Wege des Widerstands

Wie können Christen den Gefahren einer postmodernen Welt trotzen? Christliche Denker wie der russische Dissident Alexander Solschenizyn oder der amerikanische Schriftsteller und orthodoxe Christ Rod Dreher geben Antworten. Sie machen in der heutigen westlichen Gesellschaft eine neue Form der Unterdrückung aus, die zwar subtiler als der Sozialismus des 20. Jahrhunderts erscheint, aber dennoch eine tiefgreifende Bedrohung für traditionelle christliche Werte darstellt. Dieser neue Totalitarismus beruht nicht auf offener Gewalt, sondern auf metapolitischer Gleichschaltung und sozialem Druck.
Wie können sich Christen diesem Wandel wirksam widersetzen?
Christen, die in ihrem Glauben standhaft bleiben möchten, sehen sich zunehmend einem weichen Totalitarismus gegenüber. Die Parallelen zwischen der Unterdrückung christlicher Dissidenten im sozialistischen Block des 20. Jahrhunderts und den kulturellen Zwängen heutiger vermeintlich liberaler Demokratien sind unübersehbar.
Kleine Gemeinschaften, traditionelle Familien und die Religion selbst sind die wichtigsten Stützen des christlichen Durchhaltevermögens. Hier zeigt sich eine Überlappung mit Konzepten wie der „inneren Sezession“, die von Autoren wie David Engels vertreten werden, mit einem einzigartigen Fokus auf das Überleben christlicher Lehre.

Hannah Arendt definiert Totalitarismus als Lügengebäude und totale Kontrolle über die Gesellschaft. Dabei unterscheidet sich der heutige weiche Totalitarismus vom offenen Terror des sowjetischen Sozialismus oder Nationalsozialismus zwar, doch es gibt drei gemeinsame und zentrale Merkmale:
- Zwang – während der Gulag Millionen verschlang und unzählige Menschen ohne Wiederkehr versklavt und ermordet wurden, sind heutige Repressionen subtiler. Zwar führen Maßnahmen wie „Debanking“ Andersdenkender oder soziale Ächtung nicht zu physischer Vernichtung, doch sie können existenzielle Bedrohungen für Betroffene darstellen, indem sie wirtschaftliche und gesellschaftliche Isolation bewirken.
- Kontrolle über die Realität – anstelle einer einzigen Ideologie, wie in totalitären Regimen, herrscht heute eine Vielzahl an Narrativen vor. Dennoch existiert ein erheblicher Druck zur Selbstzensur.
- Menschliche Hybris – die Ablehnung von Demut und des göttlichen Ebenbildes des Menschen zugunsten einer technokratischen, hyperindividualistischen Ideologie.
Dieser weiche Totalitarismus ist besonders heimtückisch, weil er in der Sprache von Freiheit und Komfort daherkommt, während er tiefgreifende Zerstörung anrichtet.
Der postchristliche Westen erliegt einer neuen totalitären Ideologie, die sowohl im Marxismus als auch im degenerierten Liberalismus wurzelt. Mehrere Aspekte dieser Ideologie sind hervorzuheben.
Kulturmarxismus
Der Wokeismus überträgt den marxistischen Klassenkampf auf kulturelle Identitäten. Vermeintlich „unterdrückte“ Gruppen wie Asylforderer und Transaktivisten werden gegen die vermeintliche Unterdrückerklasse der „alten weißen Männer“ aufgebracht. Geprägt von der Frankfurter Schule und dem französischen Poststrukturalismus, leugnet diese Ideologie objektive Wahrheit, konzentriert sich ausschließlich auf Machtverhältnisse und versucht, Geschichte und Sprache umzugestalten.
Degenerierter Liberalismus
Der neue weiche Totalitarismus fordert die vollständige Entbindung des Menschen von allen kulturellen und kollektiven Identitäten. Familie, Nation, Geschichte und Religion werden zugunsten einer entmenschlichenden Individualisierung aufgelöst. Doch anstatt den Einzelnen zu stärken, hinterlässt diese vermeintliche „Befreiung“ ihn als leere Hülle, die unfähig ist, Halt, Identität und Sinn zu finden.
