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Sachverständige für Anhörung im Rechtsausschuss

Elf Ratgeber zu Leben und Tod

Am Montag bricht die letzte reguläre und verkürzte Sitzungswoche des Bundestags in dieser Legislaturperiode an, bevor am 23. Februar neu gewählt wird. Und selten gab es eine so dichte Konzentration auf so wenig Raum von Stellungnahmen von Experten und Interessenvertretern, die die gesetzlichen und strafrechtlichen Bestimmungen zum Schwangerschaftsabbruch betreffen: Am 10. Februar um 17 Uhr kommen auf Einladung der Bundestagsfraktionen elf Sachverständige im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus im Berliner Regierungsviertel zusammen, um über den „Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs(Bundestagsdrucksache 20/13775) zu sprechen.

Hinter dem nüchternen Namen verbirgt sich nichts weiter als ein scharfer Paradigmenwechsel in der bundesdeutschen Abtreibungsregulierung. Die Beendigung des ungeborenen Lebens soll nach den Plänen der sozialdemokratischen und grünen Initiatoren bis zur zwölften Schwangerschaftswoche legalisiert, die Beratungspflicht aufgehoben und „Nötigung“ zum Austragen der Schwangerschaft unter Strafe gestellt werden.

Inhaltsverzeichnis

Zu der Anhörung im Bundestag kommt es jetzt, weil die Mitglieder des Rechtsausschusses sich auf eine solche geeinigt hatten – Mitte Dezember 2024 in einer hitzigen und stundenlangen Diskussion hinter verschlossenen Türen (Corrigenda berichtete exklusiv).

Die Sachverständigen der öffentlichen Anhörung wurden auf Vorschläge der fünf Bundestagsfraktionen bestellt. Wir führen sie hier auf geordnet nach den einladenden Fraktionen: der die Minderheitsregierung tragenden Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen, sodann nach Größe der übrigen Fraktionen im Bundestag: der Union, der AfD sowie als kleinste der FDP.

Alicia Baier

Die Gynäkologin Alicia Baier, eingeladen auf Vorschlag der SPD-Bundestagsfraktion, ist Vorsitzende von „Doctors for Choice Germany“. Der Verein mit Sitz in Berlin setzt sich aktivistisch und dem Selbstverständnis nach feministisch für die „Entkriminalisierung“ des Schwangerschaftsabbruchs ein und will dem ungeborenen Menschen jeglichen Schutz durch die Rechtsordnung entziehen:

„Der Schwangerschaftsabbruch darf kein Strafbestand sein, sondern er muss eine öffentliche Gesundheitsleistung werden.“

Ehrenmitglied des 2019 von Baier mitgegründeten Vereins ist die Ärztin Kristina Hänel, die auf der Homepage ihrer Gießener Praxis damals verbotenerweise darüber informiert hatte, wie sie Schwangerschaftsabbrüche vornimmt und dafür verurteilt wurde. Gynäkologin Alicia Baier ging nach dem Studium für ein halbes Jahr in Hänels Praxis, um das Abtreiben zu erlernen.

Alicia Baier 2022 bei Markus Lanz
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Sie bekundet auch heute offensiv, dass sie bewusst in einer Berliner Klinik arbeite, die auch Schwangerschaftsabbrüche vornimmt: „Kleine Operationen machen mir viel Spaß, daher kann ich mir ambulantes Arbeiten gut vorstellen.“ Bereits während ihres Medizinstudiums gründete sie 2015 die „Medical Students for Choice“ und organisierte erste „Papaya-Workshops“, in denen Medizinstudenten die Abtreibung mittels Absaugmethode üben können.

Zu den gesetzgeberischen Zielen der „Doctors for Choice“ zählen 

  • die Abschaffung der verpflichtenden Beratung wie der Bedenkzeit vor der Abtreibung der Leibesfrucht, 
  • die volle Kostenübernahme des Tötungsvorgangs durch die gesetzlichen Krankenkassen sowie 
  • die Zwangsverpflichtung von Ärzten, Krankenschwestern, Krankenpflegern usw., an Abtreibungen mitzuwirken – auch gegen ihr Gewissen: „Wir fordern die Streichung des Paragrafen 12 Schwangerschaftskonfliktgesetz.“ Paragraf 12 bestimmt: „Niemand ist verpflichtet, an einem Schwangerschaftsabbruch mitzuwirken.“
  • Zudem soll der ortsunabhängige Schwangerschaftsabbruch durch Ermöglichen eines „telemedizinisch begleiteten medikamentösen Schwangerschaftsabbruchs (…) in Deutschland gefördert werden“.

