Die verlorene Ehre des Herrn Jesus C.
Jugendbands mit Schlagzeug und Lautsprechern im Altarraum, Gospelchöre mit Klatschen; Applaudieren während der heiligen Messe; willkürlich weggelassene Kerngebete, Predigten von der Gemeindereferentin statt dem Priester. Ein Wollknäuel, während des Hochamts durch die Bankreihen geworfen, um zu versinnbildlichen, dass der Glaube „uns alle ein Stück weit“ miteinander verbindet. Alles schon selbst erlebt, in Deutschland, in Polen. Lärm und Aktivität da, wo früher Andacht und innere Sammlung Raum hatten.
Solche Wahrnehmungen, wie hier mit wenigen Strichen gezeichnet, machen viele praktizierende Katholiken in der deutschen Amtskirche. Man ist leidgeprüft. Wohl jeder kennt diese Grunderfahrung: Du gehst hin mit freudiger Erwartung, deinem Schöpfer und Heiland zu begegnen, hungerst nach einem deutlichen Wort, das aufrüttelt und klärt – und gehst nach der Stunde wieder weg, enttäuscht.
Gestern so, Sonntagabend, Messe
So auch gestern. Abendmesse am Ort. Etwa sechzig Gläubige füllen den Kirchenraum nicht aus, viel graues Haar, die Jugend fehlt fast völlig. Okay, vielleicht sind viele noch in den Ferien. Den Zelebranten des Abends führt die Netzseite der Pfarrei als „Ansprechpartner für queer-sensible Pastoral“; der Orden, dem der Pater angehört, pfeift in Deutschland auf dem letzten Loch, schlicht kein Nachwuchs. Möglicherweise liegt der Niedergang an einer Pastoral, die nicht mehr sensibel für den Willen Gottes und die kirchliche Überlieferung ist, aber ich will nicht ungerecht sein.
Eine Dame aus der Gemeinde tritt in den Altarraum an den Ambo und trägt die erste Lesung aus dem Alten Testament vor. Ohne erkennbaren Grund fallen vom Proprium dann der Zwischenpsalm und die zweite Lesung weg, und der Mitzelebrant darf schon das Evangelium verkünden. Ärgerlicher Formverlust im Kern der Kirche, der heiligen Messe.
Unterschlagen: Tipps für ein gelingendes Eheleben
Schade auch wegen des Inhalts, den die abendliche Schar nun nicht hören kann, denn Paulus gibt in seinem Brief an die Gemeinde in Ephesus (Kapitel 5) zeitlos gültige Tipps für ein gelingendes Eheleben:
Einer ordne sich dem anderen unter in der gemeinsamen Furcht Christi! Ihr Frauen euren Männern wie dem Herrn; denn der Mann ist das Haupt der Frau, wie auch Christus das Haupt der Kirche ist. (…) Wie aber die Kirche sich Christus unterordnet, so sollen sich auch die Frauen in allem den Männern unterordnen. Ihr Männer, liebt eure Frauen, wie auch Christus die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat (…) Darum sind die Männer verpflichtet, ihre Frauen so zu lieben wie ihren eigenen Leib. (…) die Frau aber ehre ihren Mann. (5,21-33)
Klasse, wie der Völkerapostel hier deutlich macht, dass jede christliche Ehe eigentlich eine Dreiecksbeziehung ist. Du – ich – der liebe Gott! Gemeinsam auf das Allerheiligste zu schauen ist am Ende auch ergiebiger als nur einander in die Augen, gell?
Ob derlei „erzkonservatives Zeug“ der „modernen Stadtgemeinde“ absichtlich nicht mehr zugemutet werden sollte – keine Ahnung. Ich will besser auf eine Schludrigkeit hoffen. Texte über den Themenbereich Männlein und Weiblein gehen bei Corrigenda jedenfalls weg wie geschnitten Brot. Ein riesiger Hunger nach Orientierung! Und die Kirche?
Wenn Solingen überall ist: Dann musst du dich entscheiden
Die Predigt über Johannes 6,60-69 inhaltlich ordentlich – zu Beginn des öffentlichen Wirkens Jesu fällt die Masse der Mitläufer ab, die Zwölf bleiben; über Weggabelungen, dass die Nachfolge Christi Entscheidung fordert, Gott die Freiheit lässt, auch den Götzen dieses Lebens hinterherzulaufen, der Weg der Wahrheit nicht der Weg der Mehrheit ist. Alles gut, alles richtig. Aber der Vortrag kommt doch über den Plauderton nicht hinweg, die Darbietung bleibt konsumierbar, behutsam, wirkt unverbindlich, wo sie doch bis ins Mark erschüttern müsste.
