Die Glaubenszerstörer und ihre Dulder
Die Krise des Christentums wurzelt in der modernen Theologie. Sie wirkt wie ein Vorschlaghammer, der den Glauben zerschlägt. Verantwortlich für diesen Zerfall sind die Intellektuellen. G. K. Chesterton, stets eine exzellente Adresse für Analytiker, beschreibt dieses Spannungsfeld treffend: „Was wir die intellektuelle Welt nennen, ist in zwei Arten von Menschen unterteilt – diejenigen, die den Intellekt anbeten, und diejenigen, die ihn nutzen.“
Heute haben wir es mit selbstverliebten „Theolog*innen“ zu tun, die ihre eigenen Ideen für so brillant halten, dass sie bereit sind, die gesamte Tradition des christlichen Glaubens über Bord zu werfen. Wie Narziss, der sich in sein eigenes Spiegelbild verliebte, sind diese Theologen in ihre eigenen Ideen vernarrt. Ein prominentes Beispiel unserer Zeit ist Magnus Striet, der kürzlich im offiziellen Portal der Deutschen Bischofskonferenz erklärte, sich von der „klassischen Lehre von der Erlösung“ verabschiedet zu haben.
Während die Zerstörung mit Begeisterung vorangetrieben wird, schauen die Bischöfe zu.
Grunddogmen leugnen? – Wissenschaftliche Freiheit.
Die Kirche delegitimieren? – Kritik muss möglich sein.
Und so bricht das zweitausendjährige christliche Erbe unter den Füßen der Prälaten zusammen.
Die „moralisierende Grundtendenz“ der modernen Theologie
Die Ursachen der modernen Theologie reichen weit zurück. Historisch gesehen findet man die erste großangelegte Infragestellung des Christentums aus seinem Inneren heraus in der Aufklärung. Der Theologe Ludwig Baur beschreibt dies treffend:
„Die Aufklärung als geschichtliche Erscheinung ist die theoretische und praktische Tendenz, sich von der christlichen Offenbarung und Kirche sowie allem, was damit zusammenhängt, als einer ‘Verfinsterung des Geistes’ zu befreien und nur noch den Glauben an die sola ratio anzuerkennen.“
In Deutschland und England gab es andere Aufklärungstraditionen als in Frankreich. Während in Frankreich die klassischen Aufklärer jede positive Religion ablehnten, versuchten Denker wie John Locke, Gottfried Wilhelm Leibniz und Immanuel Kant in Deutschland und England eine Verbindung von Aufklärung und Christentum zu schaffen. Doch auch diese Synthese ist kritisch zu sehen, da die natürliche Religion der Aufklärung zu einer Erschütterung des Glaubens führte.
Baur resümiert: „Die Aufklärungskritik wandte sich gegen die Lehre von der Inspiration der Bibel, gegen die Lehre von der metaphysischen Gottessohnschaft Jesu, gegen den Erlösungs- und Auferstehungsglauben.“ Stattdessen setzte sich eine „moralisierende Grundtendenz“ durch.
Der Kampf gegen den Modernismus
Im 19. Jahrhundert versuchte die katholische Kirche dieser Entwicklung entgegenzuwirken, indem sie auf die Scholastik des Mittelalters zurückgriff, die in Albertus Magnus und dessen Schüler Thomas von Aquin ihren Höhepunkt erreichte. Mit der Methode der Neuscholastik sollte den Herausforderungen der Aufklärung begegnet werden. Doch Pius X. (1903–1914) erkannte, dass neue glaubensschädliche Lehren in die Theologie eingedrungen waren und veröffentlichte dagegen 1907 die Enzyklika „Pascendi“ gegen den Modernismus. Der Papst selbst definierte Modernismus als „Sammelbecken aller Häresien“.
In Europa gab es damals subversive Theologen, die dem Modernismus zugerechnet werden. In England war es u. a. der Jesuit George Tyrrell (1861–1909), der die Unveränderlichkeit der definierten Glaubenssätze anzweifelte. In Frankreich lehrte der „Mustermodernist“ Albert Loisy, auf den die Enzyklika „Pascendi“ gemünzt war. Der Schweizer Dogmatikprofessor Anton Gisler konstatierte, dass Loisy „die Grunddogmen des Glaubens: die Gottheit Christi, seinen Erlösungstod, seine leibliche Auferstehung, die Gründung der Kirche und die Einsetzung der Sakramente“ leugnete, und dennoch „Christ und römisch-katholisch“ heißen wollte.
