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Herz-Jesu-Feuer in Tirol

Hauptsache, die Herzen brennen

Es sei einer der schönsten, wenn nicht sogar der schönste Tiroler Brauch, sagte einmal Philipp Burger, Sänger der Deutschrock-Band Frei.Wild. Die Südtiroler Musikgruppe stürmt regelmäßig die deutschen und österreichischen Charts. Vor einigen Jahren veröffentlichte sie auch einen Song mit dem Titel „Auf zum Schwur“ – angelehnt an das gleichnamige Lied, das der Dichter Josef Seeber und der Komponist Ignaz Mitterer 1896 schufen. In beiden Stücken geht es um inbrünstigen Glauben in einer Zeit, in der alles verloren scheint für Land und Leute: um das Bündnis des Landes Tirols mit dem Göttlichen Herzen Jesu.

100 Jahre vorher, 1796, scheint die Lage für das damals noch vereinte Tirol aussichtslos. Im Süden steht das siegreiche Heer Napoleons bereit, seinen Feldzug gen Norden fortzusetzen. Gerade hat es ein österreichisch-piemontesisches Armeekorps besiegt. Tirol, das Land der ersten freien Bauern Europas, hat seit 1511 eine besondere Regelung im Falle einer feindlichen Bedrohung. Das damals beschlossene „Landlibell“ verfügte, dass die Tiroler Landstände zur Verteidigung ihres Landes verpflichtet waren.

Dafür waren sie von jedem Kriegsdienst außerhalb der Landesgrenzen befreit. Kaiser Maximilian I. verpflichtete sich in der Urkunde zudem, ohne die Zusage der Landstände keinen Krieg zu beginnen, der durch oder über Tirol führt. Der Habsburger gestand den Tirolern überdies das Tragen von Waffen zu. Der Preis für diese Freiheiten war die selbständige Verteidigung ihres Landes. Und genau eine solche bahnt sich im Frühjahr 1796 an. Gegen eine Übermacht.

„Das Herz-Jesu-Fest für weltewige Zeiten in feierlichster Weise begehen“

Bei einer Zusammenkunft der höchsten Landesvertreter am 1. Juni in Bozen beschließen die Tiroler auf Antrag des Prälaten von Stams, Sebastian Stöckl, das Land Tirol dem heiligsten Herzen Jesu zu weihen. Den Vorschlag des Priesters Anton Paufler aufgreifend spricht Stöckl in seiner flammenden Rede:

„Das Herz Jesu muss in dieser bedrohten Lage unser Retter sein, und ich stelle den Antrag, die Vertreter des Landes beschließen einen Bund mit dem Herzen Jesu. Es soll ein rechtlicher Vertrag sein und ein Landesgesetz werden. Wir geloben, das Herz-Jesu-Fest für weltewige Zeiten in feierlichster Weise zu begehen und die Herz-Jesu-Verehrung zu einer Volksandacht unseres Landes zu machen.“

Beginn einer Herz-Jesu-Prozession und abendliches -Feuer im Südtiroler Hochpustertal

Der Ausschuss stimmt einstimmig zu. Pauflers Idee umfasst auch das Entzünden von Bergfeuern auf den bis zu 3.900 Meter hohen Gipfeln. Ein ähnlicher Brauch war schon aus heidnischer Zeit bekannt. Wenige Tage später einigt man sich darauf, den zweiten Sonntag nach Fronleichnam als hohen Festtag auszuwählen. „Wie sehr da der Kongress aus dem Herzen des Volkes gesprochen hatte, zeigt die Tatsache, dass das Fest schon im folgenden Jahr in fast allen Gemeinden Tirols heimisch geworden war“, notierte der Volkskundler Friedrich Haider in seinem umfassenden Buch „Tiroler Brauch im Jahreslauf“.

13 Jahre später, wir schreiben das Jahr 1809, erneuerten die Tiroler Schützen unter dem Oberkommando von „Sandwirt“ Andreas Hofer den Schwur. Wieder schimmerten die Bergeshöhen feuerrot. Der Tiroler Aufstand erringt in den ersten drei Bergiselschlachten Siege gegen das übermächtige bayerisch-französische Heer und befreit das kleine Land von den Besatzern – zu den Anführern gehörte übrigens auch der Kapuzinerpater Joachim Haspinger. Erst im Spätherbst 1809 wird Tirol erneut besetzt, bis es nach der Niederlage Napoleons 1814 wieder an Österreich zurückfällt.

