Direkt zum Inhalt
Kolumne „Der Schweizer Blick“

Demonstrieren statt studieren

Genf, Basel, Bern, Freiburg, Lausanne, Zürich, die ETH: Quer durch die Schweiz hatten Studenten in den letzten Tagen Besseres zu tun, als über Büchern zu brüten oder den Professoren zuzuhören. Sie banden sich ein Palästinatuch um und legten den Betrieb teilweise lahm, indem sie sich an neuralgischen Punkten der Universität zu Demonstrationsgruppen formierten.

Der Protest galt Israel. Denn dieses begehe einen „Genozid“ an den Palästinensern, so der Vorwurf. Unterlegt war das mit den üblichen Schlachtrufen wie „Free Palestine“ oder „From the river to the sea“. Ein Motto, das ironischerweise zur Verwirklichung einen Genozid an Israelis voraussetzen würde.

Der Aktivismus rund um die Vorgänge im Nahen Osten kommt überraschend. Denn im Oktober 2023 herrschte an den Schweizer Universitäten Normalbetrieb. Es ist nichts bekannt von spontanen Kundgebungen gegen das Massaker der Hamas-Terroristen an Zivilisten in Israel, die ein Musikfestival besucht hatten. Offenbar waren das einfach die „falschen“ Opfer. Da gab es also nichts zu protestieren.

Was zweifelsfreier Antisemitismus ist

Antisemitismus ist in der Schweiz in jüngster Zeit vermehrt zum Thema geworden. Die Debatte darüber folgt den bekannten Linien: Ist Kritik an der Regierung des Staates Israel per se antisemitisch? Darüber kann man ganze Abhandlungen schreiben, aber die offensichtliche Antwort muss lauten: natürlich nicht. Denn das würde die besagte Regierung ja unantastbar machen.

Wenn man sich allerdings in den Eingangsbereich oder die Mensa einer Universität legt, um sich starkzumachen für eine Horde Schlächter, die gezielt Jagd auf Menschen jüdischen Glaubens macht, ist das ziemlich weit entfernt von einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit der Arbeit einer Regierung. Und wenn, wie geschehen, ein junger Muslim mitten am Tag in Zürich einen orthodoxen Juden mit einem Messer attackiert, braucht es diese Differenzierung auch nicht. Es ist Antisemitismus, nichts anderes.

Dass die Palästina-Verehrung, die im Grunde eine Terrorismus-Verehrung darstellt, gerade an Universitäten geballt stattfindet, ist aber zugegebenermaßen ein geschickter Schachzug. Im universitären Umfeld tun sich alle Beteiligten sehr schwer damit, die Aktionen einfach zu unterbinden. Immerhin engagieren sich hier junge Menschen für politische Ziele, da darf man sie doch nicht aufhalten dabei. Es ist doch so wichtig, dass sie sich ausleben können!

Terrorismus als „Idee“

Das war zwar ironisch gemeint. Es gibt aber gelehrte Leute, die genau das ganz ernsthaft vertreten. Zum Beispiel der Staatsrechtler Markus Schefer gegenüber dem SRF. Er sagt dort:

„Universitäten sind öffentlich-rechtliche Anstalten und sollen Bildung vermitteln. Sie sind aber auch Orte der kontroversen Auseinandersetzung, wo möglichst alle Ideen geäußert werden können. Gerade wenn die Ideen von jungen Studierenden kommen, muss man eine gewisse Großzügigkeit haben. Ich denke, es ist wichtig, dass sich universitäre Leitungsorgane und insbesondere die Politik ein bisschen zurücknehmen und nicht allzu streng einfahren.“

Toleranz ist ein schöner Charakterzug. Vielleicht treibt es der Staatsrechtler hier aber damit etwas gar weit. Von welchen „Ideen“ spricht er hier? Die Forderung, Israel soll sich aus Gaza zurückziehen und geduldig auf den nächsten Terrorakt auf eigenem Gebiet warten, ist eine Idee, die man großzügig behandeln muss? Man soll sich „zurücknehmen“, wenn zumindest indirekt die Zerschlagung Israels gefordert wird?

