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Wie den Glauben leben in einer postchristlichen Welt?

Wege des Widerstands

Wie können Christen den Gefahren einer postmodernen Welt trotzen? Christliche Denker wie der russische Dissident Alexander Solschenizyn oder der amerikanische Schriftsteller und orthodoxe Christ Rod Dreher geben Antworten. Sie machen in der heutigen westlichen Gesellschaft eine neue Form der Unterdrückung aus, die zwar subtiler als der Sozialismus des 20. Jahrhunderts erscheint, aber dennoch eine tiefgreifende Bedrohung für traditionelle christliche Werte darstellt. Dieser neue Totalitarismus beruht nicht auf offener Gewalt, sondern auf metapolitischer Gleichschaltung und sozialem Druck.

Wie können sich Christen diesem Wandel wirksam widersetzen?

Christen, die in ihrem Glauben standhaft bleiben möchten, sehen sich zunehmend einem weichen Totalitarismus gegenüber. Die Parallelen zwischen der Unterdrückung christlicher Dissidenten im sozialistischen Block des 20. Jahrhunderts und den kulturellen Zwängen heutiger vermeintlich liberaler Demokratien sind unübersehbar.

Kleine Gemeinschaften, traditionelle Familien und die Religion selbst sind die wichtigsten Stützen des christlichen Durchhaltevermögens. Hier zeigt sich eine Überlappung mit Konzepten wie der „inneren Sezession“, die von Autoren wie David Engels vertreten werden, mit einem einzigartigen Fokus auf das Überleben christlicher Lehre.

Hannah Arendt auf dem Internationalen Kulturkritikerkongress 1958 in München

Hannah Arendt definiert Totalitarismus als Lügengebäude und totale Kontrolle über die Gesellschaft. Dabei unterscheidet sich der heutige weiche Totalitarismus vom offenen Terror des sowjetischen Sozialismus oder Nationalsozialismus zwar, doch es gibt drei gemeinsame und zentrale Merkmale:

  • Zwang – während der Gulag Millionen verschlang und unzählige Menschen ohne Wiederkehr versklavt und ermordet wurden, sind heutige Repressionen subtiler. Zwar führen Maßnahmen wie „Debanking“ Andersdenkender oder soziale Ächtung nicht zu physischer Vernichtung, doch sie können existenzielle Bedrohungen für Betroffene darstellen, indem sie wirtschaftliche und gesellschaftliche Isolation bewirken.
  • Kontrolle über die Realität – anstelle einer einzigen Ideologie, wie in totalitären Regimen, herrscht heute eine Vielzahl an Narrativen vor. Dennoch existiert ein erheblicher Druck zur Selbstzensur.
  • Menschliche Hybris – die Ablehnung von Demut und des göttlichen Ebenbildes des Menschen zugunsten einer technokratischen, hyperindividualistischen Ideologie.

Dieser weiche Totalitarismus ist besonders heimtückisch, weil er in der Sprache von Freiheit und Komfort daherkommt, während er tiefgreifende Zerstörung anrichtet.

Der postchristliche Westen erliegt einer neuen totalitären Ideologie, die sowohl im Marxismus als auch im degenerierten Liberalismus wurzelt. Mehrere Aspekte dieser Ideologie sind hervorzuheben.

Kulturmarxismus

Der Wokeismus überträgt den marxistischen Klassenkampf auf kulturelle Identitäten. Vermeintlich „unterdrückte“ Gruppen wie Asylforderer und Transaktivisten werden gegen die vermeintliche Unterdrückerklasse der „alten weißen Männer“ aufgebracht. Geprägt von der Frankfurter Schule und dem französischen Poststrukturalismus, leugnet diese Ideologie objektive Wahrheit, konzentriert sich ausschließlich auf Machtverhältnisse und versucht, Geschichte und Sprache umzugestalten.

Degenerierter Liberalismus

Der neue weiche Totalitarismus fordert die vollständige Entbindung des Menschen von allen kulturellen und kollektiven Identitäten. Familie, Nation, Geschichte und Religion werden zugunsten einer entmenschlichenden Individualisierung aufgelöst. Doch anstatt den Einzelnen zu stärken, hinterlässt diese vermeintliche „Befreiung“ ihn als leere Hülle, die unfähig ist, Halt, Identität und Sinn zu finden.

Darüber hinaus führt die postmoderne Beseitigung sowohl der übergeordneten moralischen Orientierung als auch der zwischengelagerten traditionellen Identitäten dazu, dass der Staat, Großkonzerne und die etablierten Medien die einzigen Autoritäten bleiben, die eifrig die geistige Leere des Menschen mit ihrer materialistischen, konsumgetriebenen und unterwürfigen Ideologie füllen.

Die woke Religion

Am fatalsten ist der Ersatz religiöser Spiritualität durch diesen entarteten hedonistischen Liberalismus. Der „Tod Gottes“ im Westen, wie ihn Friedrich Nietzsche beschrieb, hat eine materialistische Zivilisation hervorgebracht, die sich der Entbindung des Individuums zur vermeintlichen Selbstverwirklichung verschrieben hat, während sie zugleich die wachsenden Unsicherheiten des entfremdeten Menschen auszunutzen versucht.

Der frühere „religiöse Mensch“, der sein Leben an transzendenten Prinzipien ausrichtete und sein Dasein in den Dienst gemeinschaftlicher Zwecke stellte, ist dem „psychologischen Menschen“ gewichen. Dieser glaubt nicht mehr an eine höhere, ordnende Macht und betrachtet das Leben lediglich als eine experimentelle Suche nach seinem eigenen, rein subjektiven Sinn.

