Direkt zum Inhalt
Aufregung um Wahl von AfD-Landrat

Ein Panik-Gespenst geht um in Deutschland

Seitdem Robert Sesselmann am Sonntag in der Stichwahl zum Landrat im Thüringer Kreis Sonneberg und damit zum ersten Landrat mit AfD-Parteibuch gewählt wurde, kochen Politik, Medien und Twitter hoch und ein Ende ist nicht in Sicht. Da wird hyperventiliert, alarmiert, gewarnt, gebangt, gezittert, sich entrüstet.

Fast möchte man bei den Machern der WDR-Sendung „Quarks“ anrufen und ihnen vorschlagen, Instagram-Beiträge mit Titeln wie „So groß ist die psychische Belastung durch die Wahl eines AfDlers“ oder „So kannst du mit deinen AfD-Gefühlen umgehen“ zu veröffentlichen. Ähnliches postete der Sender des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vor einer Woche zum Thema „Klimakrise“.

Mit dem Umgang mit AfD-Gefühlen beschäftigen sich Politiker, Medien und Journalisten jeglicher Couleur – zumindest bislang – eher nicht, wohl aber mit der Frage, wie dieser „Riss der Brandmauer gegen Rechts“ wieder zu flicken wäre – und kommen auf unterschiedliche Ergebnisse. Folgende Analyse trifft Innenministerin Nancy Faeser (SPD): „Die AfD wird immer dann stark, wenn in der Mitte der Gesellschaft rechte Themen hochgepeitscht und Begriffe und Positionen übernommen werden. Die Lehre für alle Demokraten muss sein, um die besten Lösungen zu ringen, ohne in die hasserfüllte Sprache der Populisten zu verfallen.“

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel ergänzt und von der Redaktion empfohlen wird. 

Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Aha. Schuld sind demnach also diejenigen Politiker und einflussreichen Personen, die sich für einen Stopp irregulärer Migration aussprechen, auf erschöpfte Aufnahmekapazitäten für Flüchtlinge und Migranten aller Art aufmerksam machen, effektivere Abschiebung und die Möglichkeit der Erweiterung sicherer Drittländer ehrlich thematisieren.

„Im Notfall könnte man die Linkspartei wählen“

Was sind überhaupt „rechte Themen“? Wem liegt die Definitionshoheit zugrunde? Ist es das Warnen vor den Folgen der Masseneinwanderung, aufgrund tagtäglicher Nachrichten von Massenschlägereien und sexueller Übergriffe in Schwimmbädern, Messerattacken in Zügen oder die auf offener Straße ausgetragene Eskalation zwischen Clans, bei denen die Polizei scheinbar macht- und ratlos vom Rand aus zusieht? Sind „rechte Themen“ Kritik am geplanten Selbstbestimmungs- oder Heizungsgesetz? Kritik an der von Grünen postulierten und manchen Bürgerlichen willfährig umgesetzten „Energiewende“?

Den Kopf schütteln kann man nur über Finanzminister Christian Lindner (FDP), der am Montag auf einem Bürgerdialog in Weimar den Satz fallen ließ: „Es tut mir in der Seele weh, es zu sagen, aber im Notfall könnte man noch die Linkspartei wählen.“ Seelenschmerz hin oder her: Es ist einfach ein No-Go für den Kopf einer ursprünglich klassisch liberalen Partei, die Nachfolgepartei der ehemaligen SED als Wahloption zu bewerben. Die Panik und Verzweiflung gegenüber dem Erstarken der AfD muss sehr groß sein, dass sich Christian Lindner zu solch einer Aussage verpflichtet fühlt.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel ergänzt und von der Redaktion empfohlen wird. 

Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.
Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel ergänzt und von der Redaktion empfohlen wird. 

Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Dasselbe gilt für das Gebaren der CDU-Nachwuchsorganisation Junge Union. Diese distanzierte sich ernsthaft von einem Tweet ihrer Kollegen in Sonneberg, die Sesselmann zum Wahlsieg gratuliert hatten, und sprach von „Verrat“. Der Eintrag der JU Sonneberg war da freilich schon wieder gelöscht.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel ergänzt und von der Redaktion empfohlen wird. 

Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Die CDU muss sich dem Kulturkampf stellen

Verwunderung hinterlassen auch Äußerungen der sich als liberal-konservativ bezeichnenden Publizistin Liane Bednarz. Das CDU-Mitglied wirft dem CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz „AfD-light-Rhetorik“ und „Krawallkonservatismus“ vor, die auf das Konto der AfD einzahlen würden. Bednarz bezieht sich damit unter anderem auf die Aussage Merz’, die Grünen „werden unsere Hauptgegner sein in dieser Bundesregierung“. Diese tätigte er bei einem Treffen der Unionsvorsitzenden am Montag. Ganz im Sinne Bednarz’ sagt Merz-Kontrahent Norbert Röttgen im Interview mit dem Tagesspiegel, identitärer Kulturkampf sei eine „Verlierertaktik“. Und: „Auch für die CDU wäre es ein Verliereransatz.“

Doch nein, für die CDU gilt: Will sie wieder Wähler gewinnen, die potenziell und tatsächlich eher AfD wählen, muss sie endlich anfangen, in die Offensive zu der Ampel-Regierung zu treten. Dazu gehört der Kulturkampf unbedingt auch dazu, denn: diesen betreiben Grüne, SPD und Linke seit Jahrzehnten mit allergrößter Selbstverständlichkeit.

Der Kulturkampf ist die DNA dieser Parteien. Darüber können konservative und liberale Parteien nicht einfach hinwegsehen. Grenzen werden hier permanent verschoben: Kämpfte man vor wenigen Jahren noch um die explizite Nennung beider Geschlechter, zum Beispiel bei Berufsbezeichnungen, um Schrägstrich und Binnen-I, geht es Parteien links der Mitte heute um das Durchsetzen des Gendersterns, der auch nichtbinäre Personen berücksichtigen soll. Auch die „Ehe für alle“ reicht den Kulturkämpfern nicht. Homosexuelle sind Schnee von gestern, jetzt geht es um das Pushen von „Queerness“.

Laut den Grünen sollte es bereits Jugendlichen erlaubt sein, ohne ärztliche Bestätigung Hormonblocker zu sich zu nehmen. Die Selbstaussage, man fühle sich einem anderen Geschlecht als dem biologischen zugehörig, würde ihnen reichen, um das Geschlecht amtlich ändern zu lassen.

Bürgerliches Selbstbewusstsein wäre angesagt

Bei solchen immer weitreichenderen Verschiebungen nach links können bürgerliche Parteien nicht einfach tatenlos zusehen und gewähren lassen. Natürlich ist das Dagegen-Sein nur eine Seite der Medaille. Die andere ist das Setzen eigener Themen und Standpunkte. Dabei dürfen sich bürgerliche Parteien nicht davon verunsichern lassen, wenn sich einige ihrer Positionen mit denen der AfD decken. Auch dürfen sie sich nicht verunsichern lassen vor dem linken Twitter-Mob, der ihnen in solch einem Fall gerne Nähe zur blauen Schwefelpartei vorwirft mit dem Ziel, sie zu verunsichern. Bürgerliches Selbstbewusstsein wäre angesagt.

Sonneberg hat seit Sonntag einen AfD-Landrat. So what? Vermutlich wird die Partei weitere Erfolge auf kommunaler Ebene feiern. Und die Erde wird sich trotzdem weiterhin um ihre eigene Achse drehen. In Ländern wie Italien (national) oder Österreich (in mehreren Landtagen) regieren rechte Parteien mit, sind Partner der Konservativen oder stellen gar die Ministerpräsidentin.

Und, oh Wunder: Die Demokratien sind immer noch stabil. Es gibt wirklich keinen Grund wegen eines Landrates des zweitkleinsten deutschen Landkreises in Hysterie zu verfallen. Es ist an der Zeit, das Panik-Gespenst zu verscheuchen.

1
0

1
Kommentare

Kommentar
2
Paul Dornfeld
Vor 1 Jahr 4 Monate

So ist es! Herr Merz ist leider ein Totalausfall. Lädt zum CDU-eigenen Parteitag ausgerechnet den Grünen Ralf Fücks ein, um wenig später die Grünen zum Hauptgegner zu erklären. Damit hat er nicht nur sich sondern seine ganze Partei disqualifiziert.

2
Paul Dornfeld
Vor 1 Jahr 4 Monate

So ist es! Herr Merz ist leider ein Totalausfall. Lädt zum CDU-eigenen Parteitag ausgerechnet den Grünen Ralf Fücks ein, um wenig später die Grünen zum Hauptgegner zu erklären. Damit hat er nicht nur sich sondern seine ganze Partei disqualifiziert.