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Kolumne „Mild bis rauchig“

Hauptsache gesund!?

Ob im Internet, in Zeitschriften, Funk, Fernsehen oder über Mundpropaganda, sie lassen keine Möglichkeit aus, um ihre Produkte als unverzichtbar anzupreisen: die Anbieter von Nahrungsergänzungsmitteln. Auch diejenigen, die sich eigentlich ganz gesund fühlen, bekommen in den entsprechenden Werbungen den Eindruck, dass ihnen trotz allem etwas Wichtiges fehle. Es könnte ein Mangel herrschen an Vitaminen und Mineralstoffen. Nicht wenige greifen deswegen sicherheitshalber zu allen möglichen Pillen und Pülverchen, um auf der sicheren Seite zu sein. Denn schließlich gilt: „Hauptsache gesund!“

Die Anbieter der Nahrungsergänzungsmittel erklären dabei meist Binsenweisheiten, die dennoch unterschwellig erahnen lassen, dass ohne das Produkt genau diese Weisheiten nicht eintreten. Wir lesen auf den Schachteln: „Vitamin C trägt zur normalen Funktion des Immunsystems bei“ oder „Beta-Glucane helfen zur Aufrechterhaltung eines normalen Cholesterinspiegels im Blut“ oder „Weizenkleie fördert die Beschleunigung der Darmpassage“. Da greift man doch – zumal es nicht viel kostet – vorsichtshalber einmal ins Regal und bedient sich mit dem, was das wohl Wichtigste im Leben zu unterstützen hilft: die Gesundheit.

Nun gibt es aber ohne Frage Lebenslagen, in denen die für uns alle so wichtige Gesundheit nicht funktioniert und wo der übliche Spruch „Hauptsache gesund“ zur Floskel gefriert. Denn im Falle böser Krankheiten – zumal, wenn sie unheilbar scheinen – beginnt man zu ahnen, dass der Spruch Unrecht hat. Denn wenn jemand krank ist, und zwar so krank, dass diese Krankheit so schnell nicht von ihm weicht, dann spürt er, dass es noch andere Hauptsachen geben muss, die wichtiger sind und von denen man sich wünscht, dass sie halten, auch wenn die Gesundheit schwindet. Dann spürt man, wie ungesund der alleinige Blick auf den Erhalt der Gesundheit sein kann.

Die Heiligen haben auch nach Glück und Zufriedenheit gesucht

In diesem Kontext hilft das katholische Herbstfest Allerheiligen den Blick umzulenken. Der Festtag schaut auf Menschen, die es geschafft haben, jenseits des menschlichen Sicherheits- und Gesundheitsbedürfnisses andere Hauptsachen in ihrem Leben zu entdecken, solche, die auch dann halten, wenn Leib und Leben bedroht sind und sogar vernichtet werden. Es sind die Heiligen. Deren besonderes Verdienst ist es, ein Glück gefunden zu haben, das sich jenseits aller Medizingläubigkeit und aller Wohlfühlsucht befindet.

Die Heiligen, die in ihrer Gesamtheit am 1. November gefeiert werden – egal ob mit hohem, niedrigem oder gar keinem Bekanntheitsgrad –, sind Menschen gewesen, die in ihrem Leben zweifelsfrei auch nach Glück und Zufriedenheit gesucht haben, wie jeder Mensch es tut. Allerdings haben sie im Unterschied zu den meisten anderen erkannt, dass es ein Glück gibt, das man nicht durch ein Hauptsache-gesund-Streben erreichen kann und das sogar unter Umständen durch ein allzu ausschließliches und krampfhaftes Hauptsache-gesund-Streben verpasst werden kann.

Die Heiligen sind in ihrem Leben irgendwann einmal so auf Gott gestoßen, dass für sie ganz andere Türen aufgingen als nur die Tür zum Reformhaus, zum Fitnessstudio oder zur Tagesklinik. Sie durften das spüren, was die Bergpredigt sagt: „Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich. Selig die Trauernden; denn sie werden getröstet werden. ... Selig, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihnen gehört das Himmelreich. ... Selig seid ihr, wenn ihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet. Freut euch und jubelt: Euer Lohn im Himmel wird groß sein.“

Sie wurzelten in einer unzerstörbaren Welt

Die Bergpredigt, die von manchem romantikumflort als jesuanische Revolutionshymne empfunden wird, ist in Wahrheit eine herbe Verheißung. Denn hier wird kein Glück versprochen, das sich ergibt, wenn man tunlichst alles Unangenehme, alles Schwere, die Frage nach der Wahrheit, die Traurigkeit der Zeit, die Armut, den Unfrieden oder all die anderen Widrigkeiten der Zeit ausblendet und ersatzweise und bedingungslos die Mühe um den menschlichen Körper an die erste Stelle stellt. Sondern es wird Seligkeit und Glück für den Fall verheißen, dass man es gelernt hat, alles Böse und Unvollkommene, Ungesunde und Gemeine, Ungerechte und Verleumderische, Verletzte und Gebrechliche aus Liebe zu Gott und seinem gekreuzigten Sohn Jesus Christus zu ertragen.