Darüber hinaus führt die postmoderne Beseitigung sowohl der übergeordneten moralischen Orientierung als auch der zwischengelagerten traditionellen Identitäten dazu, dass der Staat, Großkonzerne und die etablierten Medien die einzigen Autoritäten bleiben, die eifrig die geistige Leere des Menschen mit ihrer materialistischen, konsumgetriebenen und unterwürfigen Ideologie füllen.
Die woke Religion
Am fatalsten ist der Ersatz religiöser Spiritualität durch diesen entarteten hedonistischen Liberalismus. Der „Tod Gottes“ im Westen, wie ihn Friedrich Nietzsche beschrieb, hat eine materialistische Zivilisation hervorgebracht, die sich der Entbindung des Individuums zur vermeintlichen Selbstverwirklichung verschrieben hat, während sie zugleich die wachsenden Unsicherheiten des entfremdeten Menschen auszunutzen versucht.
Der frühere „religiöse Mensch“, der sein Leben an transzendenten Prinzipien ausrichtete und sein Dasein in den Dienst gemeinschaftlicher Zwecke stellte, ist dem „psychologischen Menschen“ gewichen. Dieser glaubt nicht mehr an eine höhere, ordnende Macht und betrachtet das Leben lediglich als eine experimentelle Suche nach seinem eigenen, rein subjektiven Sinn.

Rod Dreher beschreibt diese Situation des postmodernen Westens in seinem Buch „Lebt nicht mit der Lüge“ (2023) mit bemerkenswerter Prägnanz:
„Der postmoderne Mensch versteht sich nicht mehr als Pilger auf einer sinnvollen Reise mit anderen, sondern als Tourist, der das Leben nach seinem selbst entworfenen Reiseplan durchläuft, wobei persönliches Glück sein einziges Ziel ist.“
Dieses spirituelle Vakuum ist kein Mangel an Glauben, sondern eine Ersetzung der transzendenten christlichen Lehre durch die falschen Götter von Wissenschaft, Vergnügen und Fortschritt. Viele auf der politischen Rechten – Konservative, Traditionalisten und besonders Vertreter der katholischen Kirche – haben immer noch nicht erkannt, dass dieser liberale Wokeismus keine neue politische Theorie ist, sondern eine rivalisierende Religion mit eigenen fanatischen Anhängern: Klimaklebern, Feministen, Gender-Aktivisten, Kinderhassern, Impffanatikern, Tech-Gläubigen und Globalisten.
Wachsames wokes Kapital
Es stimmt, dass der linksliberale Fortschrittsglaube auf dem linearen Geschichtsverständnis der jüdisch-christlichen Tradition basiert, im Gegensatz zum früheren, paganen zirkulären Modell. Doch die neue Ersatzreligion hat die christliche Vorstellung von der Vollendung der Geschichte – der Rückkehr des Messias und der Erlösung des Menschen durch Gott – durch die falsche Anbetung der Menschheit als Sich-selbst-Erlöser ersetzt.
Tragischerweise haben selbst weite Teile der christlichen Kirchen diesem „therapeutischen“ Lebensstil nachgegeben, ihre Berufung zum Leiden für die Wahrheit zugunsten von Komfort und Kompromissen aufgegeben.
Ein zentrales Element des weichen Totalitarismus war lange Zeit das „woke Kapital“. Big Tech, Big Media und Big Government bildeten ein Kontrollnetzwerk, das digitale Überwachung und Konsumismus nutzte, um Konformität zu erzwingen. Seit der Wiederwahl von Donald Trump zum US-Präsidenten hat sich dieses Kapital als zumindest opportunistisch herausgestellt. Denn trotz der angekündigten Haltungsänderung vieler Konglomerate wie Meta, BlackRock und Disney zu Beginn seiner zweiten Amtszeit gibt es nach wie vor zahlreiche Großkonzerne, die sich noch nicht klar dazu bekannt haben, ihren gesellschaftspolitischen Aktivismus zu zähmen. Zudem müssen die prominenten Versprechungen, die von diesen Unternehmen gemacht wurden, nun auch durch konkrete Taten unterstrichen werden. Wir werden erst sehen, ob sie tatsächlich folgen.
