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Väter und Abtreibung

„Dir ist schon klar, dass das auch mein Kind ist!?“

„Dir ist schon klar, dass das auch mein Kind ist!?“ Diese Frage stellt Felix seiner Frau Lena in der ZDFneo-Serie Bauchgefühl. Lena ist ungeplant schwanger geworden und will das Baby abtreiben. Der Kindesvater versucht, ihr Mut zu dem neuen Leben in ihrem Bauch zu machen: „Na, aber, das ist doch der Wahnsinn! Das ist doch schön!“ Vergeblich. Lena entscheidet sich für eine Abtreibung, denn: „Mein Körper, meine Entscheidung“.

Ein ähnlicher Fall ereignete sich vor einiger Zeit in der Schweiz. Ein Mann aus dem Kanton Freiburg zeigte seine Ex-Freundin an, weil sie das Baby nach der zwölften Schwangerschaftswoche abgetrieben hatte. Der Vater, der mit der späten Abtreibung nicht einverstanden war, ging bis zum Schweizer Bundesgericht – und verlor den Fall.

Da das ungeborene Kind noch keine Rechtspersönlichkeit besitze, könne der Vater auch nicht als Angehöriger eines Opfers gelten. „Trägerin des Rechtsguts“ ist allein die Mutter, der Vater lediglich „Erzeuger“.

Es sei „allein Sache der Mutter“, über eine Abtreibung zu entscheiden, sagt der Rechtsprofessor Bijan Fateh-Moghadam von der Universität Basel gegenüber dem Schweizer Rundfunk (SRF). Auch bei Spätabtreibungen sei eine Beteiligung des Vaters nicht erforderlich. Amnesty International Schweiz teilt die Ansicht des Rechtswissenschaftlers. Ob die Schwangere das Kind wolle oder nicht, sei allein ihre Entscheidung, sagt deren Frauenrechtsverantwortliche Cyrielle Huguenot dem SRF.

Väterliche Verantwortung schon vor der Geburt?

Die Meinung, es sei gut und richtig, dass der Kindsvater kein Mitspracherecht in Sachen Abtreibung habe, teilt Daniel Frischknecht, Präsident der Eidgenössisch-Demokratischen Union (EDU), nicht. „Diese haarsträubende Entscheidung des höchsten Gerichts ist politisch motiviert. Solche Entscheidungen werden aber nicht den Menschen gerecht“, meint der Politiker gegenüber Corrigenda

Für ein Kind seien immer zwei verantwortlich. Männern werde oft unterstellt, sich vor der Verantwortung zu drücken. Der Mann in dem beschriebenen Fall wollte Verantwortung übernehmen – was sehr erfreulich sei. „Aber da heißt es dann plötzlich: ‘My body, my choice’“, empört sich Frischknecht, zu dessen Partei Christen verschiedener Bekenntnisse gehören.

Wenn ein Kind ausgetragen werde, sei der Vater dazu verpflichtet, Alimente zu zahlen. Hier werde das Übernehmen von Verantwortung von ihm gefordert. „Warum wird ihm die Verantwortung für sein Kind vor der Geburt verwehrt?“, fragt sich der EDU-Präsident. Er fordert mehr Konsequenz von der Politik: „Entweder steht es Vätern frei, Verantwortung zu übernehmen oder sie müssen sie ab der Zeugung bis zum 18. Lebensjahr übernehmen“, findet Frischknecht.

Männer werden in ihrer Vaterrolle entmutigt

Ein ähnlicher Ton klingt auch in dem Kommentar „Welche Rechte haben Väter?“ der gemeinnützigen Schweizer Stiftung „Zukunft CH“ an. Sie setzt sich nach eigenen Angaben für „zukunftstragende Werte“ ein und möchte die Familie als Grundpfeiler der Gesellschaft stärken. Viele Männer seien durch „permanentes Verunglimpfen jeglicher Männlichkeit“ mutlos geworden. Entscheidungen wie die des Schweizer Bundesgerichts würden nicht dazu beitragen, Männer zu ermutigen, „ihre Vaterrolle aktiv und freudig einzunehmen“.

Viele Frauen würden abtreiben, da sie mit keiner Unterstützung des Vaters rechnen könnten. „Wie sollen Männer jemals den Mut zu dieser Unterstützung aufbringen, wenn man ihnen permanent spiegelt, ihre Meinung zähle so oder so nicht?“, fragt sich die Autorin Ursula Baumgartner. Auch lasse die vielbeschworene Gleichberechtigung zu wünschen übrig, wenn man Vätern keinerlei Mitspracherecht einräume.

