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Konservative an progressiven Unis

Unter linken Kommilitonen

Die Georg-August-Universität in Göttingen hat es wieder einmal zu bundesweiter Bekanntheit geschafft. Der Anlass: Jüngst hat dort die CDU-nahe Hochschulgruppe Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) eine Veranstaltung zum neuen Selbstbestimmungsgesetz organisiert. Die christdemokratische Bundestagsabgeordnete Mareike Wulf sollte zum Thema „Identität auf dem Prüfstand: Selbstbestimmung ohne Grenzen?“ sprechen. Doch dazu kam es nicht. Um die hundert Demonstranten drangen in den Hörsaal ein und machten mit Trillerpfeifen und Geschrei einen solchen Lärm, dass der Vortrag nicht abgehalten werden konnte. Wulf musste den Hörsaal unter Polizeischutz verlassen. 

Bereits im Vorfeld wurde die Veranstaltung von der Grünen Jugend Göttingen als „transfeindlich“ gebrandmarkt und zum Protest aufgerufen. Dem Aufruf schlossen sich mehrere linke Gruppierungen an, wie die Grüne Hochschulgruppe Göttingen (GHG), die Linksjugend solid oder die Studierendenvertretung der Geschlechter- sowie Diversitätsforschung.

Doch wie kann es sein, dass sich binnen kurzer Zeit über 200 Demonstranten formieren, um gegen einen nicht groß beworbenen, im kleinen Rahmen stattfindenden Vortrag zu protestieren? Corrigenda sprach mit zwei Studenten, die sich im RCDS engagieren, über das vorherrschende linke Klima an ihrer Universität und wie es ihnen als Konservative dort ergeht. Der Redaktion sind die tatsächlichen Namen bekannt, aber um soziale Ausgrenzung zu verhindern, wollen die Beiden anonym bleiben.

Das Geld der Studenten wird ausgegeben für Trans-Beratung

„Göttingen ist als sehr linke Uni bekannt. Als CDU-nahe Studentenvereinigung steht man sehr allein da“, sagt Julia. Außer dem RCDS gibt es als liberal-konservative Gruppe noch die FDP-nahe Liberale Hochschulgruppe Göttingen (LHG). Zusammen mit dem RCDS kommen sie auf nur sechs Sitze im Studentenparlament von insgesamt 55. Die Grüne Hochschulgruppe Göttingen (GHG) hat mit 21 die mit Abstand meisten. „Die GHG ist ein eigenes Phänomen in Göttingen. Die machen eigentlich nichts Grünes. Im Wahlkampf reden sie von Queer-Feminismus. Umwelt ist kein Thema, es dominieren eher Identitätsthemen“, erklärt die 21-jährige Jura-Studentin Julia. 

Göttinger Studenten sind verpflichtet, einen Beitrag von 14 Euro pro Semester zu zahlen, der vom Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) verwaltet wird. Der AStA ist so etwas wie die studentische „Regierung“ und besteht derzeit nur aus linken Hochschulgruppen. Der RCDS kritisiert, so berichtet Julia, dass das Geld ausgegeben werde für Trans-Beratung oder Veranstaltungen zu Themen wie Selbstbestimmung oder wie man auf Demonstrationen am besten auf die Polizei reagiere. „Das wird finanziert mit dem Beitrag, den alle zahlen müssen“, ärgert sich die Studentin.

„Die studentischen Vertreter sind theoretisch nicht dazu berechtigt, allgemein Politik zu machen, in dem zum Beispiel zu Demos aufgerufen wird“. Der RCDS hingegen stehe für eine sachorientierte Hochschulpolitik, die sich auf Probleme fokussiert, die wirklich die Studenten betreffen, wie Mensa-Öffnungszeiten oder leistbare Studentenheime.

„Linke Gruppen können ihre Wähler viel stärker mobilisieren“

Die Beteiligung von Studenten an Hochschulwahlen ist fast überall sehr gering. An der Universität Göttingen lag sie bei den Wahlen im Januar bei 37 Prozent, was viel ist, aber daran liegt, dass die Studenten online wählen konnten.

