Wie Ungarn dem Kindermangel beikommt
Bereits zu Beginn seiner ersten Regierungszeit 1998-2002 startete Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán eine ehrgeizige Familienpolitik. „Vier Wände, drei Kinder, zwei Autos”, hieß es damals. Das bevorzugte Mittel waren massive Steuererleichterungen für Familien. Ein bewusster Gegensatz zu hohem Kindergeld: Bevorzugt werden sollten arbeitende, steuerzahlende Eltern.
Damals war sein Ziel, überhaupt eine bürgerliche Mittelklasse aufzubauen. Die war im Kommunismus zerstört worden. Orbán verstand: Für eine bürgerliche Politik und für eine gut funktionierende Demokratie bedarf es einer starken Mittelklasse. Die aber musste nach 50 Jahren proletarischer Diktatur erst geschaffen werden.
Rückblickend ist das erstaunlich gut gelungen. Aus der Mittelklasse, die Orbáns Politik schuf, kommen heute seine Wähler, die ihm und seiner Fidesz-Partei einen Wahlsieg nach dem anderen bescheren. Am stärksten ist sein Rückhalt bei verheirateten Müttern.
Mehr Kinder braucht das Land
Mit der Zeit verlagerte sich nicht so sehr seine Familienpolitik, sondern die intellektuelle Grundlage dafür: Zunehmend wurde deutlich, dass Ungarn, wie so viele Länder Europas, in einer tiefen demographischen Krise steckt. Das Ziel wurde neu formuliert: Mehr Kinder brauchte das Land, um auch kulturell als Ungarn fortzubestehen. Man wollte nicht den deutschen Weg gehen, die fehlende Regenerationskraft der Gesellschaft durch Einwanderung aus fernen Kulturen auszugleichen.
Und so begann ab 2018 unter Federführung der damaligen Staatssekretärin und heutigen Staatspräsidentin Katalin Novák eine spektakuläre Schwerpunktpolitik zur Stärkung der Familien. Heute wird diese Strategie überall in der westlichen Welt genau studiert: Gibt es tatsächlich eine Lösung für das Problem? In allen anderen Ländern hatte die Politik schicksalsergeben reagiert: Es ist nicht zu ändern, man kann den Frauen ja schließlich nicht befehlen, mehr Kinder zu kriegen.
Familien soll es materiell besser gehen
Orbán ist ein bodenständiger Pragmatiker und reduzierte das Problem auf seine Wurzel: In modernen Gesellschaften bedeutet Kindersegen Wohlstandsverlust für die Eltern. Kinder kosten Geld. Und Zeit, jene Zeit, die man als junge Frau eigentlich bräuchte, um eine Karriere aufzubauen.
Es wird dann mehr Kinder geben, sagte Orbán 2018, wenn es Familien materiell besser geht als Singles oder Paaren ohne Kinder. Eltern durch staatliche Leistungen oder Steuerbefreiungen in einem solchen Maße zu fördern, das koste viel Geld, fügte er hinzu. Wie gesagt: Kinder kosten Geld. Ungarns Rezept ist es, Eltern diesen Wohlstandsverlust so weit wie möglich auszugleichen.
Das ist teuer: Derzeit gibt Ungarn 6,2 Prozent seines Bruttoinlandprodukts direkt oder indirekt für Familienförderung aus. International ein Spitzenwert.
So viele Kinder, wie sich junge Paare wünschen
Aber natürlich ist Geld nicht alles. Am Anfang standen Umfragen. Die ergaben, dass junge Erwachsene mehr Kinder wollen, als sie am Ende tatsächlich haben. Der Ansatzpunkt der ungarischen Familienpolitik ist hier zu suchen: Junge Paare sollen in die Lage versetzt werden, so viele Kinder großziehen zu können, wie sie wünschen. Und daneben so viel zu arbeiten, wie sie wünschen.
Um letzteres zu erreichen, wurden innovative Ideen umgesetzt. Ein „Großelterngeld” ersetzt Großeltern, die noch arbeiten, einen Großteil ihres Gehalts, wenn sie statt zu malochen, lieber auf die Enkelkinder aufpassen wollen. Mama und Papa können so arbeiten, ohne deswegen fremde Babysitter zu brauchen.
Kindergarten und Kinderkrippen sind grundsätzlich kostenlos (wer zahlen will, etwa für zweisprachige Erziehung, hat eine reiche Auswahl an privaten Kindergärten). Das Problem ist die Anzahl verfügbarer Krippenplätze. 2010 gab es nur etwas mehr als 30.000 Plätze. Diese Zahl wurde seither annähernd verdoppelt.
Die Geburtenrate steigt
Paare, die Eltern werden wollen, erhalten günstige Kredite. Dieser Babykredit von zehn Millionen Forint entsprach zur Zeit seiner Einführung rund 30.000 Euro (inzwischen nur noch knapp 25.000 Euro). Er wird ab dem ersten Kind zinsfrei. Beim zweiten Kind werden 30 Prozent der verbleibenden Summe erlassen, beim dritten Kind die komplette Restschuld.