Immer wieder kommt es vor, dass sich auch Männer an die Konfliktberatung für Schwangere Pro Femina e. V. (der von der auch Corrigenda verlegenden 1000plus-Profemina gGmbH umfassend finanziell unterstützt wird) wenden. Beraterin Martina berichtet von Fällen aus Deutschland, in denen Männer Hilfe suchten, weil ihre Frau oder Freundin vor hatte, das Kind abzutreiben, sie es allerdings behalten wollten. „Das sind teilweise sehr berührende Fälle, wenn ein Mann wirklich kämpft wie ein Löwe“, erzählt Martina, die vor ihrer Tätigkeit als Beraterin bei Pro Femina als Ärztin in einer psychiatrischen Klinik arbeitete.

Deutlich mehr Männer, die Frauen zu Abtreibung drängen

„Das waren meist Männer, die ganz feinfühlig empfanden und die ihre Partnerin nicht überreden und bedrängen wollten“, berichtet sie gegenüber Corrigenda. Bemerkenswert sei gewesen, dass diese Männer eher versuchten, ihren Partnerinnen Sicherheit zu geben, indem sie vermittelten, dass sie sich ein Kind zutrauten, dass sie die Frau nicht verlassen würden, auch wenn im schwersten Fall das Kind behindert sein würde. Doch wenn die Frau trotzdem abtreiben will, könne der Kindesvater das letztendlich nicht verhindern.

 

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„Leider erleben wir viel häufiger das Gegenteil: Männer, die ihre Partnerinnen zur Abtreibung drängen und großen emotionalen Druck aufbauen“, weiß Martina aus zwölfjähriger Erfahrung als Schwangerschaftskonfliktberaterin. Eine juristische Lösung, indem zum Beispiel Männer mehr Mitspracherecht bei Abtreibungen bekämen, sieht sie problematisch: Denn das würde bedeuten, dass Männer einen viel zu großen Einfluss auf ihre Partnerin ausüben könnten. „Dann hätte die Frau einen viel höheren Druck auszuhalten, und es resultierten vermutlich viel mehr Abtreibungen“, denkt Martina. 

„Wir Beraterinnen versuchen behutsam herauszufinden, was auf beiden Seiten dem jeweils anderen solch große Ängste und Sorgen bereitet. Im Verlauf des vertrauensvollen Beratungskontaktes werden Lösungen aufgezeigt oder es wird auch zu einem tieferen Blick auf die Situation eingeladen. Oftmals erleben wir dann, wie Paare an der schwierigen Situation sogar wachsen und eine neue Perspektive für sich als Paar sehen. Das ist weitaus wichtiger und entscheidender, als es juristisch zu lösen“, teilt die Beraterin ihre Erfahrungen mit.

Was ist eine „schwere seelische Notlage“?

Brisant an dem Fall aus der Schweiz ist noch ein weiteres Detail: Die Frau durfte die Spätabtreibung durchführen, weil ihr die Ärzte eine „schwere seelische Notlage“ attestierten. Aber was wird unter dieser Formulierung genau verstanden? 

„Der Begriff ‘Seelische Notlage’ lässt sich sehr breit definieren. Eine Notlage kann beispielsweise sein: ich bin schon psychisch krank, ich hatte schon mal mit Depressionen zu tun und bin jetzt mit der neuen Situation völlig überfordert “, erklärt die Pro Femina-Beraterin. 

Martina betreut im Moment eine Frau, die in ihrer großen Not den einzigen Ausweg in einer Spätabtreibung sieht. Doch die Ethikkommission der Klinik, die sie aufsuchte, hat dem Wunsch nicht stattgegeben. Die Frau befinde sich in einer schweren Paarproblematik und hat das Gefühl, sie schaffe es nicht als Alleinerziehende. Die allermeisten Fälle, in denen die Ethikkommission eines Krankenhauses einer Spätabtreibung zustimme, sei, wenn das ungeborene Baby schwer behindert sei und die Schwangere dies psychisch nicht verkrafte, erklärt Martina.

Wenn der Vater für sein Kind sorgen möchte

„Frauen in einer solch existentiellen Krise sind natürlich sehr verzweifelt. Die Schwelle ist verständlicherweise sehr gering, zu sagen: ‘Ich kann nicht mehr, ich möchte nicht mehr’“, sagt die Beraterin. Es komme immer einmal wieder vor, dass in einer solchen Krise vorübergehend lebensmüde Gedanken auftreten. Doch in den allermeisten Fällen steckt keine konkrete Suizidalität dahinter, sondern eher ein „massives Gefühl der Überforderung“. Dies gilt es im Rahmen des Ethikkommissionsgespräches herauszufinden und der momentan Verzweifelten entsprechende Hilfsangebote anzubieten und sie nicht alleine zu lassen.