Der 20-jährige Lukas sieht in der geringen Wahlbeteiligung einen Grund für die linke Dominanz an seiner Universität. Viele Studenten interessierten sich nicht für die Wahl, kapselten sich ab. „Die wollen nur ihr Studium durchziehen, gucken nicht links, nicht rechts“, merkt der Student der Politikwissenschaft und Geschichte an. Er ist überzeugt: Wenn die Wahlbeteiligung höher wäre, würden liberal-konservative Gruppen wieder mehr Stimmen bekommen. Doch es gibt auch etwas, was die linken Uni-Gruppen scheinbar besser beherrschen als die konservativen: „Man sieht anhand der Proteste, dass die linken Gruppen viel stärker ihre Wähler mobilisieren können. Die linken Aktivisten sind aktiver“, analysiert Lukas. 

 

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Julia nimmt das ähnlich wahr. „Im konservativen Milieu gibt es weniger Vernetzung und Mobilisierung“, meint sie. Es gebe weniger Bewusstsein für die Wichtigkeit, sich an den Hochschulwahlen zu beteiligen, ganz im Gegensatz zum linken Milieu. 

Auch Lukas stören die einseitigen linken Aktionen und Vorträge zu Themen wie Antikapitalismus, Systemkritik oder dass Klimaschutz nur mit Kommunismus gelöst werden könne, die „von der AStA in die Mitte der Universität getragen werden“.

„Schräge Blicke, wenn man nicht gendert“

An der Universität werde viel protestiert. „Gefühlt jeden zweiten Tag stehen vor der Uni Leute mit Palästina-Flaggen und Boxen, aus denen Palästina-Lieder abgespielt werden“, erzählt Julia. Auch sei nicht nur das Uni-Gelände, sondern die Stadt voll von linken Aufklebern, mit Botschaften wie „Fck RCDS“, die die GHG verbreitet. Diese seien absichtlich im Stil der „Fck AfD“-Sticker gestaltet. „Damit soll suggeriert werden, dass wir quasi zur AfD gehören“, erklärt Julia. Die Studentin spricht von „RCDS-Shaming“, das die linken Hochschulgruppen ganz bewusst betreiben würde. „Ich treffe manchmal Leute, die sagen: ‘Was, du bist im RCDS?’ Da merke ich, wie das Shaming der Linken wirkt“. Sie denkt, diese absichtlich betriebene Abschreckung ist auch ein Grund, warum nur wenige die CDU-nahe Gruppe wählen.

Linke Hochschulgruppen betreiben „RCDS-Shaming“, indem sie die CDU-nahe Gruppe mit der AfD in Verbindung bringen, wie auf der Bemalung und dem Aufkleber zu sehen ist

Doch es ist nicht nur die Hochschulpolitik, die Gedankengut links der politischen Mitte lautstark verbreitet. „Es kommen schräge Blicke, wenn man nicht gendert. Ich habe noch nicht erlebt, dass es gefordert wurde, aber es ist ungeschriebenes Gesetz, man sieht an den Gesichtern der Kommilitonen, dass nicht zu gendern negativ auffällt“, erzählt Lukas aus seinem Alltag in den Lehrveranstaltungen der Politikwissenschaft. 

Die Meinungsäußerungen der Studenten in den Fächern, die er besucht, seien fast durchgehend links. Oft bleibe es nicht bei einer Anmerkung oder Antwort auf eine Frage des Professors, sondern man nehme sich den Raum, seine Haltung breit auszuführen.

Selbstzensur, um nicht negativ aufzufallen

„Es wird von studentischer Seite über die Frage hinaus Politik gemacht“, klagt der Student. Ein Einwand oder Widerspruch darauf folge selten. Kommt es hingegen doch einmal zu einer konservativen Äußerung, fühlten sich die links eingestellten Studenten „berufen, sich dem entgegenzustellen“.

Heißt das, dass die Universität Göttingen ein Pool von queer-feministischen, antikapitalistischen und kommunistischen jungen Leuten ist? Lukas erklärt: „Wenn man von den Meinungsäußerungen schließt, kann man denken, es gibt in meinem Studienfach mehr links eingestellte Studenten. Aber man muss dazufügen: Viele Kommilitonen sagen einfach nichts“. Es gebe Studenten, die sich das ganze Semester nicht einmal zu Wort meldeten. Lukas fragt sich, ob diese Studenten dem innerlich widersprechen, was von linker Seite vorgetragen werde und sie einfach nicht die Lust haben, ihre Meinung kundzutun. 

