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Kolumne „Ein bisschen besser“

Licht der Erkenntnis

Wir beobachten in unserem Bekanntenkreis inzwischen eine immer früher einsetzende Altersradikalität. So sagte eine gute Freundin von uns, dass sie es nicht in Ordnungen fände, wenn Kindergärten von Eltern Geld nähmen, aber für Migration Milliarden ausgeben würden. Ein anderer stöbert neuerdings in der Preußischen Allgemeinen, und freut sich mehr über die verdutzten Gesichter derjenigen, die ihn dabei beobachten, als dass er in dem Käseblättchen einen interessanten Text fände.

Und ein Dritter ist auf den Zusammenhang zwischen ungesunder Ernährung und bildungsfernen Schichten gestoßen. Das Gemeine an diesen Themen ist, dass sie für sich genommen ihre Berechtigung haben, in ihrer Ballung aber wirklich anstrengend sind.

Radikalität ist total anstrengend

Radikalität ist sowieso total anstrengend und macht nichts als schlechte Laune. Meine Frau Judith und ich sind, als wir jüngst mit Kind und Köter im letzten Strahl der Abendsonne durch ein Wäldchen in unserem schönen Düsseldorf schlenderten, auf einen Gedenkstein für den Arbeiterführer Ferdinand Lassalle gestoßen.

Seine mutmaßliche Geliebte, die Gräfin von Hatzfeldt hat ihn dort errichtet. Wäre Lassalle bei ihr geblieben, hätte er die Erfolge der von ihm gegründeten Arbeiterorganisation erleben können. Doch der Mann war ein Radikaler in der Politik wie in der Liebe, der dann unbedingt noch eine andere heiraten wollte, was zu einem Duell in der Westschweiz führte, bei dem Lassalle eine Kugel in die Genitalien abbekam und 39-jährig elendig verendete. Vielleicht lag es auch daran, dass die Gräfin doppelt so alt war wie er, und Lasalle die Nacht zuvor getrunken, während der andere geübt hatte.

Eine Frage und drei Kugeln Eis mit Schlagsahne

„Hättest du dich für mich duelliert?“, stößt Judith eine jener Fragen aus, auf die Männer nur laut und auf der Stelle „Ja“ rufen dürfen, während sie „Nein“ meinen. Ich fügte dann aber noch hinzu, dass sie es mit mir ein bisschen besser getroffen habe, weil ich bereits vom Licht der Erkenntnis genippt hätte und eine früh einsetzende Altersmilde verspüre.

Jene lebenserhaltende Freundlichkeit also, mit der diejenigen, die fast alles gesehen haben, denjenigen vieles durchgehen lassen, die fast nichts gesehen haben. Wir sind dann weiter geschlendert, haben vom letzten Geld, das uns nach den Kindergarten-Gebühren noch geblieben war, drei Kugeln Eis mit Schlagsahne beim Italiener geleistet und damit im Vorbeigehen auch noch die Sache mit den bildungsfernen Schichten widerlegt.

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