Die Zukunft der Union ist bürgerlich-konservativ
Auf den ersten Blick scheint es für die Union eigentlich ganz gut zu laufen. Immerhin sehen aktuelle Umfragen CDU und CSU bei über 30 Prozent. So viel Zustimmung beim Wähler hatte die Union zuletzt vor zwei Jahren. Also vor einer gefühlten Ewigkeit.
Während es für die Unionsschwestern aufwärts geht, erleiden SPD und Grüne einen massiven Vertrauensverlust. Die Sozialdemokraten erreichen in den meisten Umfragen inzwischen nicht einmal mehr 20 Prozent, und auch der Höhenflug der Grünen scheint endlich gebrochen.
Man könnte vermuten, dass Friedrich Merz und Markus Söder sich gerade entspannt zurücklehnen, das Ampel-Chaos aus der Ferne betrachten und sich die Hände reiben – vielleicht ja gemeinsam am Tegernsee. Jedenfalls stehen gegenwärtig die Chancen für einen Christdemokraten im Kanzleramt nach der nächsten Bundestagswahl nicht schlecht.
Die Kulturkämpfe wurden von links aktiv begonnen
Gleichwohl rumort es in CDU und CSU. Teile der Union stecken in einer Sinnkrise. Die Flügelkämpfe der letzten Jahre wabern unter der Oberfläche weiter. Es besteht die veritable Gefahr, dass man bald in aller Öffentlichkeit wieder Richtungsfragen diskutieren wird – der Fall Maaßen als eine Art Präludium zum Flügelkampf. Fährt man einen vermeintlichen Mitte-Kurs oder will man doch auch Heimat der bürgerlich-konservativen Kräfte sein? Und dann wäre da noch diese Brandmauer zur AfD, die man in den westlichen Verbänden der CDU anders betrachtet als im Osten.
Diese innere ideelle Zerrissenheit macht sich auch an der internen Debatte fest, wie man auf identitätspolitische Kulturkämpfe reagieren soll. Auf der einen Seite finden sich jene, die den linksidentitären Umtrieben kämpferisch begegnen wollen, auf der anderen Seite die, die entweder die Füße stillhalten wollen oder gar die Existenz von Kulturkämpfen negieren.
Der Historiker Andreas Rödder, der zur ersten Gattung gehört und die neue CDU-Grundwertecharta verantwortet, stellt richtigerweise heraus, dass die Kulturkämpfe unserer Zeit von linker Seite aktiv begonnen wurden. Diese zu ignorieren, wäre ein schwerer Fehler für das bürgerliche Lager. Denn die Identitätspolitik von heute ist, falls erfolgreich durchgeboxt, die Wirtschafts-, Innen- und Sozialpolitik von morgen. Der Kulturkampf stellt die Weichen für die Zukunft.
Bürgerliche Antworten auf linke Utopien geben
Daher ist es töricht, diese Entwicklungen und Gedanken des linken Mainstreams zu ignorieren oder ihnen gar zu erliegen. Bürgerliche Politik ist in einem Land, in dem die Gegenseite die intellektuelle Deutungshoheit errungen hat, dann nicht mehr möglich. Das kann man wunderbar an den öffentlichen Debatten der letzten Jahre erkennen.
Denn kaum bricht ein Beitrag aus dem linken Meinungs- und Sprachkorridor aus, stehen die üblichen Ideologen auf der Matte, um den unerwünschten Zwischenruf zu diskreditieren. Akteure, denen es an argumentativer Schlagkraft mangelt, wollen so bereits das Bestehen eines ergebnisoffenen Diskurses im Keim ersticken. Dies resultiert in eine De-facto-Einschränkung der Meinungsfreiheit schon im Vorfeld der Schranken des geltenden Rechts.
Mit Blick auf die linken Utopien unserer Zeit ist es jedoch notwendig, hier eigene neue Akzente zu setzen und bürgerliche Antworten zu geben. In der Migrationspolitik sehen wir gerade die Abgründe einer Politik der offenen Grenzen. „No borders, no nations“ sollte niemals der inoffizielle Wahlspruch einer Bundesregierung sein.