Sowohl Tyrrell als auch Loisy wurden exkommuniziert. Loisy wandte sich gegen Ende seines Lebens vom Christentum ab und ganz dem Pantheismus zu. In Deutschland verbreitete sich für modernistisch angehauchte Theologen der Euphemismus „Reformkatholiken“, wozu u. a. Herman Schell (1850–1906) und Joseph Schnitzer (1859–1939) zählen.
Nicht nur heute, auch schon damals war es im Staatsinteresse, dass Theologen möglichst modern ausgebildet werden. In einer Rede im Preußischen Abgeordnetenhaus vom 14. Januar 1914 äußerte sich dazu der preußische Kultusminister August von Trott zu Solz über den Wert der katholischen Fakultäten für den Staat. Er liege darin, dass, „wenn sie auch unsere Universitäten beziehen, dort mit anderen Dingen und mit anderen Menschen in Berührung kommen“. Es liege weiterhin im Staatsinteresse, wenn auch die Theologieprofessoren sich mit den Dozenten anderer Fächer an der Universität austauschen können.
Die erste Modernismuskrise wurde eingedämmt. Aber nach dem Zweiten Weltkrieg entstand eine neue. Aus Frankreich kam die „Nouvelle Théologie“ (Neue Theologie). Zu ihren Vertretern zählen Dominikaner wie Marie-Dominique Chenu und Yves Congar sowie Jesuiten wie Henri de Lubac und Hans Urs von Balthasar. Besonders letzterer übte auch Einfluss auf Johannes Paul II. und Joseph Ratzinger aus. Pius XII. verurteilte diese Bewegung 1950 in seiner Enzyklika „Humani generis“. Der Dominikanerpater Réginald Garrigou-Lagrange, der am Entwurf des päpstlichen Rundschreibens beteiligt war, resümierte: „Sie [die Nouvelle Théologie] kehrt zum Modernismus zurück!“
Die Grundlagen des Glaubens werden zerstört
Mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962–65) wurden die Zügel gelockert. Die einst kritisierten Vertreter der Nouvelle Théologie nahmen aktiv am Konzil teil und prägten dessen Ergebnisse. In Deutschland erlangte ein weiterer moderner Theologe Einfluss: Karl Rahner. Der Jesuit, der neuscholastisch geprägt war, entfernte sich zunehmend davon und wurde zur zentralen Figur der liberalen Theologie. Niemand, der seit den 1960er-Jahren an einer deutschen Universität Theologie studierte, blieb von Rahners Einfluss verschont.
> Abonnieren Sie den Corrigenda-Newsletter und erhalten Sie einmal wöchentlich die relevantesten Recherchen und Meinungsbeiträge.
Damit schließt sich der Kreis zu Magnus Striet und der aktuellen Situation. Striet habilitierte 2001 bei Thomas Pröpper in Münster in Dogmatik, ein Lehrstuhl, den zuvor Rahners Meisterschüler Herbert Vorgrimler innehatte. Pröpper, selbst in der Tradition Rahners stehend, wollte die „anthropologische Wende“ Rahners konsequent zu Ende denken. Die anthropologische Wende vollzieht eine Wende von Gott zum Menschen. Nicht mehr Gott und seine Offenbarung sind der Ausgangspunkt der Theologie, sondern der Mensch und seine Fragen.
Nach dem Theologen Peter Kwasniewski vertrat Rahner eine Theologie, die bei der menschlichen Erfahrung beginnt. Es gehe bei Rahner um das, was er „transzendentale Erfahrung“ nenne. Darum, einem dem Menschen innewohnenden Ruf zur Transzendenz zu folgen und die Einheit mit dem Jenseits zu suchen, die völlig außerhalb und nah zugleich ist. Wenn ein Mensch diesem Ruf folge, sei er bereits erlöst. Damit hätten wir bereits bei Rahner eine neue Erlösungslehre.
