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Michael Seewald erhält Leibniz-Preis

2,5 Millionen Euro für die Entchristlichung Europas

Als ich im Sommersemester 2009, jung und naiv, als Priesteramtskandidat das Studium der katholischen Theologie in Münster aufnahm, war ich weder konservativ noch wusste ich, was an Universitäten abgeht. Der Lehrstuhl für Dogmatik war damals verwaist und wurde von einer Dorothea Sattler, zuständig für „ökumenische Theologie“, ersatzweise vertreten. Der Inhalt der Vorlesungen führte dazu, dass einige bereits im ersten Semester das Studienfach wechselten. Die Zeiten von Ratzinger und Rahner waren lange vorbei. Die Namen vorkonziliarer Größen kannte niemand mehr. Es herrschte eine Stimmung des Niedergangs.

Die Zeit der Theologie war passé. Wir lernten mit Bildern etwas über die Tragik der menschlichen Existenz und die Vergänglichkeit des Lebens. Es gab Professoren, von denen es immer wieder hieß, sie hätten sich nur für ihren Lehrstuhl zum Priester weihen lassen, aber glaubten an das ganze Zeug nicht. Die Bischöfe trafen sich regelmäßig mit den Professoren und schienen nicht an der Einhaltung der Rechtgläubigkeit interessiert, sondern an einem guten Verhältnis.

Hinzu kam die Missbrauchskrise 2010 und die Stellungnahme des damaligen Regens von Münster in einem 3sat-Interview, in dem er behauptete, 50 Prozent der Priester seien homosexuell. Kurze Zeit später gab er sein Priesteramt auf.

Daniel in der Löwengrube (Dan 6)

Diese Ausprägung des Christentums hat fertig. Sie besitzt keine lebendige Kraft mehr. Es ist vorbei. 

Das gegenwärtige akademische Christentum hat keinen Glauben, aus dem Märtyrer hervorgehen könnten – keinen, vor dem die Löwen zurückweichen, wie sie es vor der Gestalt des heiligen Daniel und der heiligen Märtyrerin Blandina taten. 

Verheerende Destabilisierung durch kulturmarxistische Unterwanderung

Die lebendige Kraft des Glaubens ist aber nicht bloß ein schmückendes Element, sondern der Pulsschlag einer Kultur, ihr Fundament, ihr Lebenselixier. Der Mensch und jede Kultur leben nicht vom Brot allein – wie es in der Bibel heißt –, sondern von der Kraft der Worte, die ihn entweder aufblühen lassen oder niederdrücken.

Das Christentum in Europa wurde stark, weil seine Dogmen und Lehren nicht bloß in Büchern standen, sondern Zeugnisse waren. Die Kathedralen, die mittelalterlichen Universitäten, die Feste und Feiertage – all das war die lebendige Kraft des Christentums.

Seit den 1960er-Jahren aber hat sich die Theologie an den Fakultäten grundlegend verändert. Man kann verschiedene Ursachen benennen und breit diskutieren, über das Zweite Vatikanische Konzil, den Einfluss des Kulturmarxismus, tatsächliche Unterwanderungsversuche durch die Sowjetunion und die DDR, um die westliche Kultur – insbesondere das Christentum – zu destabilisieren.

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Doch wichtiger als die Ursachen sind die Folgen dieser skandalösen Aufweichung des Glaubens. Dabei ist „Aufweichung“ eigentlich eine Beschönigung – handelt es sich doch oft um eine bewusste Lächerlichmachung des Christentums.

Demontage des Glaubens

Es ist ein Irrtum zu glauben, linke Aufklärer seien in erster Linie daran interessiert, in Interviews mit Theologieprofessoren dogmatische Wahrheiten zu hinterfragen, um hehre „aufgeklärte Wahrheiten“ ans Licht zu bringen. Es geht weniger um Erkenntnis, sondern vielmehr um Performanz. Es geht darum, den Glauben dem Gespött preiszugeben, ihn lächerlich zu machen, um seine „lebendige Kraft“ zu zerstören, damit an dessen Stelle ein säkular-moralisches Lebensgefühl treten kann, das Pille, Kondom, Abtreibung und Sexualität allgemein nicht mehr den Zehn Geboten unterwirft. Das klingt zu primitiv? Dann empfehle ich ein besseres Studium der menschlichen Natur.