In einem Podcast der Welt über Abtreibung von November 2024 verstieg sich Frauenärztin Baier zu der Aussage: „Wichtig ist aber zu sagen: Zu jedem Zeitpunkt in der Schwangerschaft ist der Schwangerschaftsabbruch sicherer als die Fortführung der Schwangerschaft.“

Beate von Miquel

Beate von Miquel ist eine deutsche Frauenrechtlerin, Genderforscherin und Gleichstellungsaktivistin. Seit Juni 2021 steht sie dem Deutschen Frauenrat e. V. (Berlin) vor, der nach Eigendarstellung „politischen Interessenvertretung von rund 60 bundesweit aktiven Frauenorganisationen“ und damit der „starken Stimme für Frauen in Deutschland“. Selbst gehört sie dem Mitgliedsverband Evangelische Frauen in Deutschland (EFiD) an.

Von Miquel ist Geschäftsführerin des interdisziplinären Marie Jahoda Center for International Gender Studies an der Ruhr-Universität Bochum (RUB), an der sie sich von 2011 bis 2016 bereits als zentrale Gleichstellungsbeauftragte einen einschlägigen Namen gemacht hatte. Dass sie ausweislich ihres LinkedIn-Profils mit den Pronomen „she/her“ angesprochen werden möchte, wird von manchen ihrer Szene als konservativ empfunden werden.

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Kürzlich war sie in ihrer Eigenschaft als Frauenratsvorsitzende der Einladung des Bundespräsidenten zum Neujahrsempfang auf Schloss Bellevue gefolgt. Dieselbe Partei, der Steinmeier angehört, lud sie auch jetzt in die Anhörung: die SPD.

Die umtriebige von Miquel wirbt in einer Vielzahl von Beiräten für ihre Positionen: 2022 wurde sie Vize-Vorsitzende des Stiftungsbeirats der seit Mai 2021 existierenden Bundesstiftung Gleichstellung, die an das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend berichtet. Die Bundesregierung erstellt aufgrund dieser Zuarbeit die Gleichstellungsberichte. Die Bundesstiftung Gleichstellung veröffentlicht Broschüren zu Themen wie etwa „Wie geschlechtergerecht ist das Aufenthaltsrecht?“

Seit 2023 ist von Miquel zudem Mitglied im Beirat der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS), seit 2022 Mitglied des Arbeitskreises Gesellschaftliche Gruppen der Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (Bonn).

Über Inklusion von sogenannten Transfrauen sagte von Miquel, Transfrauen seien Frauen, deren Rechte zu verteidigen seien. Der Deutsche Frauenrat unterstützte das Selbstbestimmungsgesetz für Transsexuelle.

Von Miquel studierte Evangelische Theologie, Geschichte und Politikwissenschaft an den Universitäten Marburg, Bonn, Göttingen und Bochum und promovierte in Politikwissenschaft.

Rona Torenz

Rona Torenz studierte Gender Studies und Philosophie an der Humboldt-Universität zu Berlin sowie Angewandte Sexualwissenschaft an der Hochschule Merseburg. Auf ihrem X-Account nennt sich Torenz, 1983 in der damaligen DDR geboren, eine „ständig skeptische Feministin“. Gegenwärtig bereitet sie eine Promotion vor mit dem Arbeitstitel „Regionale Unterschiede in der medizinischen Versorgung bei Schwangerschaftsabbruch in Deutschland. Daten, Befunde und Erklärungsansätze“.