Vom Bischof bis zum „Bumser“ – alle beziehen sich auf das Fest

Johannes Geisler, Fürstbischof von Brixen, bringt es 1946 in der Tageszeitung Dolomiten auf den Punkt:

„In höchster Kriegsnot, als alle menschlichen Hilfsmittel zu versagen schienen, haben die Vertreter des Landes und Volkes voll Glauben und voll Vertrauen um die Hilfe von oben ihre Zuflucht zum Herzen des göttlichen Heilands genommen. In einer Zeit, in der es noch kein Herz-Jesu-Fest gab, haben sie gelobt, das Herz-Jesu-Fest im ganzen Land und für alle Zukunft feierlich zu begehen, um so den Schutz des Himmels auf das Land herabzuziehen. Und immer wieder, wenn Land und Volk in Not war, haben sie das Gelöbnis erneuert und den Bund bekräftigt. Sie haben auch dann nicht den Mut und das Vertrauen verloren, wenn einmal das Gebet nicht erhört wurde und die Lage des Landes sich trostlos zu gestalten schien, sondern sie haben in ihrer Hoffnung und in ihrem Vertrauen auf die Hilfe von oben durchgehalten, bis es im Plane der göttlichen Vorsehung gelegen war, wieder bessere Zeiten zu senden.“

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert wird der Brauch in einem anderen Kontext politisch aufgeladen. Der südliche Teil Tirols ist seit dem Ersten Weltkrieg abgetrennt und gehört zu Italien. Weil Rom aber die nach dem Zweiten Weltkrieg zugestandenen Rechte nicht gewährt, begehren die Tiroler abermals auf. In der Herz-Jesu-Nacht 1961 sprengen Widerstandskämpfer – in Deutschland „Bumser“ genannt – 37 Hochspannungsmasten, wodurch große Teile der oberitalienischen Industrie lahmgelegt werden. Es folgen Massenverhaftungen und für einige Inhaftierte auch Folter und Tod.

Kein Jahr vergeht, an dem zwischen Kufstein und Salurn am Herz-Jesu-Sonntag nicht die Gipfelfeuer entzündet werden. Weder Kriege noch Pandemien stoppten diesen Brauch. Auch wenn sich das religiöse Gesicht Tirols im Vergleich zum 18. Jahrhundert stark gewandelt hat: kein Herz-Jesu-Sonntag ohne Prozession und ohne das Herz-Jesu-Bundeslied „Auf zum Schwur“ (eine Rock-Version gibt es inzwischen auch), in dem es zu erhebender Melodie in der zweiten Strophe heißt:

Fest und stark zu unserm Gott
stehen wir trotz Hohn und Spott;
fest am Glauben halten wir,
unsres Landes schönster Zier.
Drum geloben wir aufs Neue:
Jesu Herz, dir ew’ge Treue!

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Ein Brauch mit sozialer Zentripetalkraft

Was den Brauch des Herz-Jesu-Feuermachens auch abseits religiöser und patriotischer Aspekte ausmacht, ist die soziale Zentripetalkraft, die eine solche über Generationen tief verwurzelte Tradition mit sich bringt. Die Bergfeuer einen nicht nur das getrennte Tirol, sondern auch die sich auseinanderdividierenden Dorfgemeinschaften. Die Feuermachergruppen setzen sich aus allen Alters- und Gesellschaftsschichten zusammen, ob Bub oder Mädchen, Mann oder Frau, Schüler, Beamter, Handwerker oder Akademiker. Sie bereiten sich mitunter schon Wochen und Monate vor dem wichtigen Sonntag vor. Gerade jene Feuer im hochalpinen Gelände oder die später aufwendig zu Herzen, Kreuzen oder Ketten drapierten Flammen müssen logistisch gut durchdacht sein.

Von diesem Geist des gesellschaftlichen Zusammenhalts beseelt ist vor zehn Tagen ein gemeinsames Projekt von vier Südtiroler Jugendverbänden vorgestellt worden. Die Alpenvereinsjugend, die Bauernjugend, die Jungschützen und die Katholische Jugend veröffentlichten eine jugendgerechte Broschüre und ein eindringliches Video mit dem Titel „Feuerherz“. Bei der Präsentation war auch Kulturlandesrat (Ministerpräsident für Kultur) Philipp Achammer (SPV) anwesend, der von einer „wertvollen Tradition“ sprach. Angelika Springeth von der Südtiroler Bauernjugend schilderte ihr typisches Herz-Jesu-Sonntag-Erlebnis:

„Bereits im Morgengrauen trifft sich der Ausschuss der Südtiroler Bauernjugend, bekleidet sich mit Dirndl und Lederhose und dem blauen Schurz, um auf den Hänger eines Traktors alle aufzuladen. Am Abend warten die Mitglieder, bis die Feuer nacheinander entzündet werden. Sobald das Holz brennt, sitzen alle gemeinsam an der Feuerstelle, essen, spielen Ziehharmonika oder amüsieren sich beim Kartenspielen.“

Ob die traditionelle Variante von „Auf zum Schwur“ oder die adaptierte Fassung von Frei.Wild erklingt, ist denn auch sekundär. Hauptsache, die Feuer auf den Bergen und die Herzen der Menschen brennen.

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