Ein neues Baukindergeld bedeutet gar die doppelte Summe: Zehn Millionen Forint als einmalige Leistung, dazu weitere zehn Millionen als Billigkredit für Eltern von drei Kindern. Wer weniger Kinder in die Welt setzt, bekommt auch weniger Geld. Und natürlich gibt es Kinderbetreuungsgeld, in Abstufungen bis zum 3. Lebensjahr. All diese Leitungen bleiben auch 2023 erhalten, trotz wachsender wirtschaftlicher Probleme als Folge des russischen Krieges gegen die Ukraine.
Aufgrund all dieser Anreize und Erleichterungen stieg die Geburtenrate – also die Anzahl der Kinder, die „eine“ Frau statistisch gesehen im Laufe ihres Lebens zur Welt bringt – deutlich an. 2011 lag dieser Wert für Ungarn bei 1,25. Im Juni 2022 lag der Jahresdurchschnitt bei 1,55 – ein leichter Rückgang nach einem Höhepunkt von statistisch 1,59 Kindern pro Frau. Der Grund für den Rückgang dürften die auf einanderfolgenden großen Krisen sein – erst Covid, dann der Ukraine-Krieg mit seinen wirtschaftlichen Folgen.
Der hohe Aufwand für den Staat lohnt sich nicht nur in Kindern
Die deutschen Werte liegen ähnlich, allerdings holte Ungarn etwas deutlicher auf (Deutschland: 2010: 1,39, 2021: 1,58). Ein wichtiger Unterschied: 2021 hatten 23,9 Prozent aller Neugeborenen in Deutschland ausländische Mütter. Ein Vergleichswert für Ungarn ist nicht bekannt.
Der hohe finanzielle Aufwand für den Staat rechnet sich freilich nicht nur in Kindern. Die ungarische Strategie ist immer auch ein Konjunkturprogramm – mehr Geld für die Familien, mehr Inlandsnachfrage. Es stärkt weiterhin vor allem die Mittelklasse, ein wichtiges Ziel der Fidesz.
Obwohl mehr ungarische Frauen mehr Kinder bekamen, arbeiten sie auch mehr – dank eines ausgeweiteten Angebots an Krippenplätzen und des in den vergangenen Jahren dynamisch gewachsenen Arbeitsmarktes. 2010 arbeiteten 33 Prozent der Mütter von Kindern unter sechs Jahren. 2020 waren es 43 Prozent.
Orbán will die Unterstützung noch ausbauen
Obwohl Ungarns Geburtenrate gestiegen ist, reicht dies noch nicht: 2,1 Kinder pro Frau ist der Wert, bei dem eine Gesellschaft sich regeneriert, also weder schrumpft noch wächst.
Aber es ist ein Anfangserfolg. Die Covid-Pandemie und die wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Krieges dürften sich, wie angedeutet, jedoch negativ auswirken – sowohl auf die wirtschaftliche Lage vieler Familien als auch auf die finanzielle Leistungsfähigkeit des Staates.
Orbán hat jedoch deutlich gemacht, dass er unter allen Umständen nicht nur an den bisherigen Leistungen für Familien festhalten, sondern sie sogar noch ausweiten will.
Mittel lassen sich auftreiben, wenn man nur will
Zuletzt die Frage: Könnte auch Deutschland eine ähnlich großzügige Familienpolitik betreiben? Könnte überhaupt genug Geld dafür gefunden werden? Das ist keine schwere Frage. Ein Blick auf die Hilfen Deutschlands für die Ukraine zeigt rasch, dass Geld schnell zur Hand sein kann, wenn nur der politische Wille dafür da ist.
Nach Angaben des Auswärtigen Amtes unterstützt Deutschland die Ukraine bisher, über den Daumen gepeilt, mit mehr als 3,5 Milliarden Euro – ohne Waffenlieferungen einzurechnen und ohne den deutschen Anteil am neuen EU-Hilfspaket von 18 Milliarden Euro. Aber das ist ein Klacks im Vergleich zu den Summen, die Deutschland bis 2025 für seine Energiewende bezahlt haben wird – mehr als 500 Milliarden Euro.
Das soll natürlich nicht bedeuten, dass man statt der Ukraine lieber die Familien unterstützen sollte. Es soll nur zeigen, dass Geld dort ist, wo ein Wille ist. Freilich gehört dazu auch eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik – ohne ein wachsendes Bruttoinlandsprodukt wird es schwer. Ungarn gehört in der Hinsicht zu den Spitzenländern in der EU.
basöldfaslfjöasf
Was soll ich groß schreiben !? Recht hat er !11
Wer weiß, dass sämtliche Grundversorgung vom jew. Kollateralkonto beglichen wird, der kann sich vorstellen was in der BRD den Menschen vorenthalten oder durch riesige Bearbeitungsgebühren abgesaugt und anderweitig „verwendet“ wird.
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