Warum unsere Koalition bisher nicht geplatzt ist
Meine Frau Judith, das Töchterchen und ich haben vor Jahren eine Koalition geschmiedet. Den Koalitionsvertrag haben wir vom Standesbeamten aufsetzen lassen, anstatt selber herumzufuhrwerken und auf Teufel komm raus noch hier ein Pöstchen und da ein Zückerchen auszuhandeln.
Bei der Postenverteilung haben wir eine klare Gewaltenteilung eingeführt. Generell ist das Töchterchen die Kanzlerin, wir lassen sie jedenfalls in dem Glauben, dass ihr „Ich will jetzt sofort“ zum gewünschten Erfolg führt, auch wenn sie in Wahrheit damit öfter aufläuft. In operativen Situationen wie Anschaffungen für den Haushalt, Bildung und Erziehung sowie Digitalisierung ist Judith Kanzlerin. Mir sind die Ressorts innere und äußere Sicherheit sowie Infrastruktur und Verkehr zugefallen.
Wir haben kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem
Der Laden läuft nicht immer so flott. So hat die Digitalisierungsbeauftrage schlappe sechs Monate gebummelt, um einen neuen Drucker zu kaufen, von dem sie der Meinung war, dass er in unserem zunehmend papierlosen Büro überflüssig sei.
Ich habe dann als Verantwortlicher für Infrastruktur im Rahmen einer Verpflichtungsermächtigung kurzerhand so eine Kiste gekauft und musste mir anhören, dass Tintenstrahlmodelle nun wirklich das Letzte seien. Eine echte Koalitionskrise ist deswegen aber nicht ausgebrochen.
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Von den Haushaltsverhandlungen müssen wir allerdings einräumen, dass sie auch in unserer Koalition zäh sind. Das Töchterchen steht auf Subventionen aller Art. Ich stelle fest, dass die Haushaltsmittel fast alle gebunden sind, und erkläre Judith, dass wir kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem haben. Sie zieht als schwäbische Hausfrau im Prinzip mit mir an einem Strang, der Umstand, dass sie mitunter ganz ungezwungen am Tag anruft und beiläufig fragt, ob der DHL-Bote schon da war, zeigt mir jedoch, dass auch sie manchmal außerplanmäßige Ausgaben ereilen.
Judiths feministische Außenpolitik, für die ich die Männer beschaffen soll
Judith betreibt feministische Außenpolitik und trifft regelmäßig Freundinnen. Wenn ich das zu offensichtlich unterstütze, guckt sie schief und fragt, ob es nicht ein bisschen besser wäre, wenn ich mich nicht dauernd selbst in die Bresche schmisse, sondern mich endlich nach Partnern für die eine oder andere Freundin umschauen könne, wo aktuell Not am Mann ist.
Dass unsere Koalition trotz handfester Differenzen, etwa weil ich jüngst ein von Judith teuer angeschafftes Rindfleisch zur Schuhsohle briet, nicht geplatzt ist, liegt nach meinem persönlichen Dafürhalten daran, dass in uns das Feuer brennt. Überhaupt, dass unsere Koalition wie ein Lagerfeuer ist, an dem wir uns selbst wärmen, aber eben auch jeder willkommen ist, dem vielleicht kalt ist.
Gerade in diesen Novembertagen entwickeln wir eine Glut, die die uns Regierenden da oben niemals aufgebracht haben. Und wir akzeptieren natürlich die uneingeschränkte Richtlinienkompetenz unserer Kanzlerin, die jetzt brüllt, sie wolle aus der Badewanne, weswegen ich diese Gebrauchsanweisungen fürs gute Regieren nicht weiter fortführen kann.
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