Für das Forschungsprojekt ELSA („Erfahrungen und Lebenslagen ungewollt Schwangerer. Angebote der Beratung und Versorgung“) war die kurzhaarige Blondine von 2020 bis 2024 tatkräftig als wissenschaftliche Mitarbeiterin dabei. Die Ergebnisse publizierte sie im Dezember 2023. Eine Fußnote der bei Springer Nature erschienenen Arbeit definiert, „dass auch Menschen anderen Geschlechts“ (‘genders’) „schwanger werden“ könnten, man verstehe den Begriff „Frauen“ daher „genderinclusiv“.

Die Initiatorin und Leiterin des Hochschul-Projektverbundes ELSA ist wiederum Daphne Hahn, Gesundheitswissenschaftlerin an der Hochschule Fulda: Hahn war Mitglied in der von der gescheiterten Ampel-Koalition eingesetzten „Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“ – und von Mai 2010 bis Mai 2017 Bundesvorsitzende von Pro Familia, einer Beratungsorganisation, die Abtreibungsbescheinigungen ausstellt und zur International Planned Parenthood Federation gehört.

Die Kommission empfahl 2024, den Schwangerschaftsabbruch gesetzlich umfassend neuzufassen. Das Lebensrecht des Embryos oder Fetus habe im ersten Drittel der Schwangerschaft geringes Gewicht, die Leibesfrucht abzutreiben solle in dieser Phase ohne intervenierende Beratung rechtmäßig gestellt werden.

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Torenz, die von der SPD-Fraktion berufen wurde, engagiert sich nach Eigendarstellung seit über 20 Jahren für „reproduktive und sexuelle Selbstbestimmung“ und interessiert sich für feministische Theorien zu „Autonomie, Macht und Herrschaft, weiblicher Subjektivierung und Abtreibung“. Ihr Verlag stellt sie so vor: „Sie ist in feministischen Zusammenhängen in Berlin aktiv und kämpft für einen Feminismus, der nicht nur auf gesellschaftliche Anerkennung, sondern auf soziale Umwälzung abzielt.“

Zwischen Wissenschaft und Aktivismus hin- und herwechselnd, kritisierte sie vor vier Jahren in einem Artikel für die linksradikale Jungle World eine „Pro-Choice-Rhetorik“, die die „Idealfigur der schwer mit sich ringenden Schwangeren“ konstruiere. Das diene nicht der „Entstigmatisierung und Erleichterung von Abtreibungen“, auf die es ihr ankommt:

„Entstigmatisierung bedeutet Entmoralisierung. Hierfür wäre eine klare feministische Position wichtig, dass Schwangerschaftsabbrüche denselben moralischen Status haben wie die Extraktion eines Weisheitszahns – nämlich gar keinen.“

Zu den im Rahmen der ELSA-Studie entstandenen Ergebnissen wie etwa zum „Zugang zur Abtreibungsversorgung“ kommunizierte Torenz zu Jahresbeginn 2024 auf Twitter:

„Unsere Analyse der verfügbaren Daten zeigt eine bessere Verfügbarkeit von Abtreibungsanbietern in den nördlichen und östlichen Bundesländern als in den westlichen und südlichen Bundesländern“ (Übersetzung aus dem Englischen).

Rona Torenz zählt zu den 20 aktiven Mitgliedern der feministischen interdisziplinären Nachwuchsforschergruppe „Politiken der Reproduktion“ (PRiNa) an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Das Netzwerk befasst sich nach Eigendarstellung mit „Sozialer Ungleichheit und Reproduktiver Gerechtigkeit“, „Reproduktionstechnologien und -medizin“, Schwangerschaft, Geburt, „Reproduktiver Gesundheit und reproduktiven Rechten“. Seit Jahresbeginn arbeitet Torenz als Wissenschaftliche Referentin bei dem Berliner Verein „S.I.G.N.A.L.“, einem Projekt zur Erstversorgung nach sexualisierter Gewalt. Assoziiertes Mitglied bei PRiNA ist Alicia Baier.

