Direkt zum Inhalt
Schönheits- und Körperkult

Warum Tattoos und Piercings auch nicht glücklich machen

Es ist noch gar nicht so lange her, da waren „Tattoos“ oder „Piercings“ in weiten Kreisen Europas unbekannt oder wurden sogar verabscheut. Beide Formen der Körperverzierung oder Verschönerung sanken nach dem Ersten Weltkrieg in die unteren Volksschichten ab und galten noch in den 1980er-Jahren in mittleren und höheren Gesellschaftskreisen als unschicklich.

Nur von Seeleuten, Schaustellern, Prostituierten oder „Knastis“ beziehungsweise entlassenen Strafgefangenen kannte man den Brauch, sich bestimmte Symbole wie ein rotes Herz, einen Anker oder bestimmte Namen auf Arm oder Brust eintätowieren zu lassen. Peinlich konnten solche Namen der Liebsten werden, wenn die neue Freundin die Namen ihrer Vorgängerinnen unversehens beim Liebesverkehr entdeckte.

Das Wort „Piercing“ ist aus dem Französischen abgeleitet („nez percé“) und bedeutet durchstochene Nase. Bei indigenen beziehungsweise eingeborenen Völkern fand man diesen Brauch, dass man sich die Nase (schmerzvoll) durchsticht und dann einen Ring durchzieht, an dem man Menschen sogar herumführen konnte, etwa beim Sklavenhandel. Die Redewendung „Jemanden an der Nase herumführen“ erinnert an die humorig gemeinte Irreführung eines Mitmenschen.

Die Sitten heidnischer Zeiten kommen wieder hoch

Jeder fünfte Erwachsene in Deutschland trägt Tätowierungen auf der Haut, bei den Frauen zwischen Mitte zwanzig und Mitte vierzig sind es sogar mehr als vierzig Prozent. Wie sich diese Sitte des Piercens und Tätowierens in Europa oder Nordamerika heute wieder neu etablieren konnte, bleibt auf den ersten Blick rätselhaft. Sehr schlechte Erinnerungen an ihre Zwangs-Tätowierungen hatten überlebende Häftlinge aus Hitlers Konzentrationslagern. Sie waren für ihr Leben gezeichnet.

Auch in mafiösen Vereinigungen und anderen Verbrecher-Syndikaten nutzte man die Tätowierung als Zeichen der lebenslangen und nicht mehr kündbaren Mitgliedschaft. Dass einmal Tattoo- und Piercing-Studios wie Pilze aus dem Boden schießen würden, schien angesichts dieser Geschichte in Deutschland lange Zeit unvorstellbar.

Sed tempora mutantur et nos mutamur in iis“, hieß es bei den alten Römern: Aber die Zeiten ändern sich und wir Menschen in ihnen. Mit zunehmendem ökologischem Bewusstsein vieler Menschen und der götzenhaften Verehrung der Natur folgte eine Hinwendung zu den Sitten alter und naturreligiöser Völker. Tattoos und Piercings wurden als „modern“ und „schön“ angesehen, obwohl sie aus alten (heidnischen) Zeiten stammten. Selbst eine schöne und ebenmäßige Haut musste verziert, bemalt und mit bestimmten Symbolen dauerhaft „verschönert“ werden.

Oft ein okkulter oder dämonischer Hintergrund

Wer es sich leisten konnte, unterzog sich in den letzten Jahrzehnten Schönheitsoperationen der verschiedensten Art, angefangen mit der Vergrößerung der Lippen und Brüste bis zur Verkleinerung von Fettschichten oder anderen störenden Körperteilen, bis hin zur Veränderung der Geschlechtsteile.

Dass eine solche Veränderung des Körpers gewaltige gesundheitliche Risiken und Nebenwirkungen nach sich ziehen können, ließen viele außer Acht: Entzündungen der Haut und hässliche Narben folgten ebenso wie Krebserkrankungen. Das Porno-Modell Carolin Wosnitza („Sexy Cora“) aus Hamburg verlor bei einer missglückten Schönheitsoperation zur Brustvergrößerung 2011 mit nur 23 Jahren sogar ihr Leben. Sie war nicht die erste und nicht die letzte.