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Aldous Huxley beschreibt in „Schöne neue Welt“ (1932) eine Gesellschaft, in der Menschen bereitwillig ihre Freiheit gegen Komfort und Vergnügen eintauschen. Und auch heute stehen wir immer noch mit einem Bein in einer Zukunft, in der soziale Medien in soziale Kreditsysteme übergehen und echte politische Freiheiten durch oberflächliche Wahlmöglichkeiten ersetzt werden – etwa der Möglichkeit, den Geschlechtseintrag zu ändern. Denn die Gefahr bleibt, dass im Falle einer künftigen Abwahl des Trump-Lagers diese Unternehmen wieder in ihr vorheriges, totalitär-wokes Verhalten zurückfallen.
Ein Leitfaden zum Widerstand
Christen müssen sich diesem weichen Totalitarismus entgegenstellen. Drei wesentliche Ansätze sind entscheidend: Erstens die Bedeutung der Pflege historischer Erinnerung und der Bildung lokaler Gruppen wie Lesekreisen und Clubs, um traditionelle Werte zu bewahren. Zweitens die Gründung traditioneller Familien als Zufluchtsorte für Privatsphäre, Geborgenheit und Identität. Schließlich ist der christliche Glaube, der auf Selbstbeherrschung und Opferbereitschaft beruht, entscheidend für den Widerstand. Der evangeliumsgemäße Glaube schützt vor einem verwässerten Wohlfühl-Christentum.
Christliche Freiheit
Die Antwort auf das Lügengebäude des neuen therapeutischen Totalitarismus besteht darin, der Wahrheit treu zu bleiben. Diese besagt: Wahre Freiheit ist die Freiheit, Leid zu wählen. Wie John der Wilde in „Schöne neue Welt“ feststellt, bedeutet Freiheit Verantwortung, Anstrengung, Selbstverbesserung und Opfer.
Diese Erkenntnis prägt auch den rechtskonservativen Liberalismus von Jörg Haider, Frank S. Meyer, Murray Rothbard und Friedrich A. Hayek. Nicht der Mensch, der in seiner Hybris zum allmächtigen und unsterblichen Gott werden will ist das Vorbild, sondern Gott, der freiwillig zum bescheidenen Menschen wird, leidet und am Kreuz stirbt, um die Welt zu erlösen.
Nur durch diesen unerschütterlichen Glauben können Christen ihre moralische Integrität bewahren und sich gegen totalitäre Ideologien behaupten. In einer Zeit, in der westliche Länder wie Deutschland, das Vereinigte Königreich und Teile der USA die Selbstaufgabe predigen und den falschen Götzen des Komforts anbeten, ist es die christliche Wahrheit, die Halt gibt und zum Widerstand verpflichtet. Denn wahre Freiheit ist nicht das Fehlen von Zwängen, sondern die bewusste Entscheidung für das Gute – auch wenn sie Opfer erfordert.
Kommentare
Nur in Teilen kann ich zustimmen, und zwar darin, dass Menschen sich immer wieder Ersatzreligionen suchen 'müssen'.
Aber im Kern leben und lehren vor allem unsere beiden 'großen' Kirchen keinen lebendigen Glauben!
Diesen Glauben, der klar bekennt, Jesus Christus ist als Sohn Gottes unser einziger Erlöser, nur er ist als Retter zu uns auf die Welt gekommen und nur er kann wirklich retten.
Diesen Glauben, der nichts verschleiert und nur die Bibel als Gottes Wort und einziges Fundament anerkennt und der vor allen Dingen nicht verheimlicht, dass nur eine ganz persönliche Beziehung zu Jesus uns retten kann und er als der Mittelpunkt in jedem Leben unabdingbar ist.
Das ist radikal!
Eine 'Kindertaufe' und eine Kirchenmitgliedschaft machen eine verlorene Seele nicht lebendig. Aber das wird fatalerweise behauptet. Auch 'gute Werke' retten niemanden.