 

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Rona Torenz und die Antifa: Die gewaltbereite, linksextreme Organisation „Organisierte Autonomie Zürich“, laut Eigendarstellung eine „autonome kommunistische Organisation“, die auch schon mal einen Mob auf die Straße bringt, der die Polizei „mit massiver Gewalt“ angreift, bewarb eine Veranstaltung mit Rona Torenz im September 2023. Unter dem Schlachtruf „Ob Kinder oder keine entscheiden wir alleine“ stritt die Veranstaltung für ein vermeintliches „Recht auf Abtreibung“ und untersuchte ganz milieutypisch die „Rolle der Gebärfähigkeit im Kapitalismus“ sowie „patriarchale Vorstellungen und Ungleichheitsideologien“. Torenz repostete die Veranstaltung mit ihrem Twitter-Account.

Bei einem auf YouTube direktübertragenen „Antifa-Café“ im Januar 2021 mit „Genossinnen der AG Feministischer Streik/Plattform radikale Linke“ stellte Rona Torenz ihr Buch „Ja heißt Ja? Feministische Debatten um einvernehmlichen Sex“ vor. Betreiber des YouTube-Kanals ist die Autonome Antifa Wien. Das Buch wurde auch in der Fachzeitschrift Spektrum der Wissenschaft vorgestellt.

Torenz stand auch schon vor der Filmkamera: 2023 trat sie als Protagonistin in dem Dokfilm „Feminism WTF“ auf. Regie führte die Wienerin Katharina Mückstein, die vor ihrem Regiestudium die gleiche Fächerkombination studierte wie Torenz. In einem Regiestatement über den Streifen heißt es, man habe „keine Energie darauf verschwendet, jene patriarchalen, rassistischen oder kapitalistischen Glaubenssätze zu wiederholen, die uns in die aktuellen Krisen hineinmanövriert haben“. Man wolle das Werk „als Bildungs- und Propagandafilm bezeichnen“.

Für den Film sagte Rona Torenz, es solle in Zukunft „keine Rolle mehr spielen, ob man mit oder ohne Penis geboren wurde, sondern nur, ob man sich selbst als Frau versteht“. Frau zu sein solle bedeuten, „selbst zu bestimmen, ob man eine Schwangerschaft beenden will und mit wem man Sex haben will“.

Frauke Brosius-Gersdorf

Die Verfassungsrechtlerin Frauke Brosius-Gersdorf ist Inhaberin des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, insbesondere Verfassungsrecht und Sozialrecht, an der Juristischen Fakultät der Universität Potsdam. Als Sachverständige geladen wurde sie von der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen. 

Frauke Brosius-Gersdorf war auf Einladung der beteiligten Ministerien Mitglied der „Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“ der Ampel-Koalition, die Vorschläge zur Neuregelung unter anderem des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafrechts unterbreitet hat. In einem Interview beschrieb sie ihre Aufgabe dabei so: „Wir wollen dem Gesetzgeber den Gestaltungsspielraum aufzeigen, den er bei einer Neuregelung des Abbruchs hat oder auch nicht hat.“ Sie sehe die Chance als gegeben an, dass sich nach der Arbeit in dem Gremium etwas ändere.

Von 2017 an war sie einige Jahre Mitglied der Zentralen Ethikkommission bei der Bundesärztekammer. Am Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen wirkt sie seit 2015 als stellvertretendes Mitglied.

In einem Rechtsgutachten von 2020 zum Fall der „Abtreibungsärztin“ Kristina Hänel, das sie im Auftrag des atheistisch ausgerichteten Instituts für Weltanschauungsrecht (IWF) ausarbeitete, kam sie zu dem Ergebnis, dass das – von der Regierungsmehrheit der Ampel-Koalition 2022 gekippte – Werbeverbot für Abtreibungen (Paragraf 219a StGB) verfassungswidrig sei. Sie freue sich sehr darüber, sagte sie gegenüber ihrer Universität, „an der für die Gesellschaft wichtigen Modernisierung des Schwangerschaftsabbruchs und Fortpflanzungsrechts mitwirken zu dürfen“.

Liane Wörner

Auch die Strafrechtlerin Liane Wörner wurde in die „Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“ der Ampel-Regierungskoalition berufen. Sie wirkte dort in der mit dem Schwangerschaftsabbruch befassten Arbeitsgruppe 1. In die hier in Rede stehende Anhörung vor dem Rechtsausschuss lud sie die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Seit 2019 ist Wörner an der Universität Konstanz Inhaberin des Lehrstuhls für Strafrecht, darunter auch Medizinstrafrecht. Seit 2020 entwickelt sie den Forschungs- und Lehrbereich Gender und Strafrecht.

