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Prinzipiell stimme ich dem Autor zu. In den Details steckt allerdings einiges, was ich für unscharfe Gedanken halte. So zum Beispiel wenn die Meinungsfreiheit, für die Elon Musk sich ausspricht, mit einer „Freiheit für den Irrtum“ gleichgesetzt wird. Denn die Freiheit, seine Meinung äußern zu können sagt ja nichts darüber aus, welchen Wahrheitsanspruch man mit dieser geltend machen könnte – im Gegenteil, Meinungsfreiheit gilt ja auch und gerade immer für die Gegenrede, welche eine Prüfung des Wahrheitsanspruches erst ermöglicht. Gerade im Sinne Augustinus’ wäre „Freiheit für den Irrtum“ genau da zu finden, wo die Gegenrede verboten wird oder als schädlich, weil sich der ein oder andere dann in seiner Meinung herabgesetzt oder gar in seiner Existenz bedroht sieht.

Auch Habermas wird Unrecht getan, wenn der Autor konstatiert, dessen „Konzepte reduzieren moralische Erwägungen darauf, was zwischen zustimmenden Erwachsenen konsensfähig ist, und ignorieren Dimensionen wie natürliche Ordnungen und objektive Wahrheiten“. Natürliche Ordnungen und objektive Wahrheiten spielen sehr wohl eine Rolle in Habermas’ Ideen, denn tatsächlich wird vor allem diesen eine ganz zentrale Stellung gegeben mit dem, was Habermas den „eigentümlich zwanglosen Zwang des besseren Arguments“ nennt. Er knüpft damit unmittelbar an die alte, abendländische Idee eines Logos an, der dem besseren Argument eben jene Wirkmacht verleiht, welches es hat – anstatt dass Machtverhältnisse, Ängste oder Eitelkeiten (so wie heutzutage allzu oft zu beobachten) den Ausgang eines Arguments bestimmen. Ohne es explizit zu machen ist damit Habermas’ Theorie nicht nur offen für Gott, sondern hat einen impliziten Bezug zu diesem.

Daran wird deutlich, dass es 'die Moderne' wie vom Autor beschworen genauso wenig gibt wie 'die Tradition'. Auch wenn es sicherlich eine Verschiebung gibt in dem, was als wichtig erachtet wird, wie sie der Autor skizziert. Erzählungen um „den freien Menschen im Sinne der Revolution, der an kein höheres Gesetz, keine Religion und keinen Gott gebunden ist, sind keine Erfindungen der Moderne, denn sonst hätte man auch keiner Erzählungen bedurft, wie der von Prometheus, dessen Versuch den Menschen Freiheit von jeglichem höheren Gesetz, jeglicher Religion und jeglichem Gott in all seiner Zwiespältigkeit beleuchtet. Menschen die ihre eigene egoistische Willkür – ihren unbestimmten Egoismus – als den Gipfel der Freiheit empfinden gab es wohl schon immer.

Tradierte Ordnungen können genauso Ausdruck von unbestimmtem Egoismus sein wie es willkürliche „Freiheit zur Abtreibung, zur Geschlechtsumwandlung, zur Befreiung von Gott, Staat und Patriarchat“ sind. Sie müssen also hinterfragbar sein und bleiben.

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