Warum riskieren Menschen Gesundheit oder Leben, um „schöner“ oder attraktiver zu werden? Oftmals ist bei den Tattoos ein spiritueller Hintergrund erkennbar. Teils religiöse, oftmals hinduistische und esoterische Symbole sind ebenso bei Tätowierungen identifizierbar wie solche Zeichen, die einen okkulten oder dämonischen Hintergrund verraten. Menschen erhoffen von solchen eintätowierten Symbolen eine gewisse Verbundenheit mit bestimmten Göttern oder Geistern, ein Mehr an Kraft, Mut, Schutz oder Stärke im Leben.

Die dauerhafte Veränderung des von Gott gegebenen Leibes ist verboten

Wie eine solche Hoffnung wie eine Seifenblase zerplatzen kann, erlebte eine britische Touristin im Jahr 2014. Sie hatte sich als praktizierende Buddhistin eine Buddha-Figur auf die Haut tätowieren lassen. Im weitgehend buddhistischen Sri Lanka, dem früheren Ceylon, hoffte die Frau, einen schönen Urlaub zu verbringen. Doch kaum auf dem Flughafen der Hauptstadt Colombo angekommen, landete sie in der Arrestzelle und musste alsdann wieder ihre Heimreise antreten. Was war passiert? Im Buddhismus ist das Tätowieren zwar nicht wie in den monotheistischen Religionen verboten, aber sehr wohl die Darstellung eines Buddhas auf der nackten Haut.

Im Judentum und Islam ist die Sache mit den Tätowierungen und Piercings im Prinzip klar geregelt. Die dauerhafte Veränderung des von Gott gegebenen Leibes ist verboten – Ausnahme ist seit alters her die rituelle Beschneidung. Weil Gott jeden Menschen schön genug geschaffen hat, ist eine dauerhafte Verschönerung des Körpers gotteslästerlich. Tattoos sind „haram“ und damit tabu für Muslime, die ihren Glauben ernst nehmen.

Für gläubige Juden, die der Thora folgen, sind heidnische Riten wie das Einritzen ebenfalls verboten (vgl. 3. Mose 19, 28). Auch das Verbrennen oder Einäschern eines Toten ist im Judentum wie im Islam untersagt, weswegen der unversehrte Leichnam eines Verstorbenen in die Erde gelegt werden soll.

Für die Einäscherung gibt es keine biblische Weisung

Die Unversehrtheit des Körpers zu erhalten ist auch für gläubige Christen grundlegend und geboten. Die Christenheit hat von Anfang an die leibliche Beerdigung von Verstorbenen praktiziert. Weil der gekreuzigte Jesus in einer Felsenhöhle begraben wurde und am dritten Tage von den Toten auferstand, haben sich Christen in dieser Hoffnung seit jeher begraben lassen. Das bewusste und vorsätzliche Verbrennen von Leichen galt immer als abzulehnende Praxis des Heidentums beziehungsweise anderer Religionen und Kulte.

Erst nach dem jüngsten Konzil in den 1960er-Jahren erlaubte die katholische Kirche die – zu ihrer überlieferten Lehre eigentlich völlig widersprüchliche – liberale Praxis der Einäscherung, obgleich es für die Einäscherung oder Urnenbestattung keine biblische Weisung gibt. Im berühmten 15. Kapitel des 1. Korintherbriefes des Apostels Paulus über die Auferstehung der Toten findet sich nur die eindeutige Weisung für die Erdbestattung.