Zum Thema Lebensschutz am Lebensanfang und am Lebensende hat Wörner neben einer Vielzahl von Beiträgen in Sammelwerken und Zeitschriften, Rezensionen und wissenschaftlichen Kommentaren eine Habilitationsschrift vorgelegt („Widersprüche beim strafrechtlichen Lebensschutz?“). Zudem äußerte sie sich in vielen Interviews und Pressestatements zum Themenbereich Schwangerschaftsabbruch.

„Wir empfehlen, in der Frühphase der Schwangerschaft, also in den ersten zwölf Wochen, Abbrüche grundsätzlich als rechtmäßig zu erlauben. Hier wiegt das Recht der Frau mehr als das des Ungeborenen. Die Übernahme einer ungewollten Schwangerschaft ist unzumutbar.“

So beschrieb Liane Wörner in einem Interview mit dem Magazin der Bundeszentrale für politische Bildung, fluter., ihre eigene Position eines abgestuften Lebensrechts des ungeborenen Menschen. Auch beklagte sie dort eine „derzeit schlechte Versorgungslage“ bei den Möglichkeiten zur Abtreibung und redete einer „Entstigmatisierung“ durch „Legalisierung“ das Wort, die sie sich schnell wünschte.

Bemerkenswert: Wörner war mit 24 selbst einmal ungeplant schwanger – zumindest erklärte sie gegenüber Geo Wissen, ihre Tochter Hannah habe „sich zu einem schlechten Zeitpunkt“ angekündigt. Doch seien sie und ihr heutiger Mann damals auf dem Sprung in die USA gewesen. „Wir beschlossen, einfach weiterzumachen.“ Kurz darauf ging es in die Staaten, dort sei es üblich gewesen, dass Frauen Mütter seien und trotzdem Karriere machten.

Matthias David

Der Gynäkologe, Jahrgang 1961, ist geschäftsführender Oberarzt am Campus Virchow-Klinikum der Berliner Charité. Er hat sich bereits öffentlich kritisch über die Neuregelung der Abtreibungsgesetzgebung geäußert. In einem Interview mit der Zeit sagte er, er fühle sich durch die aktuell geltende Regelung nicht kriminalisiert: „Meine jungen Kolleginnen und Kollegen, die ebenfalls Abbrüche vornehmen, sind sich dessen oft nicht einmal bewusst. Wenn ich frage: ‘Wissen Sie eigentlich, dass Sie gerade etwas Verbotenes tun?’, schauen sie mich erstaunt an.“ Professor David, als Sachverständiger von der Union nominiert, kennt sich aus in Sachen Abtreibung. Er formulierte die aktuell gültige Leitlinie für Schwangerschaftsabbrüche mit. Zu seinen Spezialgebieten gehört auch die Versorgungsforschung. Weil auch die angeblich immer schlechter werdende „Versorgungslage“ für abtreibungswillige Frauen ständig thematisiert wird, dürfte es wichtig sein, was David dazu zu sagen hat. In der Zeit beschrieb er es so:

„Die betroffene Frau muss innerhalb eines Tages mit öffentlichen Verkehrsmitteln die Praxis oder Klinik erreichen, den Abbruch durchführen lassen und wieder nach Hause kommen können. Auf dieser Basis haben Jobst Augustin von der Hamburger Uniklinik und ich Untersuchungen gemacht und die Ergebnisse im vergangenen Jahr publiziert: Wer einen Abbruch wünscht, findet auch eine Praxis. Bis auf kleinere Gebiete in Bayern gibt es in Deutschland kein relevantes Versorgungsproblem.“

Dem von Abtreibungsbefürwortern oft vorgebrachten Argument, wonach sich die Zahl der Abtreibungspraxen in den vergangenen 20 Jahren fast halbiert habe, entgegnet der Experte: „Wir wissen aber nicht, ob deswegen auch die Zahl der Ärzte und Ärztinnen, die einen Schwangerschaftsabbruch durchführen, immer kleiner wird. Der Hauptgrund dürfte die Zentralisierung der Praxen sein: Immer mehr Ärzte schließen sich zu großen Einheiten zusammen. Das ist in der Medizin ein Trend, den wir auch in Ländern wie Großbritannien sehen und der im Prinzip gut ist.“