Angesichts von Solingen oder Mannheim oder Bad Oeynhausen oder, oder... denke ich unwillkürlich: Was ist, wenn in nicht ferner Zukunft der Weg zur Sonntagsmesse lebensgefährlich wird, weil arabische Messerstecher Jagd auf uns Christen machen? Im Evangelium steht: „Daraufhin zogen sich viele seiner Jünger zurück und gingen nicht mehr mit ihm umher“, und Jesus wird fragen, dich, mich: „Wollt auch ihr weggehen?“
Eins bin ich sicher: Wenn’s mal hart auf hart kommt, dann gehen die, die wirklich zum Herrn gehören wollen, dahin, wo es verbindlich und selbstbewusst zugeht. In Form und Inhalt.
Ebbe und Flut, und was ist eine Kommunionpatene?
Es geht weiter mit liturgischen Gefälligkeiten. Die Fürbitten, von der Dame von eben vorgelesen, sind nicht zu hören, das Mikrofon will nicht. Ganz ehrlich: ist auch besser so. Nach dem Hochgebet eifriges Händeschütteln mit den Banknachbarn daneben, davor, dahinter; nach dem Amt gehen die Leute, die einem eben wie auf Kommando Frieden gewünscht haben, grußlos weg. Das Vaterunser: runtergebetet in einer Geschwindigkeit, die ein inneres Empfinden der Worte Jesu nicht mehr möglich macht. Die Lieder: Zum Glück bleibt einem heute der Stilblütenexpress „Wenn das Brot, das wir essen, als Rose blüht“ erspart.
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Zur Kommunion schwappt die Gemeinde wie eine Flut nach vorn; vor dem Beichtstuhl hingegen ist immer Ebbe. Austeilen und Empfang der Kommunion mögen subjektiv fromm geschehen, wer wollte da urteilen; der sichtbare Mangel an Ehrfurcht hingegen banalisiert das Allerheiligste, dass es wehtut: Kaum einer kniet nieder, und wohin auch, es blieben nur die nackten Altarstufen, denn die vorhandenen Kniebänke ließen die Gemeindeoberen wegräumen; die Gläubigen empfangen den Leib Christi auf ihre ungewaschenen, vor allem aber ungesalbten Hände, die Partikel der Hostie fallen unbemerkt zu Boden, hier wie meistens in Deutschland sind Patenen außer Gebrauch. Die Leute, von denen manche davonlatschen, als kämen sie vom Bäcker: Ist ihnen bewusst, dass sie für eine Viertelstunde den Herrn Himmels und der Erden in sich tragen?
Woher auch? Fünfzig Jahre Liturgiereform und Selbstsäkularisierung haben ganze Arbeit geleistet.
Zu allem Überfluss: eine Einladung
Und so plätschert alles bis zum Ende. „Bitte setzten Sie sich noch einen Augenblick“, die Vermeldungen. Eine Verwaltungsfachkraft für das Pfarrbüro wird gesucht, eine kunstgeschichtliche Kirchenführung angeboten. Dann lädt der Zelebrant ein zur Interkulturellen Woche ab 1. September, „Treffpunkt um 14 Uhr“ mit einem „interreligiösen Friedensgebet“.
Der Eindruck bestätigt sich abermals, den laxe Form, Plauderton, seichte Lieder, Banalisierung des Allerheiligsten erweckten: dass alles Gesagte und Gepredigte und Gebetete und liturgisch Vollzogene nicht so ernst zu nehmen, nicht so ernst gemeint ist. Die Gemeinde will mitspielen, ihre Honoratioren auf den Straßen und Plätzen gegrüßt werden. Und die Kirche will nicht den Ausschlag geben, sondern sie will ihren Beitrag leisten.
Paulus auf dem Areopag – „dass überall alle umkehren sollen“ –, Petrus vor dem Hohen Rat – „Und in keinem andern ist das Heil“: Wandelten die Heiligen heute unter uns, ihre Reden stünden nicht in der Schrift, sondern im Verfassungsschutzbericht.
Eine Liturgie, die Generationen zum Glauben gebracht hat
„Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen:
Woher kommt mir Hilfe?
Meine Hilfe kommt vom Herrn,
der Himmel und Erde gemacht hat.“
(Ps. 121, 1f.)
Deswegen: Neuevangelisierung des weitgehend entchristlichten Deutschland durch die Feier einer Liturgie, die das Numinose zeigt, statt sich mit der Welt gemein zu machen. Das gelingt am sichersten mit der überlieferten Liturgie, wie sie von der Kirche weltweit über Jahrhunderte fast unverändert zelebriert wurde und Generationen zum Glauben gebracht hat.
Doch nicht nur. So oder so muss man suchen, sich auf den Weg machen, auch weitere Strecken in Kauf nehmen, um einen Kultus zu finden, der den Glauben formt und stützt. Bequemlichkeit und Volkskirche, das war früher. Draußen in der Provinz gibt es so unzählig viele tapfere Gottesmänner, die sich rückhaltlos für Christus verzehren, die treu und eifrig den Glauben leben, die Zeugnis abgeben, das weithin strahlt. Die Exerzitien predigen, dass Stein und Bein zerbricht, die Anbetung halten, bis die Knie schmerzen, die ungeachtet kommender Termine dableiben, bis auch der letzte abgebeichtet hat! Das alles gibt es, da spielt der Ritus eine Nebenrolle.
