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Die deutsche Angststörung

„Wer kann sich heute noch Kinder leisten?“

Wir stehen in Deutschland vor der absurden Situation, dass in einem der (immer noch) wohlhabendsten Länder dieser Erde viel zu wenige Kinder geboren werden, da die Mehrheit der Deutschen glaubt, sich keine Kinder leisten zu können.

Der Spiegel unterfüttert diese Angst der Deutschen vor dem Kinderkriegen mit Zahlen. So kostet es laut dem Nachrichtenmagazin 196.000 Euro, ein Kind in Deutschland großzuziehen. Als Vater von fünf Kindern hätte ich entsprechend (ohne Synergieeffekte) knapp eine Million Euro zu berappen, bis meine Kinder aus dem Haus sind. Das ist natürlich kompletter Unfug, hat sich aber tief in das Unterbewusste der Deutschen eingegraben.

Entsprechend zögern viele junge Paare das Kinderkriegen hinaus, bis die Karriere gemacht, der Bausparvertrag abgezahlt ist und die erträumte, heile Wohlstandsidylle errichtet wurde, und das nur aus Angst vor den horrenden Kosten, die scheinbar bestritten werden müssen, um ein Kind in Deutschland großzuziehen. Die Phase der „materiellen Absicherung“ zieht sich manchmal so lange hin, dass Paare erst Ende 30 mit dem Kinderwunsch Ernst machen. Dann stellen sie jedoch oft fest, dass die fruchtbarsten Jahre vorbei sind und das mit dem Kinderkriegen schwieriger geworden ist.

Meine Antwort lautet: „Macht euch locker!“

Meine Antwort lautet entsprechend: „Macht euch locker! Wer jetzt jung ist, sollte jetzt Kinder bekommen, und ungeplante Kinder sollte man dankbar willkommen heißen; in dreißig Jahren, wenn der Bausparvertrag abbezahlt ist, ist es hierfür oft zu spät. Kinder sind das größte Glück und das größte Geschenk, das ein Mensch auf diesem Planeten erfahren kann. Lassen Sie sich dieses Abenteuer nicht entgehen und unter keinen Umständen von Neidern und Angstmachern ausreden.“ Überdies ist es auch nicht so, dass es keine Möglichkeiten gäbe, als Vater oder Mutter Geld zu verdienen und Karriere zu machen.

Und doch bauen sich die Deutschen vor dem ersten Kind nicht nehmbare Hürden auf, die angstbelastet sind und gar zu Abtreibungen führen, weil sie glauben, dass ein Kind ungeheuer viel Geld koste oder man eine riesige Wohnung bräuchte und ein Spitzeneinkommen nach Hause bringen müsse, um sich ein Kind leisten zu können. Was soll ich mit meinen fünf Kindern dazu sagen? Drei meiner Kinder sind schon erwachsen, zwei davon mitten im Berufsleben, und meine beiden Kleinen im Grundschulalter bekommen wir auch noch groß, ohne dass ich deswegen spitzenmäßig verdienen müsste.

 

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Also erst einmal ganz langsam Schritt für Schritt und tief durchatmen. Wenn ein Kind auf die Welt kommt, dann ist das kein fünfzehnjähriger verzogener Teenager mit Handyvertrag und Markenklamotten, sondern ein ganz kleiner nackter Mensch, mit Fingern wie eine Perlenkette, und das bleibt auch die nächsten Jahre so:

1. Kleine Kinder brauchen weder eine riesige Wohnung noch Eltern mit einem Spitzeneinkommen noch kosten sie überhaupt (nennenswert) Geld. Was Säuglinge und Kleinkinder vor allem brauchen, ist die Liebe der Eltern und dann noch etwas Kleidung, Essen und Spielzeug.

2. Weder Säuglinge noch Kleinkinder brauchen in den ersten Jahren ein eigenes Zimmer. Wenn die größte bezahlbare Wohnung etwas kleiner ist, dann ist das eben so. Eine Spiel- und Schlafecke im Wohnzimmer reicht notfalls für den Anfang vollkommen aus. Dieses Leben ist nur eine Brücke, über die man hinübergeht, und alles ist ständig in Veränderung. Schon morgen kann alles wieder anders sein.

Nicht die fruchtbarsten Jahre im Träumen vertun

Wir sollten uns also nicht fest in dieser Welt einrichten und die fruchtbarsten Jahre unseres Lebens damit verschwenden, einen imaginierten Idealzustand anzustreben, bis dann endlich nach Jahrzehnten des Wartens das erste Kind kommen darf. Entspannen Sie sich, lehnen Sie sich zurück und sehen Sie die Welt nicht aus dem perfektionistischen Blickwinkel einer für unsere Zeit nicht mehr so leicht erreichbaren Welt bürgerlichen Wohlstands.