David führt auch selbst Abtreibungen durch und macht auf die Gewissensbisse aufmerksam, die sich dabei einstellen können. „Bei uns in der Klinik führen wir die Schwangerschaftsabbrüche unter Ultraschallkontrolle durch. Da sehen wir den Embryo mit dem Herzschlag, einer hält den Ultraschallkopf, der andere saugt das Kind ab. Dann ist es weg. Manchmal leiste ich mir die Frage: Was wäre aus diesem Menschen geworden?“ Er betont: „Das Recht auf Leben veraltet nicht!“ Deshalb ist er auch für die Beratungspflicht.

Michael Kubiciel

Der Professor für Deutsches, Europäisches und Internationales Strafrecht sowie für Strafprozessrecht, Wirtschafts- und Medizinstrafrecht an der Universität Augsburg hat im vergangenen Jahr eine Analyse zu den „verfassungsrechtlichen Grenzen einer Reform der Paragrafen 218 ff. StGB“ für die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung erstellt. Darin kommt der von der Union bestellte Sachverständige zu dem klaren Schluss: „Es gibt weder kriminalpolitische noch verfassungsrechtliche Gründe, die für eine Änderung der §§ 218 ff. StGB sprechen. Das Gegenteil ist der Fall. Das geltende Recht kriminalisiert weder Frauen noch Ärztinnen und Ärzte – nicht auf dem Papier und schon gar nicht in der Realität.“ 

Der aktuelle Kompromiss sei ein „verfassungsrechtlich vorgeprägter Mittelweg, der die Gesellschaft in den letzten Jahren befriedet und ihr jene Kulturkämpfe erspart hat, die in anderen Ländern mit einseitigen, weniger kompromisshaften Regelungen zu beobachten waren und sind“. Damit zählt der 51-Jährige zu den Gegnern einer Neuregelung. „Kompromisse sind das Lebenselixier der Demokratie und jeder so verfassten Gesellschaft.“

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Kubiciel ist Mitautor eines vielbeachteten Gastbeitrags in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) von Ende November 2024. Darin kritisierten er und mehrere Wissenschaftler verschiedener Disziplinen (darunter Christian Hillgruber, Ordinarius für Öffentliches Recht an der Universität Bonn und Vorsitzender der Juristen-Vereinigung Lebensrecht e. V.), dass die Befürworter der Neuregelung „von bemerkenswerter Einseitigkeit der Perspektive, von unzutreffenden Prämissen und fehlerhaften Ableitungen geprägt“ seien. Die Experten betonten:

„Die wissenschaftlichen und praktischen Erkenntnisfortschritte, welche die Pränatalmedizin in den vergangenen dreißig Jahren (seit der Neufassung der §§ 218 ff. StGB) gemacht hat, lassen sich dahingehend zusammenfassen, dass der Fetus als eigenständiges Wesen immer früher und immer präziser in seiner individuellen genetischen und strukturellen Verfasstheit erkenn- und darstellbar ist.“

Den pränatalmedizinischen Erkenntnissen zufolge handle es sich bei der Schwangerschaft „ihrer biologischen Natur nach um eine eigenständige, sich in weiten Teilen selbst organisierende Form menschlichen Lebens“. Dieses neue Wissen um den noch ungeborenen Menschen „muss auch unsere Ethik und unser Recht beeinflussen“. Denn: „Wer Mensch ist, ist es von Anfang an.“ Und das Grundgesetz spreche ausnahmslos jedem Menschen dieselbe Menschenwürde zu. Diese „liegt auch für den ungeborenen Menschen schlicht in seiner selbstzweckhaften Existenz“.