Das Christentum hat wiederum nur eine schwache und nicht durchgängige Tätowiertradition. Aus guten theologischen Gründen, bedarf doch mit Kapitel 2 des Römerbriefes allein das Herz der (unsichtbaren) Prägung und kein (sichtbarer) Körperteil: „Denn Beschneidung ist wohl nütze, wenn du das Gesetz befolgst; wenn du aber ein Gesetzesübertreter bist, so ist deine Beschneidung Unbeschnittensein geworden“ (Röm 2,25) oder, noch deutlicher: „der ist ein Jude, der es innerlich ist, und die wahre Beschneidung ist die, die am Herzen geschieht“ (2,29).

Pilger brachten „Hautbilder“ mit

Dessen ungeachtet war es bei den Urchristen Brauch, sich das Zeichen des Kreuzes, den Namen Christi oder das Monogramm XP auf Arme oder Hände tätowieren zu lassen. Manfred Kuntner hat in seiner Überblicksdarstellung „Zur Geschichte der Tatauierung und Körperbemalung in Europa“ (1971) einiges zusammengetragen, darunter auch Erstaunliches und Vergessenes. Soweit belegbar, traf die Synode im nordhumbrischen Calcuth im Jahr 787 zur Zeit Papst Hadrians I. die Unterscheidung zwischen christlich akzeptablem und inakzeptablem Tätowieren.

Kuntner führt an, dass viele Rückkehrer aus dem ersten Kreuzzug mit einem Kreuz gezeichnet waren. Von Pilgern ist seit dem 16. Jahrhundert bekannt, dass sie zum Zeugnis ihrer frommen Fahrt, zum Beispiel aus dem Heiligen Land, „Hautbilder mitbrachten“ – gestochen oder eingeätzt: Bilder vom Leidensweg Jesu Christi oder das Ritterwappen von Jerusalem. In Bethlehem ist dieser Brauch noch heute Tradition.

In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts schrieb der selige Mystiker Heinrich Seuse in seiner Autobiographie, wie der sich mit einem Griffel das IHS-Zeichen (Jesus Hominum Salvator) in die Haut ritzte. Kuntner ordnet dies als erstes schriftliches Zeugnis einer Narbentätowierung in Deutschland ein.

Von den Katholiken Bosniens und der Herzegowina sind bis in jüngere Zeit kunstvolle geometrische Zeichen, darunter das Kreuzsymbol, überliefert, die während der Pubertät Heranwachsenden beiderlei Geschlechts auf Hände, Arme, Brust und Stirn tätowiert wurden – unter Duldung des katholischen Klerus.

Vom Schöpfer schön geschaffen

Der katholischen Kirche oder anderen christlichen Gemeinschaften ist oft „Leibfeindlichkeit“ unterstellt worden. Das Gegenteil ist hingegen der Fall. Der Apostel Paulus schrieb an die junge Christenheit im griechischen Korinth sogar: „Der Leib ist ein Tempel des Heiligen Geistes“, also eine Wohnstatt Gottes. Daher sollten Christen nicht nur die Seele, sondern auch den Leib pflegen und gesunderhalten. Statt sich vom Schönheitskult mit seinen leeren Versprechungen anstecken zu lassen, ist es besser, sich vom Schöpfer als „schön geschaffenen Menschen“ zu akzeptieren; weil wirkliches Schönsein von innen kommt, bräuchte keiner – zumindest kein gläubiger Christ, Jude oder Muslim – dem äußerlichen Schönheitswahn zu folgen.

10
8

2
Kommentare

Kommentar
0
Remo
Vor 1 Jahr 7 Monate

"Sed tempora mutantur et nos mutamur in iis", richtig heißt es auf Lateinisch: "Tempora mutantur, nos et mutamur in illis".

0
Anna
Vor 1 Jahr 7 Monate

Sehr schön beschäftigt und zusammengefasst!

0
Remo
Vor 1 Jahr 7 Monate

"Sed tempora mutantur et nos mutamur in iis", richtig heißt es auf Lateinisch: "Tempora mutantur, nos et mutamur in illis".

0
Anna
Vor 1 Jahr 7 Monate

Sehr schön beschäftigt und zusammengefasst!