Der mit Händen zu greifende Niedergang unserer Kultur und unseres deutschen Landes hat seinen tiefsten Grund im Glaubensabfall unseres Volkes. Wer nicht mehr weiß, woran er glaubt, der weiß letzthin auch nicht mehr, weshalb er Kinder bekommen, weshalb er sein Land verteidigen soll. Wer keine eigene Armee im Land hat, hat eine fremde Armee im Land. Und wer nicht den Herrn Jesus zum König macht, der hat einen Usurpator auf dem Thron.
P.S.: Wie Corrigenda vier Wochen danach aus sicherer Quelle erfuhr, ist die zweite Lesung aus dem Epheserbrief absichtlich ausgelassen worden. Aus inhaltlichen Gründen. Auf Geheiß des zelebrierenden Ordensmannes. Leider lag es nicht an Schludrigkeit. Es war Vorsatz.
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Das Herausarbeiten der Banalisierung Gottes und des Heiligen ist sehr gut erfasst. Im Alten Testament git es zahllose Geschichten der Treulosigkeit. Aber auch immer eine Gewissheit: Gott wendet das Blatt zum Guten, wenn die Zeit gekommen ist.
Ich glaube und hoffe, ich bete dafür und vertraue, dass der Ewige eines Tages eingreift, schließlich ist es ja Seine Kirche. Nach Sr.Lucia dos Santos wird die Kirche in Deutschland sehr langsam zum Schafstall Christi zurückkehren. Diese Hoffnung habe ich und es ist nichts verloren.
Das ist der Grund, warum ich jeden Sonntag zum Hochamt 30 km Anfahrt habe. Dort ist die Liturgie feierlich in katholischer Tradition. Unser Pfarrer sieht seinen Beruf tatsächlich als Berufung. Es gibt alles das, was oben im Artikel schmerzlich vermisst wird. Die Kirche ist immer voll und die Gläubigen kommen von überall her und nehmen teilweise lange Anfahrten in Kauf. Danach habe ich lange gesucht und ich bin endlich zuhause. Ein gewaltiges Angebot, ob Beichtangebot vor jeder Messe, Rosenkranzandachten, heilige Messe im alten Ritus, Katechese für alle, erstklassige Musikbegleitung der Messe, Konzerte, Freiwillige schieben jeden Sonntag Altenheimbewohner zur Messe u.v.m. Ach, es gibt auch Kommunionbänke, die einen würdevollen Empfang der heiligen Eucharistie möglich machen.
Mein Dank an unseren Hochwürden und die Gemeinschaft, die das alles möglich macht. Katholisch, allumfassend eben!
Nicht verzagen, es gibt sie noch, lebende, aktive und katholische Gemeinden!
In der Analyse kann ich dem Autor weitgehend zustimmen, bei der Diagnose gehen wir auseinander. Auch der traditionalistische Katholizismus ist mit vielen Problemen behaftet, von denen ein latenter Antisemitismus nur eines ist. Wir brauchen eine Rückbesinnung zu Christus und seiner Botschaft, die auch und besonders in der Liturgie zum Ausdruck kommen muss. Aber dafür muss unser Blick nach vorne bzw. oben gehen, nicht zurück. Mögen wir uns durch die Fürsprache der heiligen Päpste Johannes Paul II. und Benedikt IV. auf den Weg machen!
Immer das Gerede von der "überlieferten Liturgie", als sei damals alles viel frömmer und besser gewesen. Heute ist doch nur offensichtlich, was schon immer war: die wenigsten Menschen glauben ernsthaft, und das war schon immer so. Mein Großvater hat noch zu Zeiten der alten Liturgie gesagt: "Glauben tue ich das nicht, aber ich gehe hin wegen dem Geschäft." Ich will den hier skizzierten Befund nicht bestreiten, im Gegenteil: ich leide auch darunter. Es würde schon reichen, würden die Messen ordentlich nach Messbuch gelesen. Aber eine Vergangenheit beschwören, die es ws. nie gegeben hat, hilft nicht weiter.
"Soviel Schmerz", sagt meine Frau, als ich ihr Ihre letzten Worte vorlas. Schmerzen des Verlustes. Und die Frage, ob das so bleiben wird. Und als letzter Funken eines schweigenden Glaubens die Zuversicht, daß es nicht so bleiben wird.
Danke für den Text, werter Herr Rudolf!
Überall dasselbe Leid, Jammern und Wehklagen. Wo der cultus abflacht, ist die Kultur im Niedergang.
Das Herausarbeiten der Banalisierung Gottes und des Heiligen ist sehr gut erfasst. Im Alten Testament git es zahllose Geschichten der Treulosigkeit. Aber auch immer eine Gewissheit: Gott wendet das Blatt zum Guten, wenn die Zeit gekommen ist.
Herausgeber und Autoren sollten nicht in ihrem eigenen Organ kommentieren.
Geht aber meistens mit einer nötigen „Lektion“ einher, die, um verstanden zu werden, vermutlich nicht schmerzfrei sein wird.