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Familienkolumne „Ein bisschen besser“

Soulsurfer

Bilder. Worte. Wortbilder. Beim einen geht Musik an, wenn er die Augen schließt. Bei der anderen rauschen Farben. Bei Judith und mir sind es die Bilder und die Worte, die das Kino im Kopf anschalten. Als die Tochter in den Ferien für ein paar Tage das Surfen lernen wollte, heißt die Segelschule „Soulsurfer“.

Ich denke an kalifornische Beachboys mit Sixpack-Oberkörpern, Sand, Sonne und VW-Bus. An braungebrannte und – jawohl: eisschleckende – Schönheiten in bunten Bikinis mit wallendem Haar. An Privatdetektiv Thomas Magnum im Hawaiihemd, von dem ich wenige Folgen ausgelassen habe. An „Baywatch“, wovon ich keine Folge sah, aber Pamela Anderson mit rotem Badeanzug und gleichfarbiger Boje dennoch aus dem Spind von Kalle kannte.

Kalle war mein Arbeitskollege, als ich bei einer Aufräum-Firma arbeitete, die Wohnungen reinigte, in denen es gebrannt hatte. Kalle aß immer um Punkt acht rußverschmiert seine Leberwurststulle und öffnete das erste warme Bier des Tages. Die Soulsurfer sind keine Hawaiianer, sondern Schweizer. Als ich einen frage, ob der Kurs heute länger dauere, sagt er „e bitzeli“. Es ist Flaute, und die Segel der fleißigen Schüler hängen auf dem See wie nasse Badetücher über der Leine.

Du kannst dich treiben lassen, aber dann kommst du nie an

Die Surfer der Seele müssen sich auskennen mit Schaumkronen und Wellentälern. Ihre Kunst besteht nicht darin, auf dem Brett zu bleiben, wenn sie den Abhang hinuntersausen oder der Wind prall ins Segel greift. Den Rausch der Geschwindigkeit abreiten – das können wir alle. Aber du brauchst Puste, um beim Anstieg nicht zu versinken. Es ist ein bisschen besser, wenn du noch über eine geheime Reservekammer verfügst, falls es dich niederhaut und unterdrückt.

Du bist nur du mit dir allein. Du brauchst den Willen, zurückzukehren zum Ausgangsort, wenn dir der Wind ins Gesicht bläst. Natürlich kannst du dich treiben lassen, aber dann kommst du niemals an, denn du hast kein Ziel. Wenn die Seele baumelt, baumelt der Kopf bald mit.

„Jetzt steig runter aus dem Luftreich der Gedanken“, ruft Judith frohgemut, nachdem sie das Bild im Kasten hat. Ich finde, sie sieht heute e bitzeli aus wie Pamela Anderson ohne Boje. Und die Leberwurst auf dem Brot, das sie extra für mich geschmiert hat, ist Balsam für meine Seele.

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