Der Kult des Menschen
Ein unter dem Pseudonym Edmund Pevensie schreibender Kirchenmitarbeiter analysiert die „anthropologische Wende“ in Striets Theologie:
„Auch wenn sich bei Striet und den Synodalen im Unterschied zur radikal-atheistischen Selbstermächtigungsposition etwa Foucaults oder Butlers immer noch ein formaler theologischer Restbestand findet, wird das Wort ‘Gott’ doch zu einer Hülle, in der das Herr-Subjekt-Sein des Menschen selber angebetet wird. Gott ist zu einer bloßen Ermöglichungsbedingung menschlicher Selbstherrlichkeit depotenziert, der sodann vor der totalen Autonomie des Menschen respektvollanerkennend zurückweicht und als das schlechthin unerkennbare ‘Ding an sich’ in der Bedeutungslosigkeit versinkt. Eine als Seins- und Wahrheitsgeschehen begriffene göttliche Selbstoffenbarung kann es nicht mehr geben, sie müsste ins Leere laufen. Es gibt ja, wie Striet sagt, nur noch ‘Reflexionszirkel’, also die Bewusstseins-Götter unserer Narrative.“
Striets Theologie ist somit eine Mischung aus Aufklärungsphilosophie, einer eigenwilligen Kant-Interpretation, beinhaltet Elemente von Rahner und formt einen Humanismus, an dessen Ende gleichsam der Mensch selbst angebetet wird. In diesem neuen Glauben existiert die Hölle nur als Ort der „Heteronomie“, der Fremdbestimmung auf Erden. Alle klassischen Begriffe und ihre Inhalte werden neu gefasst. Erlösung wird erreicht durch die Umsetzung des subjektiv-individualistischen Potenzials, mit einem Wort: durch Selbstverwirklichung. Erlösung heißt, man selbst zu werden. Das ist die Vollendung des Humanismus, der Kult des Menschen, dem Gott nur lästig ist. In den Worten Striets: „Dann darf auch nur noch ein Gott akzeptiert werden, der tatsächlich so unbedingt die Würde der menschlichen Freiheit akzeptiert.“
An die Stelle ewiger Wahrheiten und letztgültiger Offenbarungen tritt ein Autonomieanspruch, ein weiterer theologischer Euphemismus, diesmal für Rebellion. Ja, der Mensch selbst mit seinen Bedürfnissen wird zur Offenbarung. Und der Glaube zu einem subjektiven Motivationsprojekt, das sich ständig wandelt, sich in einem ewigen Prozess des Werdens, der Evolution und Innovation befindet. Wie schreibt Pevensie:
„Verlässlich ist hier nur noch, dass nichts mehr verlässlich ist. Würde dieser Ansatz zum kirchlichen Selbstverständnis, und erhebliche Teile der Kirche in der westlichen Hemisphäre drängen dorthin, implodierte der christliche Offenbarungsglaube und ließe der kirchliche Totalbankrott nicht lange auf sich warten.“
Diese neue Theologie zerstört die Grundlagen des Glaubens. Sie interessiert sich nicht mal für sie und tut sie einfach als Mythos ab. Traditionell beruht der Glaube aber auf der Annahme von historischen und von Gott geoffenbarten Wahrheiten. Angenommen werden ein historisches Urelternpaar Adam und Eva, die Erbsünde, die Wahrheit der biblischen Erzählungen, die Erlösung durch Jesu Christi Kreuzestod, seine leibliche Auferstehung sowie die Heilsnotwendigkeit der Taufe und der Kirche.
Man braucht die heiligmachende Gnade, keinen modernen Autonomiebegriff, um gerettet zu werden. Denn wer außerhalb der Gnade stirbt – das ist dogmatisch verbindlich definiert und kann im „Grundriss der Katholischen Dogmatik“ von Ludwig Ott nachgelesen werden –, geht auf ewig verloren: „Die Seelen derer, die im Zustand der persönlichen schweren Sünde sterben, gehen in die Hölle ein.“ Und um einem weiteren theologischen Modernismus entgegenzuwirken: Nein, die Hölle ist nicht leer.
In der modernen Theologie bleibt nur ein Pathos über Freiheit und den Menschen übrig, oft verbunden mit einer Kritik an der angeblichen Rückständigkeit der Kirche. Mit solchen Theologen lässt sich kein Christentum mehr aufbauen – aber ein humanistischer Atheismus.
Der größere Skandal
Der eigentliche Skandal liegt darin, dass die Bischöfe dieses Treiben dulden. Vielleicht liegt es daran, dass sie selbst von Rahner-Schülern „aufgeklärt“ wurden. Vielleicht fürchten sie staatliche Konsequenzen. Anstatt die Zerstörung der Glaubensgrundlagen zu stoppen, lassen sie Theologen wie Striet gewähren. Im „Kampf gegen Rechts“ übersehen sie dabei die fortschreitende Glaubens- und Kirchenzerstörung, schlimmer noch, sie beteiligen sich sogar aktiv an ihr, in der Form des „Synodalen Wegs“.
Am Tag des Gerichts möchte man kein Bischof sein. Und schon gar kein moderner Theologe.
› Kennen Sie schon unseren Corrigenda-Telegram- und WhatsApp-Kanal?
Der größte Skandal ist, dass Leute wie Herr Striet ein Beamtengehalt beziehen.
LDMJF,
Lieber Bruder im Herrn,Herr Jung.