Als weitere Möglichkeit kommt für ihn aber auch das Phänomen der Schweigespirale infrage: „Es spricht sich ja auch rum, dass Gegenmeinungen nicht gut aufgenommen werden. Eine Art Selbstzensur kann ich mir auf jeden Fall vorstellen, nach dem Motto: Ich möchte hier studieren und nicht eine Diskussion anfangen, wo ich gegenüber den anderen Kommilitonen negativ auffallen könnte“. Lukas betont explizit, dass die linke Meinungsmache von den Studenten ausgehe, nicht von den Professoren oder den Lehrinhalten.

Links zu sein ist noch immer cool

Als weiteren Faktor, warum an der Georg-August-Universität ein starkes linkes Meinungsklima herrscht, nennt Julia das Vorhandensein von Studiengängen, die es an nur wenigen deutschen Universitäten gebe. Ein Blick auf die Liste der Studienfächer zeigt, was sie meint: Man kann einen Bachelor und Master in Geschlechterforschung belegen. Auch ein Masterstudium in sozialwissenschaftlicher Diversitätsforschung wird angeboten.

Letztendlich nimmt Julia wahr, dass es nach wie vor und trotz dem Stimmengewinn bei der vergangenen EU-Wahl für AfD und CDU durch junge Leute ein „bundesweiter Trend unter den Jungen“ sei, links zu sein. „Das ist das Coolere. Ich höre oft von eigentlich unpolitischen Freunden, wenn es zu einer Debatte kommt: ‘Ich bin eher links’“, erzählt Julia. Sie denkt, dass viele, „weil sie es nicht besser wissen“, die Grünen wählen. „Sie wissen eigentlich nicht, wie links die linken Gruppierungen der Uni Göttingen sind. Da herrscht viel Desinformation.“

Autorin Franca Bauernfeind

„Verfallt nicht in eine Schweigespirale, rührt euch!“

Franca Bauernfeind hat vor kurzem ein Buch darüber veröffentlicht („Black Box Uni. Biotop linker Ideologien“), wie es ist, auf dem Campus als „Nazischlampe“ beschimpft zu werden, und wie die linken Ausgrenzungsmechanismen an Hochschulen funktionieren. Was rät die ehemalige RCDS-Bundesvorsitzende nicht-linken Studenten? „Verfallt nicht in eine Schweigespirale, rührt euch, macht eure Meinung klar“, betont sie auf Corrigenda-Nachfrage. „Es gibt nicht nur eine Position, die vertreten werden darf. Vielfalt macht unsere Demokratie aus – auch wenn es vielleicht unangenehm ist, liegt es an dem Einzelnen, sich und seine Meinung kundzutun.“

Sie gibt sich zuversichtlich: „Natürlich können Unis wieder Orte der freien Debatte werden, schließlich sind sie es von Natur aus.“ Allerdings müssten alle Seiten wieder bereit sein, alle Meinungen zu hören und hören zu wollen. „Das gilt in den Seminaren genauso wie untereinander außerhalb der Vorlesungen.“

Mitarbeit: Lukas Steinwandter

 

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Kommentare

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Kommentar
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Andreas Graf
Vor 3 Monate 1 Woche

Was hier geschildert wird, könnte man schon fast als eine Vorstufe einer latenten Christenverfolgung bezeichnen, einer Ächtung von katholisch-konservativen Positionen. Von dieser Vorstufe ist es nur noch ein kleiner Schritt bis zur Anwendung von Gewalt. Wer am lautesten brüllt, der bekommt Recht. Die Grünen pfeifen auf die freie Debatte. Wir bekommen immer mehr zu spüren, was es bedeutet, wenn Jesus von der Kreuzesnachfolge spricht. Dem Knecht ergeht es nicht besser als dem Herrn. Nein, wir lassen uns nicht niederbrüllen, selbst wenn es ein paar Eier an den Kopf bedeuten könnte. Wir folgen Jesus.

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Andreas Graf
Vor 3 Monate 1 Woche

Was hier geschildert wird, könnte man schon fast als eine Vorstufe einer latenten Christenverfolgung bezeichnen, einer Ächtung von katholisch-konservativen Positionen. Von dieser Vorstufe ist es nur noch ein kleiner Schritt bis zur Anwendung von Gewalt. Wer am lautesten brüllt, der bekommt Recht. Die Grünen pfeifen auf die freie Debatte. Wir bekommen immer mehr zu spüren, was es bedeutet, wenn Jesus von der Kreuzesnachfolge spricht. Dem Knecht ergeht es nicht besser als dem Herrn. Nein, wir lassen uns nicht niederbrüllen, selbst wenn es ein paar Eier an den Kopf bedeuten könnte. Wir folgen Jesus.