Am liebsten sind kleine Kinder ohnehin bei den Eltern. Abschiebungen ins Kinderzimmer sind in der Regel erfolglos. In meinem Arbeitszimmer/Homeoffice türmt sich das Lego, und legendär sind unter meinen Kollegen meine „Psst, psst-Rufe“ bei den Teams-Meetings, wenn meine Kinder durchs Zimmer springen. Und ja, alle meine Kinder haben ein eigenes Zimmer und dennoch sind sie am liebsten bei mir.

Der Autor Benjamin Kaiser als junger Vater mit dreien seiner Kinder: „Entspannen Sie sich, lehnen Sie sich zurück! Kleine Kinder kosten so gut wie nichts, wenn man es nur richtig anstellt.“

3. Säuglinge und Kleinkinder brauchen keine teure Kleidung, denn nach ein bis drei Monaten sind sie ohnehin schon wieder aus ihren Kleidern herausgewachsen. Weswegen wir verschiedene Kleiderkisten haben, die im Verwandten- und Bekanntenkreis herumgereicht werden und aus denen man sich bedienen kann mit dem, was die Kinder brauchen. Wer solche Kontakte bis jetzt nicht hat, gebe eine Kleinanzeige im lokalen Anzeigenmarkt auf und wird, das verspreche ich, mit fast ungetragener Kinder-Markenkleidung überschüttet werden.

4. Babys brauchen keinen teuren Kinderwagen, ein gebrauchter tut es auch, und Spielzeug bekommt man in unserer Überflussgesellschaft (vielfach ungefragt) geschenkt, selbst wenn die Schränke schon bersten. Ich erinnere mich noch genau an den Tag, als unsere Nachbarn mit vier Kisten Lego, Modellautos und Playmobil vor unserer Tür standen: „Äh, ja, das ist noch von unseren Kindern übrig, und wir dachten, mit ihren Kleinen, vielleicht können Sie das brauchen?“

Und natürlich wird das mit zunehmendem Alter etwas anders, und man darf männliche Teenager nach dem Sport nicht mit dem Kühlschrank allein lassen, aber was Säuglinge und Kleinkinder essen, fällt kostentechnisch in Westeuropa nun wirklich nicht ins Gewicht. Kleine Kinder kosten also, ganz anders, als der Spiegel behauptet, so gut wie nichts, wenn man es nur richtig anstellt und seine Ansprüche an die perfekte Welt etwas herunterschraubt.

Gegen Angstblockaden die Taktik der kleinen Schritte

Wichtig ist, der allgemeinen Angst vor den Kindern mit einem mentalen Trick zu begegnen. Natürlich kann das große Ganze erschreckend sein, und die Vorstellung, einem jungen Erwachsenen ein Medizinstudium im Ausland zu finanzieren, kann einem den kalten Angstschweiß auf die Stirn treiben. Aber so funktioniert das Leben nicht. Ein Kind wird nicht als Medizinstudent geboren und hält vom ersten Tag an die Hand auf, sondern das Leben verläuft in kleinen Schritten.

Auch wir als Eltern lernen im übertragenen Sinn mit unseren Kindern laufen, und so wie unsere Kinder wachsen, wachsen auch wir als Eltern mit und lernen, dass sich, wenn die Kinder größer werden und etwa ein teures Musikinstrument erlernen möchten, mit einem Mal Türen und Möglichkeiten öffnen, an die wir, als die Kinder klein waren, im Traum nicht gedacht hatten: „Was, die Tochter möchte Geige spielen lernen? Mein Beileid. Wir haben noch so ein Folterinstrument zu Hause herumstehen. War ziemlich teuer damals. Könnt ihr euch vorerst ausleihen, dann müsst ihr euch keine kaufen.“

Entsprechend begegnet man Angstblockaden mit der Taktik der kleinen Schritte. Wir schauen also nicht an das imaginierte Ende des großen Weges, sondern blicken immer nur auf den nächsten Schritt, und der ist in der Regel sehr einfach und ergibt sich aus dem Vorangegangenen. Und so werden sich mit der Zeit alle Schritte von selbst ergeben, bis unsere Kinder erwachsen sind, ohne dass wir dazu Millionen erwirtschaften mussten.

Auch kinderlose Menschen können im Leben Pech haben

Ferner lernen nicht nur wir mit unseren Kindern, sondern die Kinder auch mit uns und begreifen einesteils recht schnell, wenn das Geld mal nicht im Überfluss fließt, aber auch, wie leicht es ist, zum Beispiel durch das Austragen von Werbeprospekten Geld zu verdienen, wenn man größere Wünsche hat, oder im Fall des Studenten, dass es möglich ist, Geld hinzuzuverdienen, um das Studium zu finanzieren.