Rod Dreher

Rod Dreher beschreibt diese Situation des postmodernen Westens in seinem Buch „Lebt nicht mit der Lüge“ (2023) mit bemerkenswerter Prägnanz:

„Der postmoderne Mensch versteht sich nicht mehr als Pilger auf einer sinnvollen Reise mit anderen, sondern als Tourist, der das Leben nach seinem selbst entworfenen Reiseplan durchläuft, wobei persönliches Glück sein einziges Ziel ist.“

Dieses spirituelle Vakuum ist kein Mangel an Glauben, sondern eine Ersetzung der transzendenten christlichen Lehre durch die falschen Götter von Wissenschaft, Vergnügen und Fortschritt. Viele auf der politischen Rechten – Konservative, Traditionalisten und besonders Vertreter der katholischen Kirche – haben immer noch nicht erkannt, dass dieser liberale Wokeismus keine neue politische Theorie ist, sondern eine rivalisierende Religion mit eigenen fanatischen Anhängern: Klimaklebern, Feministen, Gender-Aktivisten, Kinderhassern, Impffanatikern, Tech-Gläubigen und Globalisten.

Wachsames wokes Kapital

Es stimmt, dass der linksliberale Fortschrittsglaube auf dem linearen Geschichtsverständnis der jüdisch-christlichen Tradition basiert, im Gegensatz zum früheren, paganen zirkulären Modell. Doch die neue Ersatzreligion hat die christliche Vorstellung von der Vollendung der Geschichte – der Rückkehr des Messias und der Erlösung des Menschen durch Gott – durch die falsche Anbetung der Menschheit als Sich-selbst-Erlöser ersetzt.

Tragischerweise haben selbst weite Teile der christlichen Kirchen diesem „therapeutischen“ Lebensstil nachgegeben, ihre Berufung zum Leiden für die Wahrheit zugunsten von Komfort und Kompromissen aufgegeben.

Ein zentrales Element des weichen Totalitarismus war lange Zeit das „woke Kapital“. Big Tech, Big Media und Big Government bildeten ein Kontrollnetzwerk, das digitale Überwachung und Konsumismus nutzte, um Konformität zu erzwingen. Seit der Wiederwahl von Donald Trump zum US-Präsidenten hat sich dieses Kapital als zumindest opportunistisch herausgestellt. Denn trotz der angekündigten Haltungsänderung vieler Konglomerate wie Meta, BlackRock und Disney zu Beginn seiner zweiten Amtszeit gibt es nach wie vor zahlreiche Großkonzerne, die sich noch nicht klar dazu bekannt haben, ihren gesellschaftspolitischen Aktivismus zu zähmen. Zudem müssen die prominenten Versprechungen, die von diesen Unternehmen gemacht wurden, nun auch durch konkrete Taten unterstrichen werden. Wir werden erst sehen, ob sie tatsächlich folgen.

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Aldous Huxley beschreibt in „Schöne neue Welt“ (1932) eine Gesellschaft, in der Menschen bereitwillig ihre Freiheit gegen Komfort und Vergnügen eintauschen. Und auch heute stehen wir immer noch mit einem Bein in einer Zukunft, in der soziale Medien in soziale Kreditsysteme übergehen und echte politische Freiheiten durch oberflächliche Wahlmöglichkeiten ersetzt werden – etwa der Möglichkeit, den Geschlechtseintrag zu ändern. Denn die Gefahr bleibt, dass im Falle einer künftigen Abwahl des Trump-Lagers diese Unternehmen wieder in ihr vorheriges, totalitär-wokes Verhalten zurückfallen.

Ein Leitfaden zum Widerstand

Christen müssen sich diesem weichen Totalitarismus entgegenstellen. Drei wesentliche Ansätze sind entscheidend: Erstens die Bedeutung der Pflege historischer Erinnerung und der Bildung lokaler Gruppen wie Lesekreisen und Clubs, um traditionelle Werte zu bewahren. Zweitens die Gründung traditioneller Familien als Zufluchtsorte für Privatsphäre, Geborgenheit und Identität. Schließlich ist der christliche Glaube, der auf Selbstbeherrschung und Opferbereitschaft beruht, entscheidend für den Widerstand. Der evangeliumsgemäße Glaube schützt vor einem verwässerten Wohlfühl-Christentum.

Christliche Freiheit

Die Antwort auf das Lügengebäude des neuen therapeutischen Totalitarismus besteht darin, der Wahrheit treu zu bleiben. Diese besagt: Wahre Freiheit ist die Freiheit, Leid zu wählen. Wie John der Wilde in „Schöne neue Welt feststellt, bedeutet Freiheit Verantwortung, Anstrengung, Selbstverbesserung und Opfer.

Diese Erkenntnis prägt auch den rechtskonservativen Liberalismus von Jörg Haider, Frank S. Meyer, Murray Rothbard und Friedrich A. Hayek. Nicht der Mensch, der in seiner Hybris zum allmächtigen und unsterblichen Gott werden will ist das Vorbild, sondern Gott, der freiwillig zum bescheidenen Menschen wird, leidet und am Kreuz stirbt, um die Welt zu erlösen.

Nur durch diesen unerschütterlichen Glauben können Christen ihre moralische Integrität bewahren und sich gegen totalitäre Ideologien behaupten. In einer Zeit, in der westliche Länder wie Deutschland, das Vereinigte Königreich und Teile der USA die Selbstaufgabe predigen und den falschen Götzen des Komforts anbeten, ist es die christliche Wahrheit, die Halt gibt und zum Widerstand verpflichtet. Denn wahre Freiheit ist nicht das Fehlen von Zwängen, sondern die bewusste Entscheidung für das Gute – auch wenn sie Opfer erfordert.

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