„Dir ist schon klar, dass das auch mein Kind ist!?“ Auf diese Frage erhält der fiktive Charakter Felix in der ZDFneo-Serie keine Antwort. Ursula Baumgartner von der Stiftung Zukunft CH präsentiert in ihrem Kommentar eine: „Doch diese (die Befindlichkeiten der Schwangeren, Anm.) dürfen nicht stärker ins Gewicht fallen als das Lebensrecht des Kindes und der Wille des Vaters, seinem Kind ein gutes Leben zu ermöglichen.“

 

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Kommentare

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Anton
Vor 1 Monat 1 Woche

Drum prüfe, wer sich ewig bindet!

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G.S.
Vor 1 Monat 1 Woche

Ein Vetorecht des Ehemanns gegen einen Schwangerschaftsabbruch (wie es m.W. in der Türkei existiert) ist in Mitteleuropa vermutlich weder politisch durchsetzbar, noch praktikabel, noch wirklich zielführend.

Eine andere Frage ist allerdings, ob es ein Informationsrecht des Ehemanns geben sollte, zumal für ihn ja auch eine gesetzliche Vaterschaftsvermutung mit ggf. allen Konsequenzen besteht. In vielen Fällen wird ein "Baby-geneigter" (potenziell) werdender Vater vom Schwangerschaftsabbruch gar nicht erfahren. Ich finde es zumindest bedenkenswert, ob er nicht das Recht haben sollte, liebevoll ermutigend auf seine schwangere Ehefrau einzuwirken und sich im Nichterfolgsfall von seiner Frau zu trennen (schon allein, um weitere Schwangerschaftsabbrüche zu vermeiden).

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Jutta
Vor 1 Monat 1 Woche

Es wundert mich nicht, dass Frauen keine Männer mehr finden.
Sie haben die Männer so lange bearbeitet, dass es beste Freundinnen sind, und jetzt jammern sie, dass sie keine Männer mehr finden.
Und steht ein Mann seinen Mann, zu seiner Verantwortung - zum Sex gehören ja eigentlich zwei, wobei das heutzutage auch nicht mehr so klar ist - aber auch in diesen bunten Zeiten zeugen immer noch Männer Kinder ... und Frauen bekommen sie ...

Ich fange an unsere sogenannte Zivilisation zu verabscheuen ... kinderfeindlich, familienfeindlich, die Alten am liebsten gleich tot, damit man sich die Rente sparen kann .. und die Behinderten gleich mit ... dazu gehöre ich eigentlich auch.
Ich bin Brillenträgerin, Gleitsicht, kurzsichtig mit minus 10 und eines 7,5 Dioptrien .. das heisst: ohne Brille könnte ich nicht arbeiten, und auch sonst wenig tun und in die Ferne weder lesen noch sonst etwas erkennen .. aber immer noch - die Gläser sind sehr teuer mit Spezialschliff, sonst wären sie sehr schwer und dick - und ich bin sehr dankbar, dass es mittlerweile diese Technik gibt .. - wird das nicht als Behinderung anerkannt und wenn eine Brille kostet mich, auch mit Kassengestell über 1000 Euro .. die hat man nicht immer ...
Aber da ich selbst zahlen muss, mit einem Minizusatz von der Krankenkasse ... darf ich noch leben ...
Ich drücke das drastisch aus .. ich weiss.

Für die Zugezogenen ist Geld da, auch für die Kinder .. aber für unsere?

So langsam denke ich, dass manche Verschwörungs"theorien" eigentlich keine sind ...

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G.S.
Vor 1 Monat 1 Woche

Ein Vetorecht des Ehemanns gegen einen Schwangerschaftsabbruch (wie es m.W. in der Türkei existiert) ist in Mitteleuropa vermutlich weder politisch durchsetzbar, noch praktikabel, noch wirklich zielführend.

Eine andere Frage ist allerdings, ob es ein Informationsrecht des Ehemanns geben sollte, zumal für ihn ja auch eine gesetzliche Vaterschaftsvermutung mit ggf. allen Konsequenzen besteht. In vielen Fällen wird ein "Baby-geneigter" (potenziell) werdender Vater vom Schwangerschaftsabbruch gar nicht erfahren. Ich finde es zumindest bedenkenswert, ob er nicht das Recht haben sollte, liebevoll ermutigend auf seine schwangere Ehefrau einzuwirken und sich im Nichterfolgsfall von seiner Frau zu trennen (schon allein, um weitere Schwangerschaftsabbrüche zu vermeiden).

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Anton
Vor 1 Monat 1 Woche

Drum prüfe, wer sich ewig bindet!