Während der Bürger das Ausmaß der Erosion von Ordnung im öffentlichen Raum deutscher Großstädte bereits seit Jahren tagtäglich bei einem Gang durch den örtlichen Bahnhof erfährt, gingen spätestens in der Silvesternacht in Berlin-Neukölln die letzten Träume links-grüner Multikulturalisten im wahrsten Sinne in Flammen auf. Eine seit 2015 grob systemwidrige Duldung ungeregelter Migration gepaart mit einem sechsstelligen Abschiebe-Vollzugsdefizit von Personen ohne Aufenthaltserlaubnis machen ganze Viertel und Gegenden zum sozialen Pulverfass.
Friedrich Merz’ Klarheit war wohltuend
Das linke Establishment in Medien, Politik und Gesellschaft weigert sich jedoch weiterhin beharrlich, diese empirisch nachweisbaren objektiven Tatsachen anzuerkennen. Umso wichtiger ist, dass bürgerliche Akteure es tun. Probleme müssen benannt werden, deutlich und klar. Friedrich Merz und seine Äußerungen zu den „kleinen Paschas“ sind in ihrer Klarheit daher geradezu wohltuend. Stilfragen und Haltungsnoten sind dann eher zweitrangig.
Auch Markus Söder zeigte sich auf dem Politischen Aschermittwoch der bayerischen Schwester überaus angriffslustig. Die Liebäugeleien mit den Grünen scheinen auch in München der Vergangenheit anzugehören.
Der neue politische Realismus der Union, die Klarheit der Sprache und die Rückbesinnung auf ein schärferes bürgerliches Profil scheinen Erfolg zu haben. Dieser Kurs hat in Berlin die Wahl gewonnen, in Bayern steht die CSU in Umfragen wieder deutlich über 40 Prozent.
Eine bewusste Anti-Ampel-Kraft sein
Man sollte diesen Kurs aber nicht nur aus wahltaktischen Gründen fahren, sondern aus Überzeugung. Das bürgerlich-konservative Lager muss sich auf seine politischen Wurzeln besinnen. Dazu gehört ein Bekenntnis zu Recht und Ordnung, einer starken Wirtschaft und soliden Finanzen.
Die Union sollte sich bewusst als Anti-Ampel-Kraft verkaufen. Auf Freiheit setzen, nicht auf Verbote, Gängelungen und Bevormundung, wie es die Grünen tun. Auf Eigenverantwortung und das Individuum, nicht auf kollektivistische Ansätze und Gleichmacherei. Und wieder ein Kernpolitikfeld der Union in den Blick nehmen und als Partei der Sicherheit auftreten. Dazu gehört auch ein klares Bekenntnis zur Ordnung und Begrenzung der Migration, der Bruch mit „2015“.
Wenn der Union das gelingt, wird sie politisch wieder erfolgreich sein. Sie wird in unserem politischen System zudem noch ihrer Rolle als ausgleichende Kraft der Vernunft gerecht: nicht getrieben von Utopien, sondern dem rationalen Blick auf die Wirklichkeit.
Die CDU muss sich inhaltlich und personell weiter erneuern
Dazu braucht es innerhalb der Union aber die Standhaftigkeit, diese Werte selbstbewusst wieder nach außen zu tragen und zu behaupten. Daran mangelt es aktuell noch in weiten Teilen der Partei. Die Ära Merkel und 16 Jahre an der Regierung haben CDU und CSU weichgespült und in Teilen zu beliebig gemacht.
Es ist noch ein weiter Weg für die Union, vor allem für die CDU. Sie muss sich inhaltlich und personell weiter erneuern. Mit einem neuen Parteivorsitzenden allein wird dies nicht gelingen.
Vor allem aber muss sie wieder glaubwürdig dezidiert bürgerliche Wähler ansprechen, mehr in diese Klientel hineinhören und sich weniger von linken Leitartikeln treiben lassen.
In dem klaren Bekenntnis des christdemokratischen Markenkerns, der Lust an der politischen Debatte und der programmatischen Abgrenzung zum links-identitären Zeitgeist liegt die Zukunft der bürgerlichen Volkspartei.