Ein weiteres Zauberwort heißt Vertrauen. Mal ganz ernsthaft: Was soll einer Familie mit mehreren Kindern und intelligenten Eltern in der westlichen Überflussgesellschaft mit sozialstaatlicher Vollversorgung schon passieren? Werden sie verhungern oder unter der Brücke schlafen müssen? Natürlich nicht. Dieses Vertrauen ist in meinen Augen auch einer der Hauptgründe dafür, dass gläubige Menschen eher Kinder bekommen als Menschen, die nicht glauben. Denn im Glauben liegt das Vertrauen, dass trotz aller Härten, die uns im Leben begegnen, eine höhere Macht mit uns ist, die uns den Weg bereiten wird, auch wenn er mitunter sehr eng zu werden scheint.

Übrigens können auch kinderlose Menschen im Leben Pech haben, die Stelle verlieren und den Kredit nicht bedienen können. Das Institut für Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen bietet hierzu folgende, für manche vielleicht überraschende Analyse:

„Von den überschuldeten bzw. durch Überschuldung bedrohten Personen, die im Jahr 2022 die Hilfe einer Schulden- oder Insolvenzberatung in Anspruch genommen haben, machten alleinlebende Männer mit einem Anteil von etwa einem Drittel aller beratenen Personen (31,3 %) die größte Gruppe aus. Die beiden nächstgrößten Gruppen stellten mit 17,4 % der Beratenen alleinlebende Frauen und mit einem Anteil von 12,3 % Paare ohne Kinder dar […].

Betrachtet man die Haushalte aufgeschlüsselt nach ihrer Konstellation und der Höhe der durchschnittlichen Schulden, die im Jahr 2022 eine Beratung in Anspruch nahmen, dann wiesen Haushalte von Paaren ohne Kind mit fast 47.000 Euro den mit Abstand höchsten Schuldenstand auf.“

Die Vorstellung, Kinder wären der Schlüssel zum finanziellen Ruin, ist also auch statistisch nicht begründet. Im Gegenteil scheint eine Familie mit Kindern gerade Männer zu mehr Verantwortung zu erziehen.

Wir Deutschen wurden konditioniert, keine Kinder mehr zu bekommen

Die Gruppe der Kinderlosen wird im Alter überdies mit einem Problem kämpfen müssen, das schwerer wiegt als materielle Sorgen: der Einsamkeit. Zu glauben, wer Kinder hat, zähle zwangsläufig zum Prekariat, ist Opfer einer jahrzehntelangen Gehirnwäsche, mehr nicht.

Das Argument, Kinder seien zu teuer, ist also nicht mehr als ein „Narrativ“, wie es im linken Sprachjargon heißt. Tatsächlich verdeckt es ein tieferliegendes kulturelles Problem: die systematische Konditionierung der Deutschen, keine Kinder mehr zu bekommen.

Von klein auf wird jungen Deutschen vermittelt, dass Kinder mehr Bürde als Bereicherung seien. Diese Botschaft wurde über Jahrzehnte hinweg durch Massenmedien und Kulturindustrie den Menschen eingeträufelt und hat sich tief im kollektiven Bewusstsein verankert. Die zugrundeliegenden Glaubenssätze sind eindeutig:

Frauen wird eingeredet, Mutterschaft sei ein Hindernis für ihre Karriere – als sei beruflicher Erfolg bedeutsamer, als eine Familie zu gründen und Kinder großzuziehen. Gleichzeitig wird Männern ein Verhalten antrainiert, das Verantwortung vermeidet. Der moderne Mann, so scheint es, wurde infantilisiert und fürchtet sich davor, für eine Familie einzustehen. Diese Haltung zeigt sich unter anderem darin, dass Männer nicht selten zur Abtreibung drängen.

Der Ausweg, der Glaube, das Alpha und das Omega

Hinzu kommt eine tief verwurzelte nihilistische Weltsicht, die uns dazu erzieht, die Zukunft pessimistisch zu betrachten. Themen wie Klimawandel, Massenmigration oder Kriege verstärken diese Haltung – je nach politischer Orientierung auf unterschiedliche Weise.

Ein Ausweg aus dieser kulturellen Sackgasse ist nur durch einen grundlegenden Neuanfang möglich. Wir müssen in den Menschen wieder den Glauben entfachen:

Und zwar erstens den Glauben an Jesus Christus, denn damit fängt alles an, und dann ein Einsehen dafür, dass der moderne Individualismus nicht mehr ist als ein Missverständnis. Wir sind keine entwurzelten, bindungslosen Atome, sondern Teil einer Abfolge von Geschlechtern. Nur so werden wir den Nihilismus der Postmoderne und ihre Familien- und Kinderfeindlichkeit überwinden können.

Zurück zur Ausgangsfrage: „Wer kann sich heute noch Kinder leisten?“ Als ich mich als junger Vater bei meiner Großmutter beschwerte, wie schwer das sei mit vielen Kindern, lachte diese und meinte: Viele Kinder großziehen war noch nie leicht. Aber keine Kinder haben, ist noch viel schwieriger. Und recht hatte sie, die nach dem Krieg, als Soldatenwitwe, drei Kinder allein großzog.

 

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