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Kolumne „Der Schweizer Blick“

Der Tod als PR-Gag

Margaret Thatcher ist am 8. April 2013 verstorben. Die einstige Premierministerin von Großbritannien hat ihr Land umgestaltet. Die Bilanz ihrer Amtszeit fällt je nach Perspektive unterschiedlich aus. Hat es die „Iron Lady“ mit ihrem Privatisierungswillen übertrieben? Oder hat sie zu Recht die verkrusteten Strukturen einer überreglementierten, verbeamteten Nation gesprengt?

Die Jungsozialisten in der Schweiz sind sich einig: Thatcher stand für den Neoliberalismus, den sie bekämpfen. Ihr Tod war für sie daher ein Segen. Zum zehnten Jahrestag meldete sich die Jungpartei im Kanton Aargau zu Wort. Unter anderem mit den Hashtags „happydeathday“ und „restinpiss“. Einen Literaturpreis werden sich die jugendlichen Kapitalismusabschaffer damit nicht holen. Aber ihr Ziel ist auch weit banaler: Sie möchten Schlagzeilen generieren. Was sie damit locker geschafft haben.

Die „Juso“ haben seit vielen Jahren eine klar umrissene Aufgabe. Während die Sozialdemokratische Partei (SP) als ihre Mutterpartei halbwegs versucht, Realpolitik zu betreiben, weil sie in die Regierung eingebunden ist, darf der Nachwuchs geplant verbal Amok laufen. Er soll sogar. Denn die SP leidet oft unter ihrer kurzen Leine. Ihr ist es ganz recht, dass der pubertierende Parteiflügel am Laufband Unterschriften für Anliegen sammelt, die das Land umgehend in den Bankrott treiben würden. Sollen sie sich ruhig austoben, solange das Grundanlegen edel klingt aus Sicht linker Politik. Die Jungen müssen sich eben die Hörner abstoßen. Werden sie älter, gesellen sie sich dann sowieso zu den „Realos“. Der Präsidentenstuhl der Juso ist schon längst zum Katapult ins Parlament geworden.

Wie praktisch, dass Tote schweigen

Aber vielleicht gibt es ja doch Grenzen, wenn es darum geht, eine Sau durchs Dorf zu treiben? Den Tod eines Menschen zu feiern, weil er oder sie eine bestimmte politische Haltung vertreten hat: Es ist, auch wenn man die Quelle nicht sonderlich ernst nehmen muss, zunächst einmal widerlich. Aber neben der offensichtlichen Geschmacklosigkeit steckt mehr dahinter. Es ist die tiefe Sehnsucht danach, sich mit einem anderen Weltbild gar nicht erst auseinandersetzen zu müssen. Wer tot ist, schweigt. Den muss man nicht mehr mit Argumenten schlagen, und das ist ganz schön praktisch.

Thatcher hat damals auf demokratischem Wege Wahlen gewonnen, und das mit einem politischen Programm, das den Bürgern bekannt war. Sie fand eine bestimmte Situation mit viel Handlungsbedarf vor, und sie hat Schritte eingeleitet. Diese haben ohne Frage auch Opfer gefordert, und längst nicht jeder hat persönlich von ihrer Politik profitiert.

Das trifft allerdings in einem noch weit größeren Maßstab auf die Ideologie zu, von der die Jungsozialisten immer noch träumen: von Entprivatisierung und Verstaatlichung, von der Gleichmacherei, von einer Welt, in der alle gleich viel besitzen, in der Theorie mehr als genug, in der Praxis so gut wie nichts mehr.

Was der Sozialismus und seine Vertreter gemein haben

Visionen sind das Vorrecht der Jugend. Früher oder später muss diese aber lernen, dass es nicht reicht, sie lautstark in die Runde zu brüllen. Was nachgeliefert werden muss, ist der Tatbeweis: Kann aus der Vision Realität werden, und führt diese Realität zu einer besseren Welt? „Besser“ nicht im Sinne von Schilderungen des Paradieses auf Erden in Büchern, sondern für die Menschen, die man zu schützen vorgibt. Dass der Straßenbauer, der täglich unter sengender Sonne schuftet und sich zu Hause mit dem verdienten Bier aufs Sofa setzt, von sozialistischer Politik profitiert, wurde bisher nur widerlegt und niemals bewiesen.

Wie groß die Bereitschaft ist, Menschlichkeit und Anstand zur Seite zu legen, wenn es darum geht, unliebsame Meinungen zu geißeln, zeigt ein Nebengleis der kleinen Affäre. Eine Aktivistin, die sich dem Kampf gegen Hass im Internet verschrieben hat, meldete sich zu Wort und kritisierte, die Juso hätten den „moralischen Kompass verloren“. Damit hat sie sicher recht. Nur: Dieselbe Frau hat vor einigen Jahren vor laufender Kamera den gewaltsamen Tod eines Rechtsanwalts, der ihr nicht gewogen war, als Folge von „Karma“ bezeichnet. Da scheint der Kompass auch eine leichte Justierung nötig zu haben.

Aber man kann es auch mit einem Schuss Pragmatismus betrachten. Sozialismus ist in letzter Konsequenz immer menschenverachtend, auch wenn er das Gegenteil vorgaukelt. Daher ist es nur folgerichtig, wenn seine Vertreter das auch sind.

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