Gleichzeitig wird die Zerstörung des Christentums mit staatlichen Fördergeldern belohnt. 2,5 Millionen Euro werden hierfür bereitgestellt. Nach den Worten der durchweg säkularen Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) erhält Michael Seewald den Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preis „für seine Arbeiten in der Systematischen Theologie, insbesondere der Dogmengeschichte und der Dogmenhermeneutik“. Doch besteht diese Tätigkeit nicht vor allem in der Demontage des Glaubens? Ein Interview mit Christina Rietz in Christ und Welt legt genau das nahe.

Seewald zeigt sich unbeeindruckt davon, dass viele Katholiken nicht mehr an zentrale Dogmen wie die Jungfrauengeburt, die leibliche Auferstehung Christi oder die Transsubstantiationslehre glauben. „Ich sehe keinen Grund zum Jammern“, erklärt er und behauptet, man könne nicht sagen: „Ich glaube nicht, was die Kirche lehrt, also bin ich verloren.“ Das Verhältnis von Wissen und Glauben sei „unklar“.

Doch die Dogmatik schreibt klar vor, dass jedes Dogma angenommen werden muss: „Wenn ein Getaufter ein eigentliches Dogma vorsätzlich leugnet oder bezweifelt, macht er sich der Sünde der Häresie schuldig und verfällt der Strafe der von selbst eintretenden Exkommunikation“ (Ludwig Ott, „Grundriss der katholischen Dogmatik“).

Ein Priester, der nicht erklären kann, warum er Priester wurde

Bemerkenswert ist auch, dass Seewald – Inhaber des Lehrstuhls Dogmatik und Dogmengeschichte, den schon der spätere Papst Benedikt XVI. innehatte, von dem sich Seewald strikt distanziert – nicht erklären kann, warum er Priester wurde. Es habe sich einfach so ergeben, er brauche kein „Amtspathos, das sich in frömmelnden Berufungserlebnissen“ gründe. Das allerdings ist noch weltfremder als die Dogmenleugnung, so „ergibt“ sich doch für kaum einen jungen Mann das Priestertum, sondern eher das Streben nach Freiheit und Frauen.

Besonders anziehend findet Seewald „Denker, die nicht zum Kanon dazugehören“. Er beschäftige sich gerne mit „Ketzern“ und empfinde das „lehramtliche Frauenbild“ als untragbar – eine interessante Aussage für jemanden, für den sich der zölibatäre Weg ins Priesteramt einfach so „ergibt“.

Nichts an diesem Interview ist eine Werbung für das Christentum, für den katholischen Glauben oder die Theologie. Im Gegenteil, es weckt Glaubenszweifel. Es ist ein erschreckendes Dokument des Niedergangs, ein Seismograf einer sterbenden Kultur. Jeder junge Mann, der sich für Religion interessiert, wird hier vielmehr vom Christentum abgestoßen und in die Arme des Islams oder rechtsesoterischer Mythologien getrieben.

Wer sich befreien will, muss eine bewusste Entscheidung treffen

Zahlreiche muslimische Gruppierungen holen genau jene jungen Männer ab, die Authentizität und Entschlossenheit suchen. Sie strahlen jene Kompromisslosigkeit aus, die das weiche Gesicht des 37-jährigen Theologieprofessors nicht zu vermitteln vermag, das die linksliberalen Medien mit Genuss und zum Spott auf das alte Europa aufs Tapet heben.

Die staatliche Förderung dieses theologischen Suizids ist daher nicht nur ein Programm zur Entchristlichung, sondern auch eine Stärkung des Islams.

Doch es gibt einen Ausweg. Wer sich aus dieser modernen Theologie befreien will, muss eine bewusste Entscheidung treffen. Er muss alles vergessen, was er an den Universitäten gelernt hat, sich von dieser dekonstruktiven Denkweise lossagen und ganz neu anfangen, alte katholische Bücher lesen, traditionell-katholische Vorträge auf YouTube hören, den alten Messritus besuchen.

Es ist ein Weg ins Unbekannte. Doch am Ende dieses Weges wartet nicht der Schrecken der modernen Theologie, sondern die Schönheit des Glaubens, seine lebendige Kraft – und eine tiefe Dankbarkeit für unsere europäisch-abendländische Kultur.

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