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OECD-Statistik

Steuern und Abgaben: Eine Familie zu haben lohnt sich

Es ist fast schon zu einem für Arbeitnehmer und Selbständige bitteren Ritual geworden: Jedes Jahr, wenn die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ihre Studie über die Steuer- und Abgabenlast veröffentlicht, titeln deutsche Medien „Deutschland ist Vizeweltmeister“, „Hochsteuerland Deutschland“ oder „Nur ein Land bei Steuern und Abgaben vor Deutschland“.

Und tatsächlich: Blickt man in die am Dienstag veröffentlichte Statistik, fällt auf, dass in kaum einem anderen Industrieland so viele Steuern und Sozialabgaben abgedrückt werden müssen wie in der Bundesrepublik. Vom durchschnittlichen Lohn eines Singles ohne Kinder wird mit 47,8 Prozent fast jeder zweite Euro einbehalten. Nur in Belgien (53 Prozent) ist die Steuer- und Abgabenlast höher. Auf Platz drei, vier und fünf folgen Frankreich (47 Prozent), Österreich (46,8 Prozent) und Italien (45,9 Prozent). Die Schweizer müssen 23,4 Prozent ihres Bruttolohnes abgeben. Der OECD-Durchschnitt liegt bei 34,6 Prozent.

Die Werte setzen sich zusammen aus der Einkommensteuer sowie den Sozialbeiträgen, die Arbeitnehmer und Arbeitgeber abführen müssen. Nimmt man nur die Arbeitnehmerkosten, liegt Deutschland mit 37,4 Prozent des Bruttolohnes dennoch auf Platz zwei hinter Belgien. Auch für selbständige Singles ist Deutschland ein Hochsteuerland.

Osteuropäische Länder machen es vor

Anders sieht es dagegen aus, wenn man Familien betrachtet. Zwar liegt die Belastung für Ehepaare mit zwei Kindern, bei denen ein Partner arbeitet, zunächst sehr hoch: in Deutschland bei 40,8 Prozent (Österreich 36,1). Doch rechnet man Steuervergünstigungen und Zahlungen wie das Kindergeld gegen, sinkt die Belastung auf 19,5 Prozent, womit Deutschland auf Platz 9 der 38 ausgewerteten Länder rutscht (Österreich liegt hier bei 10,7 Prozent).

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Auch für Familien mit zwei Kindern, bei denen ein Ehepartner Vollzeit und der andere zu zwei Dritteln arbeitet, sinkt die Steuer- und Abgabenlast auf knapp 30 Prozent. Dies liegt vor allem am sogenannten Ehegattensplitting, womit Familien Steuern sparen können, bei denen ein Ehepartner viel und der andere wenig oder gar nichts verdient. Allerdings liegt Deutschland in beiden Familien-Konstellationen über dem OECD-Durchschnitt.

Wer sich in Deutschland für eine Familie entscheidet, zahlt also spürbar weniger Steuern und Abgaben als Singles. Dass allerdings viel Luft nach oben ist, zeigen einige osteuropäische Länder, die im Gegensatz zu Deutschland, die demographische Krise erkannt haben und dagegen vorzugehen versuchen.

So haben etwa Familien in Polen, Tschechien, der Slowakei und Ungarn im Vergleich zu Singles mit demselben Einkommen teils ein um 20 Prozent höheres verfügbares Einkommen. Auch Österreich schneidet hierbei wesentlich besser ab als Deutschland.

Demographischer Wandel: Sozialabgaben werden weiter steigen

Zwar gibt es an der OECD-Statistik auch Kritik, weil die unterschiedlichen Steuer- und Abgabensystem der ausgewerteten Staaten teils schwer vergleichbar seien und bestimmte Entlastungen nicht betrachtet würden. Manche Faktoren lassen sich aber durchaus vergleichen oder gegeneinander aufrechnen, womit die Daten gewisse Tendenzen in der Steuer- und Abgabenpolitik abbilden. Politiker und Institutionen berufen sich regelmäßig auf die Statistik.

Obwohl die Einnahmen des deutschen Staates seit Jahren Rekordstände erreichen, plant die Ampel-Koalition keine breiten Entlastungen, die auch im Geldbeutel der Haushalte ankommen. Bisherige Steuersenkungen wurden von der Inflation aufgefressen, Gehaltserhöhungen durch die kalte Progression – durch gestiegene Löhne fallen Bürger in eine höhere Steuerklasse und müssen mehr abdrücken – de facto wirkungslos gemacht.

Volkswirte rechnen zudem mit demnächst wieder steigenden Sozialbeiträgen. Denn der deutsche Sozialstaat ächzt bereits jetzt an den Folgen des demographischen Wandels sowie einer falschen Einwanderungs-, Renten- und Familienpolitik. Wie eine Auswertung von Corrigenda ergeben hat, behandeln die meisten deutschen Parteien das Problem des demographischen Wandels nur stiefmütterlich.

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Kommentare

Kommentar
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Westend
Vor 1 Jahr 7 Monate

Danke für die aufschlußreiche Analyse, doch ich werde trotzdem auswandern. Und wenn nicht ich, dann spätestens meine Kinder.

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Westend
Vor 1 Jahr 7 Monate

Danke für die aufschlußreiche Analyse, doch ich werde trotzdem auswandern. Und wenn nicht ich, dann spätestens meine Kinder.