So gehen die Apostel Christi mit dem Evangelium in eine diesem Evangelium gegenüber feindselige Welt. Die frühchristlichen Märtyrer legen sich bis aufs Blut mit der Dekadenz des Imperium Romanum an. Der heilige Franz von Assisi verschenkt sein Hab und Gut an die Armen und wird vom verwöhnten Schnösel zum Bettelmönch. Und der heilige Maximilian Kolbe geht in Auschwitz freiwillig für einen Mitgefangenen in die Todeszelle, obwohl der Kelch beim Abzählen auf dem regnerischen Lagerplatz eigentlich an ihm vorübergegangen war.

Wie geht so etwas? Das geht offensichtlich nur, wenn man seine Wurzeln nicht in der zwecklosen Jagd nach Wohlfühlen und „Hauptsache Gesundsein“ hat, sondern in einer anderen Wirklichkeit: in der unzerstörbaren und erlösten Welt des Himmels.

Der alte Vorwurf an das Christentum

Aha, Vertröstung! Wenn es hier nicht passt, wird man auf den Himmel verwiesen. Dann muss man hier und jetzt auch nicht weiter für das Gesunde, Gute und Friedliche arbeiten ... Der alte Vorwurf an die Religion, dass sie die Sorge um diese Welt unverantwortlich auf Wiedervorlage legt und sich stattdessen mit Utopien befasst, die die Gebrechlichkeiten dieser Welt kompensieren, aber nicht wirklich lösen.

Blödsinn! Kein Heiliger hat geleugnet, dass es eine Sorge um Leidminderung und Weltdienst geben muss. Aber diese Sorge hat bekanntlich ihre Grenzen und lässt den Menschen unter Umständen trostlos zurück, wenn die Mittel nicht ausreichen, hier und jetzt eine immerwährend gesunde, schmerzfreie und nichtalternde Welt zu schaffen.

Und genau da bietet das Allerheiligenfest eine Antwort, die unter Einbeziehung der Sorge um diese Welt genau diese Welt auf Platz zwei und die Hoffnung auf die andere tatsächlich immerwährend gesunde, schmerzfreie und nichtalternde Welt auf Platz eins setzt. Allerheiligen bekundet in denjenigen, die da gefeiert werden, dass es selbstverständlich ein Glück für uns Menschen gibt, das es zu erstreben gilt, dass dieses Glücklichsein aber nichts mit Wohlfühlen und Lebensverlängerung zu tun hat, sondern in seiner Endgültigkeit und Haltbarkeit nur durch ein Leben in der Liebe Gottes und nach Seinen Geboten erreicht werden kann. Dies ist der einzige Weg, der sicher zu einem Glück führt, das nicht vergeht.

Seelische Gesundheit zeichnete die Heiligen aus

Dieses Glück ist kein Produkt dieser Welt. Es kann nicht therapeutisch-psychologisch und auch nicht durch ideologische Systeme erwirtschaftet werden. Es ist grundsätzlich nur zu haben, wenn man die Widrigkeiten dieser Welt mit dem menschgewordenen und leidgeprüften Gott zu ertragen lernt. Dies ist der Kern der Bergpredigt, die uns nicht eine Welt ohne Schatten verspricht, sondern einen Lohn nach dieser Welt der Schatten für alle, die sich für den Weg Gottes entschieden haben.

Insofern hat der Wunsch „Hauptsache gesund!“ in einer gewissen Weise schon seine Berechtigung. Da nämlich, wo er sich auf die Gesundheit der Seele bezieht, auf die Gesundheit des menschlichen Wirklichkeitsbezuges, der auch die Beziehung zu Gott mit einschließt, auf die Gesundheit des Willens, die Welt Gottes in dieser Welt nicht aus den Augen zu verlieren.

Diese seelische Gesundheit ist es, die die Heiligen auszeichnete. Weswegen sie auch alle Verfolgungen, alle Lasten des Alltags, alle Anfeindungen und alle blutigen und unblutigen Folterbänke ertragen konnten, weil sie begriffen hatten, dass nicht die körperliche, sondern die Gesundheit der Seele die Hauptsache ist. Sie stehen in der katholischen Liturgie nicht zufällig am Beginn des Totenmonats November. Denn da, wo viele an die fallenden Blätter in ihrem Leben denken, feiern Katholiken eine Aussicht nach dem Blätterfallen.