Die Bibel ist sehr klar und eindeutig.
Da gibt es eine völlig überfrachtete und im Wesentlichen auf Traditionen pochende Kirche, die im Kern leblos und leer ist, tatsächlich sogar tot und natürlich komplett unattraktiv ist.
Von außen betrachtet macht sie niemanden neugierig oder 'Lust', sich auf die bis in die Ewigkeit lebensverändernde Suche nach dem echten und innigem Leben mit Gott zu machen.
Dass sie den Menschen den Weg zu Gott niemals wirklich gezeigt hat, die Menschen sogar belügt oder abschreckt, dafür werden sich die 'Kirchen' dereinst vor Gott als ihrem Richter verantworten müssen.
Das ist wirklich furchterregend.
Es braucht eine echte Erweckung durch Gott.
Die Christen fordern etwas, was Sie nie bereit waren zu geben, als sie selbst die Gesellschaft dominiert haben.
Diese Art von Freiheit wurde z. B. von Päpsten immer verurteilt, zum Beispiel Gregor XVI. in seiner Enzyklika „Mirari Vos“ die Pressefreiheit sei ein Wahnsinn schrieb jene Freiheit, auf die sich Christen heute berufen wurde vom Pius IX., im Syllabus ausdrücklich verurteilt.
Zu sagen „ja aber heute vertritt die katholische Kirche das nicht mehr“ ist unredlich, da die Kirche sich nie davon distanziert hat, dasselbe gilt im übrigen auch für ihre Verurteilung der Menschenrechte oder ihre antijüdischen Positionen.
Sie vertraut darauf, dass die Menschen „vergessen“ was sie einmal gelehrt hat, da sind die Zeugen Jehovas ehrlicher, die kennen eine Veränderung ihrer Lehrinhalte und sagen, dass auch.
@Thomas Kovacs "dass auch" was? 🙃
Was ich mich frage: Müssen sich zirkuläres und lineares Geschichtsverständnis tatsächlich ausschließen? Wäre es nicht möglich, dass die Geschichte sich sozusagen in Kreisbewegungen auf ein Ziel zubewegt? Es ist ja nicht zu leugnen, dass bestimmte Figuren in der Geschichte immer wieder auftauchen. Die Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich, wie jemand einmal gesagt hat. Schon Platon schildert in der Politeia den Aufstieg und den Niedergang von Staaten, auch, was die einzelnen Staatsformen ausmacht. Die Beschreibung, die Platon zB von der Demokratie gibt, ähnelt der heutigen in vielen Punkten frappierend. Wenn man unter linearem Geschichtsbild Fortschrittsglaube versteht, so bin ich der Meinung, dass wir dieses Geschichtsbild nicht mit den Linksliberalen teilen. Der Mensch an sich wird nicht besser durch die Zeit. Das könnte er nur werden durch geistig-moralischen Fortschritt, welcher wiederum den Glauben notwendig zur Grundlage hat. Ein zirkulär geprägtes Geschichtsbild kann auch Hoffnung geben: Nach dem Niedergang kommt wieder eine neue Zeit, die man vielleicht sogar selbst erleben darf.
Die Wahrheit, eine ziemlich relative Größe, sogar in den Naturwissenschaften wurde eben nicht von irgendeinem Gott in den Fels gehauen. Es waren Menschen, wie Du und ich.
Die Wahrheit gilt eben bis zum Beweis, zum Beleg des Gegenteils und ist damit ein Kind ihrer Zeit. Sich im Besitz der Wahrheit zu befinden, kann eine sehr lukrative Veranstaltung sein, wie die christlichen Kirchen über die Jahrhunderte bewiesen haben.
Freiheit muss immer in Verbindung mit Verantwortung gehen. Dazu gibt es einen gesellschaftlichen Vertrag.
@Erich Heidkamp Bzgl. objektiver Größe empfehle ich diesen heute erschienenen Beitrag von Josef Jung: https://www.corrigenda.online/kultur/subjektivismus-warum-der-mensch-heute-glaubt-gut-und-boese-selbst-bestimmen-zu-koennen