Und was ist mit Studenten, die ganz einfach gern ungestört studieren und nicht den ganzen Tag über Kommilitonen mit antisemitischen Tendenzen hinwegsteigen wollen? Natürlich müsse „die Uni ihre Kernaufgabe wahrnehmen“, sagt der Staatsrechtler dazu. Aber dann solle man eben die Prüfungen in einen Saal verlegen, wo gerade nicht protestiert wird. Denn man dürfe nicht den Eindruck vermitteln, „dass sogar an einer Uni junge Leute unter Umständen nicht mehr das sagen können, was ihnen zuvorderst ist“.

Ein Missbrauch von Universitäten, der nichts Gutes ahnen lässt

Es ist auf den ersten Blick gar nicht so einfach, ihm da zu widersprechen. Denn die freie Rede ist das Kernanliegen eines liberalen Geistes. In der Tat soll es auch erlaubt sein, öffentlich Unsinn zu vertreten. Allerdings schlossen Universitäten in der Coronazeit bedenkenlos Studenten aus, welche die Maßnahmen nicht mittrugen und deshalb nicht „zertifiziert“ waren. Es ist mir nicht erinnerlich, dass sich der zitierte Markus Schefer damals dafür starkgemacht hat, dass Kritiker der offiziellen Politik vor Ort ihre Haltung vertreten dürfen.

Außerdem hindert kein Mensch die Studenten daran, sich zu äußern. Aber weshalb müssen sie dazu das Universitätsgelände missbrauchen? Die Schweiz hat – wieder mit der Coronazeit als Ausnahme – eine großzügige Praxis bei der Bewilligung von Demonstrationen. Die offensichtlich unterbeschäftigten Studenten dürften also jederzeit eine Kundgebung anmelden und durchführen. Irgendwo im öffentlichen Raum, wo sie auch von der Allgemeinheit bestaunt werden können.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel ergänzt und von der Redaktion empfohlen wird. 

Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Aber gerade darum ging es eben nicht. Die Studenten wollten ganz bewusst ihre Lehrstätte in Geiselhaft nehmen. 30 von ihnen im Innern der Universität Zürich: Das entfesselt sehr viel mehr Schlagzeilen als 300 von ihnen in der Zürcher Innenstadt. Der Protest, wogegen auch immer er sich richten soll, erhält durch das universitäre Umfeld viel mehr Aufmerksamkeit. Etwas zugespitzt klingt die Botschaft so: Seht her, die intellektuelle Elite der Zukunft macht sich stark für die Hamas, dann kann die doch gar nicht so übel sein!

Doch, kann sie und ist sie. Und dass Schweizer Akademiker der Zukunft weder die Intelligenz noch die Aufnahmefähigkeit aufbringen, das zu erkennen, lässt nichts Gutes ahnen.

 

Kennen Sie schon unseren Corrigenda-Telegram- und WhatsApp-Kanal?

17
4

1
Kommentare

Kommentar
0
Vor 6 Monate

Die Staatsanwaltschaft beim Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) hat Haftbefehle gegen den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu (74), seinen Verteidigungsminister sowie Hamas-Vertreter wegen des Verdachts auf Verbrechen im Gaza-Krieg beantragt. Die 124 Mitgliedsstaaten des Internationalen Strafgerichtshofs müssen den Haftbefehl umsetzen. Hier gibt es kein Klischeedenken und keine Sonderrechte. Das Wort Terrorismus muss neu definiert werden. Studenten müssen sich einbringen, denn an den Kriegsschauplätzen wird gerade ihre Zukunft verspielt.

0
Vor 6 Monate

Die Staatsanwaltschaft beim Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) hat Haftbefehle gegen den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu (74), seinen Verteidigungsminister sowie Hamas-Vertreter wegen des Verdachts auf Verbrechen im Gaza-Krieg beantragt. Die 124 Mitgliedsstaaten des Internationalen Strafgerichtshofs müssen den Haftbefehl umsetzen. Hier gibt es kein Klischeedenken und keine Sonderrechte. Das Wort Terrorismus muss neu definiert werden. Studenten müssen sich einbringen, denn an den Kriegsschauplätzen wird gerade ihre Zukunft verspielt.