Glauben, beten, Gottes Gebote beachten

Die Heiligen geben einem die Hoffnung, dass nur der Weg des Sterbens und des Ertragens die Tür zu derjenigen Welt öffnet, in der es keinen Tod mehr gibt. So wie es die Offenbarung des Hl. Johannes berichtet: „Da fragte mich einer der Ältesten: Wer sind diese, die weiße Gewänder tragen, und woher sind sie gekommen? Ich erwiderte ihm: Mein Herr, das musst du wissen. Und er sagte zu mir: Es sind die, die aus der großen Bedrängnis kommen; sie haben ihre Gewänder gewaschen und im Blut des Lammes weiß gemacht.“

Insofern kann ich als Pfarrer doch ein Nahrungsergänzungsmittel empfehlen, das sich zu erwerben lohnt. Es ist die tägliche Dosis Gebet um die Fürsprache der Heiligen und um Treue und Festigkeit im Glauben und im Leben nach den Geboten Gottes. Im Unterschied zu den Präparaten aus dem Drogeriemarkt hat dieses Mittel zwei entscheidende Vorteile. Erstens: Dieses Mittel kostet nichts. Und zweitens: Mit seiner Hilfe wird man tatsächlich gesund und zwar so gesund, dass man es sogar nach dem Tod noch bleibt.

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Kommentare

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Rupert Binder …
Vor 1 Jahr 1 Monat

Ein ewiges Vergelt‘s Gott, sehr, sehr schön und tief 🙏🙏🙏

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Veritas
Vor 1 Jahr 1 Monat

Danke schön und vergelt's Gott, verehrter Pfarrer Rodheudt, für diese erneut wunderbare Kolumne, die tiefgreifend, aber dennoch stets locker auch die holprigsten Themen auf den Punkt bringt!

0
Rita Massarotti
Vor 1 Jahr 1 Monat

Unser Heil ist der große Schatz der Sakramente der hl. Katholischen Kirche für unsere unsterbliche Seele. Danken wir unendlich unserem lieben Dreifaltigen Gott für seine Präsenz der Gegenwart in den hl. Sakramenten. Gott wird uns immer helfen das Kreuz das er uns schickt zu tragen. Alles hat bei ihm einen Sinn. Im Gebet verbunden! Herzlichen Dank für die wahre Auslegung. Ewiges vergelts Gott! Die hl. Muttergottes Maria möge uns immer an der Hand und unter ihrem Schutzmantel sicher zu Gott in seinen Engeln und Heiligen führen. Amen! Freue mich schon sie einst im Himmel zu sehen! Halleluja! ✨🌞♥️💒🙌🙏

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Friedhelm Bestek
Vor 1 Jahr 1 Monat

Körperkult, Hedonismus, Konsumismus, Diätwahn und Freßsucht setzen nur auf das Tier im Menschen.
Oftmals sind sie ein Aufschrei der sterbenden Seele.

Und das Zeichen eines Endes:
„An den Leib zu denken, die Seele als Akzidens empfinden – das war immer der Anbruch des Endes.“
- Oswald Spengler: 'Jahre der Entscheidung'

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Veritas
Vor 1 Jahr 1 Monat

Danke schön und vergelt's Gott, verehrter Pfarrer Rodheudt, für diese erneut wunderbare Kolumne, die tiefgreifend, aber dennoch stets locker auch die holprigsten Themen auf den Punkt bringt!

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Rita Massarotti
Vor 1 Jahr 1 Monat

Unser Heil ist der große Schatz der Sakramente der hl. Katholischen Kirche für unsere unsterbliche Seele. Danken wir unendlich unserem lieben Dreifaltigen Gott für seine Präsenz der Gegenwart in den hl. Sakramenten. Gott wird uns immer helfen das Kreuz das er uns schickt zu tragen. Alles hat bei ihm einen Sinn. Im Gebet verbunden! Herzlichen Dank für die wahre Auslegung. Ewiges vergelts Gott! Die hl. Muttergottes Maria möge uns immer an der Hand und unter ihrem Schutzmantel sicher zu Gott in seinen Engeln und Heiligen führen. Amen! Freue mich schon sie einst im Himmel zu sehen! Halleluja! ✨🌞♥️💒🙌🙏

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Rupert Binder …
Vor 1 Jahr 1 Monat

Ein ewiges Vergelt‘s Gott, sehr, sehr schön und tief 🙏🙏🙏

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Friedhelm Bestek
Vor 1 Jahr 1 Monat

Körperkult, Hedonismus, Konsumismus, Diätwahn und Freßsucht setzen nur auf das Tier im Menschen.
Oftmals sind sie ein Aufschrei der sterbenden Seele.

Und das Zeichen eines Endes:
„An den Leib zu denken, die Seele als Akzidens empfinden – das war immer der Anbruch des Endes.“
- Oswald Spengler: 'Jahre der Entscheidung'