Mit Ihren Beiträgen setzen Sie Maßstäbe im Bereich Journalismus. Die UNBEFLECKTE EMPFÄNGNIS bewahre diese Gnade.
Wie immer Punktlandung!
Sicher auch interessant zu wissen,woher die sogenannten deutschen Bischöfe ihr nicht gerade mickriges Salär beziehen: Vom ....Staat! Ein Schelm wer da Böses denke; wer zahlt schafft an!?
Unser HERR JESUS Christus der Nazarener:
An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen.
Das tun wir!
Nolite timere; FIAT
Gibt es an deutschen Universitäten überhaupt Lehrstuhlinhaber, die die katholische Glaubens- und Morallehre noch ohne Abstriche lehren? Mir ist hier kaum jemand bekannt. Generell müsste man sich fragen, welchen Sinn eine "katholische Theologie" vor diesem Hintergrund noch hat. Wenn die Universitätstheologie nicht dazu beiträgt, den überlieferten Glauben zu vertiefen, wofür ist sie dann da? Stattdessen erleben wir ja eine systematische und professionelle Zerstörung des Glaubensgutes, wie der Artikel aufzeigt. Soweit ich weiß, hat man in den 60er, 70er Jahren das Dasein einer Universitätstheologie infrage gestellt. Das könnte man heute auch tun, wenn auch aus ganz anderen Gründen. Wenn die Theologen der kirchlichen Lehre ganz überwiegend ablehnend gegenüberstehen, könnte man überlegen, Theologie ohne Anbindung an die Kirche als Fach anzubieten, oder das Fach ganz zu streichen. Eine Theologie, die nur noch den Glauben austrocknet und den Menschen den Glauben austreibt, hat jedenfalls in kirchlichem Kontext keinen Sinn. Im Gegenteil: für die Kirche wäre dann eine Abstoßung sogar notwendig, um sich regenerieren zu können. Die kath. Theologie könnte man dann einfach weiter an den Priesterseminaren lehren.
Ich habe öfters bemerkt, wie gerade konservative Theologen versuchen, innerhalb der Universitätstheologie anschlussfähig zu bleiben. So als müssten die häretischen Theologen nur mit vernünftigen Argumenten wieder vom Glauben überzeugt werden. Meine Erfahrung ist aber, dass diese Theologen im Grunde sehr genau wissen, was die Kirche eigentlich lehrt. Sie setzen sich aber bewusst davon ab. Wie im Artikel schon angeklungen tun sie das vor allem dadurch, dass sie klassische Begriffe mit anderen Inhalten füllen. Dadurch entgehen sie dem Vorwurf der Häresie. Meinem Eindruck nach betreiben manche dieses Verwirrspiel wie einen Sport. Den Theologen fehlt es also nicht an Aufklärung oder Wissen, sehr oft wird wohl einfach der "akademische Dünkel" das Problem sein: Man möchte sich gern als Pionier mit neuen Ideen hervortun, statt demütig den Glauben anzunehmen. Natürlich muss jeder Gläubige für sich entscheiden, wie er mit den Zuständen umgeht und wie er sich für die Kirche einbringen möchte. Mir hat es jedenfalls gut getan, mich weitgehend aus den aktuellen theologischen Debatten auszuklinken. Durch "Entakademisierung" normalisiert sich auch der Sprachgebrauch, man lernt wieder, in der Alltagssprache über den Glauben zu sprechen. Aber wie gesagt, das muss jeder selbst wissen, ein Patentrezept gibt es hier nicht.
Verschwörungstheoretischer Schwachsinn. Von de Lubac und Balthasar nix kapiert.
LDMJF,
Sehr geehrter Herr Hartmann,
Ich hoffe mit haben mit "Verschwörungstheoretischer Schwachsinn" nicht den hervorragenden Beitrag von J.Jung gemeint.
Sollte es dennoch so sein lassen Sie sich folgendes unmissverständlich gesagt sein:
Die jüngste Vergangenheit hat gezeigt,daß all diejenigen die von den Ihnen verwendeten, überstrapazierten Begriffen bezichtigt wurden,letztendlich genau die Wahrheit gesagt haben;
Was Sie jedoch selbst betriff so schreiben Sie sich Matthäus 12,37 ins Gebetbuch!
FIAT, Nolite timere.
Hans Urs von Balthasar möchte ich vom Modernismus ausnehmen. Er war ein Kritiker Rahners.
Hans Urs von Balthasar möchte ich vom Modernismus ausnehmen. Er war ein Kritiker Rahners.
Friedhelm Bestek Ein Kritiker Rahners war er, aber auch ein Freund der Nouvelle Théologie.