Gregor Thüsing

Jurist Gregor Thüsing: „Das Grundgesetz verpflichtet den Staat, menschliches Leben, auch das ungeborene, zu schützen“

Ebenfalls Jurist, ebenfalls von der Union bestellt, ebenfalls Jahrgang 1961 ist Gregor Thüsing, Inhaber und Direktor des Lehrstuhls für Arbeitsrecht am Institut für Arbeitsrecht und das Recht der sozialen Sicherheit an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Zudem ist Thüsing Mitglied im Deutschen Ethikrat. Zusammen mit zwei Kollegen des Gremiums erhob er im Dezember 2024 Einspruch gegen die geplante Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs. In der FAZ warnten er sowie Winfried Hardinghaus und Frauke Rostalski davor, eine solch „grundlegende gesellschaftspolitische Richtungsentscheidung noch in dieser Wahlperiode überhastet über die Bühne zu bringen“. Die Mediziner und Juristen wiesen darauf hin, zwischen dem Gesetzentwurf und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts klaffe eine Lücke, die „nicht im Marginalen, sondern im Kern“ liege.

„Es geht um die Rechtswidrigkeit des Schwangerschaftsabbruchs. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegt die Würde des Menschen auch für das ungeborene Leben im Dasein um seiner selbst willen, woraus konsequent und argumentativ stimmig gefolgert wird: ‘Das Grundgesetz verpflichtet den Staat, menschliches Leben, auch das ungeborene, zu schützen.’“

Doch nicht nur das: Die Experten werfen den Antragstellern von SPD, Grünen und Linken vor, ein irgendwie geartetes juristisches Gebot nach einer Liberalisierung der Abtreibung abzuleiten. „Es ist also schlicht unrichtig, wenn der Eindruck vermittelt wird, dass das, was die Autoren vorschlagen, geboten und deshalb eine Rechtfertigung nicht erforderlich sei.“

Kristijan Aufiero

Kristijan Aufiero, Jahrgang 1969, Diplom-Politologe, ist Gründer und Geschäftsführer der 1000plus-Profemina gemeinnützigen GmbH (die auch dieses Magazin herausgibt) sowie Gründer und Geschäftsleiter der Profemina International GmbH Sozialunternehmen. Er wurde von der AfD-Bundestagsfraktion als Sachverständiger bestellt.

Seit über 15 Jahren leitet Aufiero das durch 1000plus finanzierte, inzwischen weltweit größte, nichtkirchliche und nichtstaatliche Pro-Life-Beratungsangebot für Frauen im Schwangerschaftskonflikt, profemina.org. Ziel dieses spendenfinanzierten, unabhängigen Beratungsangebots ist es, für und mit ungeplant schwangeren Frauen, die dies wünschen, eine tragfähige Alternative zur Abtreibung zu erarbeiten.

Mit über fünf Millionen Homepage-Besuchen in den vergangenen drei Jahren und über 700.000 digital, schriftlich und telefonisch beratenen Frauen verfügt Profemina über eine einzigartige Expertise und über einen umfassenden Einblick in die reale Situation ungeplant schwangerer Frauen. Deshalb weiß Kristijan Aufiero „aus erster Hand“, dass Frauen im Schwangerschaftskonflikt vor allem umfassende Informationen, kompetente, einfühlsame Beratung und ganz konkrete Hilfe suchen – nicht einen noch schnelleren, leichteren Weg zur Abtreibung.

1000plus-Profemina-Gründer Kristijan Aufiero

Der aktuelle Gesetzentwurf zur Legalisierung der Abtreibung in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen ist für ihn „ein Skandal“. Frauen im Schwangerschaftskonflikt bräuchten vor allem Hoffnung, Ermutigung, Trost und Hilfe.

„De facto enthält dieser Entwurf jedoch nicht ein einziges Hilfsangebot und nicht eine einzige Maßnahme der konkreten Unterstützung für Schwangere in Not und ihre Familien, die sich für ihr Kind entscheiden wollen“,

schreibt Aufiero in einer Stellungnahme. In diesem Zusammenhang von „Neutralität“, „Selbstbestimmung“ oder „Entscheidungsfreiheit“ zu reden, sei eine Schimäre.

