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Kolumne „Ein bisschen besser“

Warum wir auch mal zurückblicken sollten

Es sei ein schwieriges Jahr gewesen, sagt meine Frau Judith, wie wir so am Zurückblicken sind. Diese Tage zwischen den Jahren sind dafür wie gemacht. Alle Abreißkalender mit Lebensweisheiten für Manager, die uns ermahnen, dass wir die Zukunft immer, niemals aber die Vergangenheit ändern können, täuschen nicht darüber hinweg, dass der Mensch auch mal nach hinten schaut. Das gilt nicht nur im Sinne des großen Philosophen Helmut Kohl, der wusste: „Entscheidend ist, was hinten rauskommt.“

Nein, eher ist es, weil wir keine Schauspieler sind, die nach der Vorstellung noch ein Bierchen darauf trinken, dass sie die Show im Kasten haben. „Unsere Show geht immer weiter“, raune ich, während draußen die Sterne am Firmament funkeln, der See wie ein schwarzer Spiegel ruht und der Wind den Geruch der Kaminfeuer vom Berg herunter weht. Ewigkeit durchströmt uns, und ich sage: „Die Gegenwart ist das Erbe der Vergangenheit.“

Kein Rauner, sondern ein Springinsfeld

Ich muss das irgendwo gelesen haben. Normalerweise bin ich nicht so ein Rauner. Eher ein Springinsfeld. Mein heiteres Gemüt übt eine gewisse Anziehungskraft aus, der sich auch Judith nicht erwehren kann. Jedenfalls wenn sie morgens ihr erstes Cowboyfrühstück hinter sich hat, ist sie durchaus empfänglich dafür. Umgekehrt ist es auch so.

 

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Jedenfalls wenn meine Laune nicht gerade mit dem Zuckergehalt im Blut gesunken ist. „Wenn du Hunger hast, bist du nicht du selbst“, weiß meine Ehefrau, und sie weiß auch, dass dann keine Psychoanalyse hilft, sondern es ein bisschen besser ist, zügig ein paniertes Schnitzel vielleicht mit Pommes und Bierchen auf den Tisch zu stellen.

„Und Majo“, schreit das Töchterchen, das mit seinen bald drei Jahren unser Familienglück begleitet Tag und Nacht und auch am Sonntag und auch, wenn die Erwachsengewordenen mal miteinander reden oder einen Waldspaziergang unternehmen wollen. Die Hündin spitzt bei der Erwähnung von Essen heute nicht wie sonst die Ohren, sondern hat sich den Magen verdorben und eben auf den Teppich gekotzt.

Die Gelassenheit von denen, die die Jahre gemeistert haben

Unsere Telefone klingeln gleichzeitig: In der Redaktion finden sie, ein Kommentar sei zu heiter ausgefallen, der Chef hat noch eine famose Idee, und der Opa berichtet, dass es in der Stadt, in der er seit Menschengedenken mit Oma wohnt, bald zu regnen beginnt. Er klingt dennoch gelassen.

Er trägt die Gelassenheit von denen in sich, die die Jahre gemeistert haben. Auch schwierige, darunter solche, in der gleichzeitig gekotzt, nach Majo gerufen, famose Ideen ausgebrütet und Regentropfen gezählt wurden. Opa durchströmt ein Hauch von Ewigkeit. „Ich glaube“, sage ich zu Judith, „2025 wird wirklich ein gutes Jahr.“

 

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