
Zwischen dem Vergehen und dem PETZER liegen 35 Jahre ...
Tippfehler?
Zwischen dem Vergehen und dem PETZER liegen 35 Jahre ...
Zwischen dem Vergehen und dem Peter liegen 35 Jahre. Es mag juristisch so sein, aber das Verhalten des Lehrers ist moralisch niederträchtig.