„Den Weg zur Abtreibung gesetzlich noch einfacher und noch schneller zu gestalten, Abtreibungen zur Kassenleistung zu machen (anstatt z. B. finanzielle Hilfe bei einer Entscheidung für das Kind in Aussicht zu stellen) und lebensbejahende Beratungsangebote zu diskriminieren, ist nicht neutral, und vor allem ist all das keine Hilfe für eine Frau im Schwangerschaftskonflikt und ihre Familie. Und es löst keine einzige Konfliktursache.“

Hinsichtlich der mit dem Gesetzentwurf gleichzeitig einhergehenden drohenden Entwertung und Entrechtung menschlichen Lebens im frühesten Stadium seiner Existenz sieht er einen rechtlichen, moralischen und ethischen „Dammbruch von ungeheurer Tragweite“ mit folgenschweren gesamtgesellschaftlichen Konsequenzen.

Angesichts der politischen Vorstöße zu einschlägigen Gesetzesänderungen bereitet er darüber hinaus mit 1000plus derzeit die dritte Petition an den Deutschen Bundestag vor.

Karsten Gaede

Karsten Gaede ist Ordinarius für Strafrecht an der Bucerius-Law-School in Hamburg, der er langjährig verbunden ist. Er kennt die private Stiftungshochschule, seit er 2007 als Wissenschaftlicher Assistent einstieg. Gaede ist auch Direktor des dortigen Instituts für Medizinrecht, eines (nach eigener Aussage) „Thinktanks“. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen vor allem das Medizinstrafrecht neben dem deutschen, europäischen und internationalen Straf- und Strafprozessrecht. Im Strafrecht befasste Gaede sich besonders mit der subjektiven Unrechtszurechnung. 2020 veröffentlichte er bei C. F. Müller die 6. Auflage des 1.375 Seiten-Handbuchs „Arztstrafrecht in der Praxis“, nach Verlagsangaben die umfassendste Darstellung im Arztstrafrecht. 

Nach dem Jura-Studium an der Universität Leipzig legte er 2007 das Zweite Staatsexamen am Hanseatischen Oberlandesgericht ab. Der 1976 in Ascherleben geborene Gaede ist Chefredakteur und Herausgeber der medstra (Zeitschrift für Medizinstrafrecht). In einem Videointerview bekannte er hinsichtlich seiner Berufswahl, er habe sich schon früh für „die Verhandlung gesellschaftlicher Themen“ interessiert. Professor Gaede wurde von der FDP-Fraktion in die Anhörung eingeladen.

Frauke Rostalski

Die bereits erwähnte FAZ-„Einspruch“-Autorin Frauke Rostalski ist ebenfalls als Sachverständige geladen, wie Karsten Gaede von der FDP-Fraktion. Die promovierte Juristin und Philosophin ist Mitglied des Deutschen Ethikrats und hat den Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht, Rechtsphilosophie und Rechtsvergleichung an der Universität zu Köln inne.

Rostalski kann zweifellos zu denen gezählt werden, die die Neuregelung des Abtreibungsrechts ablehnen. Bereits 2023 erinnerte sie in aller Deutlichkeit: „Den Staat trifft eine Schutzpflicht auch gegenüber dem ungeborenen Leben.“ Dem Kölner Stadt-Anzeiger gegenüber ergänzte sie zudem: Für einen „Höchstwert des Verfassungsrechts“ ist effektiver Schutz geboten. Infolgedessen sei auch das Strafrecht der richtige Ort, Abtreibungen zu regeln. „Jedes Leben ist gleich viel wert, unabhängig also etwa von Faktoren wie dem Alter, geistigen oder körperlichen Beeinträchtigungen oder dem Entwicklungsstand.“

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Auch sie stellt regelmäßig klar, dass keine „Bedrohungslage“ für ungewollt Schwangere durch die Strafverfolgung vorliege, da es kaum Ermittlungsverfahren wegen Paragraf 218 StGB gibt. Rostalski fordert eine Diskussion über eine bessere Sozialpolitik für ungewollt Schwangere. Man steckte die 40-Jährige jedoch ungerechtfertigt in eine Schublade, ordnete man sie den reinen Lebensschützern zu. Denn Rostalski sagt: Es dürfe keine Frontstellung aufgebaut werden zwischen Lebensrecht des ungeborenen Kindes und dem Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren.

 

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