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Interview mit Caroline Bosbach

Ist Deutschland noch zu retten, Frau Bosbach?

Caroline Bosbach ist in diesen Tagen schwer zu erreichen. Interviews, Fernsehauftritte, Vollzeitjob bei einem Energieunternehmen, Social Media – außerdem ist die 34-Jährige Bundesvorsitzende des Jungen Wirtschaftsrats der CDU. Bosbach hat eine klare Meinung zur Ampel-Regierung und nimmt auch kein Blatt vor dem Mund. 

Im Interview mit Corrigenda spricht die gebürtige Rheinländerin aber nicht nur über Wirtschaft und Politik, sondern auch über ihre Jugend, Beziehungen und ihren Vater Wolfgang Bosbach. Außerdem gibt die Betriebswirtschaftlerin einen Ratschlag fürs Leben.

Frau Bosbach, ist Deutschland noch zu retten?

Deutschland ist selbstverständlich zu retten. Ich habe grundsätzlich ein großes Zutrauen in die Menschen, die hier leben, vor allem in unsere Unternehmer, unseren Mittelstand, die Industrie. Das sind nämlich diejenigen, die den Sozialstaat am Laufen halten. Was es ihnen schwer macht, was es uns allen schwer macht, sind die Rahmenbedingungen. Die sind, wenn man es diplomatisch ausdrückt: renovierungs- und optimierungsbedürftig. Wir haben seit zwei Jahren eine links-grüne Regierung, die sowohl die Gesellschaft als auch die Wirtschaft transformieren möchte. Daraus hat sie auch kein Geheimnis gemacht. Damit ist sie angetreten, die sogenannte Fortschrittskoalition. Also ja: Natürlich ist Deutschland noch zu retten. Was wir aber schnellstmöglich brauchen, ist ein Wechsel bei den Verantwortungsträgern im Land, aber auch in der Stimmung. Ich habe den Eindruck, dass sie immer aufgeheizter wird.

… und deprimierter.

Deprimierter nicht, denn Depression hieße: Ich ergebe mich meinem Schicksal. Das Gegenteil ist der Fall. Die Stimmung wird gereizter und aufgeladener – das ja. Deprimiert geht für mich eher Richtung Resignation. Das haben wir nicht. Das sehen wir allein schon daran, dass wir einen starken Zuwachs an Wutbürgern haben, die zu den politischen Rändern laufen, von denen wir aber wissen, dass sie keine Alternativen für dieses Land sein können.

Was könnte die Bundesregierung in Sachen Wirtschaftspolitik ändern?

Die könnte eine ganze Menge tun. Nur mal einige Stichworte: Energie, Steuersätze, Arbeitskosten, Fachkräftemangel, Digitalisierungsrückstand, Infrastruktur, Genehmigungsverfahren, Regulierungswut. Es gibt sehr viel zu tun.

Warum geht sie das nicht an? Schließlich muss einer Bundesregierung doch daran gelegen sein, dass es wirtschaftlich brummt.

Sie hat in den vergangenen Jahren oft genug gezeigt, warum: Weil sie es offensichtlich nicht möchte.

Und wenn sie es möchte, hätte sie auch die Kraft dazu?

Natürlich hat sie die Kraft dazu. Man muss so was aber auch wollen. Ich spreche hier vor allem von den Grünen und von den Sozialdemokraten. Eigentlich müssten aber auch Fans der Umverteilung wissen, dass immer erst erwirtschaftet werden muss, was dann ausgegeben werden kann.

„100.000 Bürgergeldempfänger weniger würden den Staat um zwei bis drei Milliarden Euro entlasten“

Der Sozialstaat wird immer weiter ausgebaut.

Wir können diesen Sozialstaat aber irgendwann nicht mehr finanzieren. Alle rufen nach mehr Geld für Pflege, Rente, Bildung, Digitalisierung und Umweltschutz etc. Das mag alles richtig sein, es muss aber auch bezahlt werden. Stattdessen gibt es aber immer mehr Transferleistungsempfänger, und so, wie Rahmenbedingungen gesetzt werden, ist da auch kein Ende abzusehen. Der Trend ist meiner Meinung nach unumkehrbar, wenn man nicht spürbar etwas ändert, wenn nicht wesentlich stärker sanktioniert wird und damit mehr Menschen in Arbeit gebracht werden. Ich nenne mal eine Zahl, die in der breiten Öffentlichkeit vielleicht nicht so bekannt ist: Allein 100.000 Bürgergeldempfänger weniger würden den Staat – Achtung – pro Jahr um zwei bis drei Milliarden Euro entlasten.

Das ist eine nicht zu unterschätzende Summe mit Blick auf die klammer werdende Staatskasse.

Ja, und wenn du dich damit beschäftigt, weißt du das. Wenn du dich damit nicht beschäftigst, kannst du das nicht wissen. Die Bundesregierung weiß es aber! Wir haben 3,98 Millionen Bürgergeldempfänger in Deutschland, die erwerbsfähig wären. 

Was schlagen Sie vor?

Arbeitsanreize schaffen! Dass die Leute auch wieder sagen, es lohnt sich, zu arbeiten. Diese Diskussion ist nicht neu. Mich wundert aber, und das kreide ich dieser Regierung an, dass sie all das weiß. Sie kennt die Zahlen besser als jeder andere. Sie tut aber das Gegenteil von dem, was sie tun müsste. Mir ist keine Regierung bekannt, die so sehr an den Mehrheitsmeinungen und -bedürfnissen dieses Landes oder ihres eigenen Volkes vorbeiregiert. Ob es um das Bürgergeld geht, das Gendern, den Ausstieg aus der Kernkraft, das Gebäudeenergiegesetz und so weiter, bei all diesen Themen wissen wir, dass sie der Stimmung im Land nicht zuträglich sind und von der Bevölkerung abgelehnt werden. Trotzdem werden sie durchgesetzt.

Beim Gebäudeenergiegesetz beispielsweise ist die Regierung zurückgerudert und hat Anpassungen vorgenommen.

Das passiert selten und immer nur dann, wenn der Druck so groß ist, dass sie es selbst medial nicht mehr verkaufen kann. Das Verfassungsgericht musste im vergangenen Jahr zweimal eingreifen, einmal ging es ums Gebäudeenergiegesetz und dann noch mal Ende des Jahres um die Haushaltstrickserei. Seit diesem Zeitpunkt ist es nicht mehr möglich, die Probleme mit neuen Schulden zuzuschütten. Spätestens seitdem ist die Bedeutung der Wirtschaftskraft, der Wettbewerbsfähigkeit meines Erachtens eine andere.

„Natürlich hat die CDU eine Mitverantwortung“

Sie arbeiten für ein Energieunternehmen, und Energie ist der Lebenssaft eines Industrielandes. Selbst wenn der Wille da wäre, hätte Deutschland noch genügend und günstigen Lebenssaft?

Günstige Energie nicht. Durch die im internationalen Vergleich sehr hohen Energiepreise bei uns verlieren die hier ansässigen Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit immer mehr. Das ist alles nicht neu. Es ist ein Mythos, dass der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine schuld daran sei, dass wir so hohe Energiepreise haben. Wir hatten schon vor dem Krieg die mit Abstand höchsten Energie- und Strompreise in der Europäischen Union. In Talkshows hört man nur, wir hätten immer vom günstigen russischen Gas gelebt.

Aber das russische Gas war doch billiger als anderes auf dem Weltmarkt.

Der Arbeitspreis war immer niedrig. Auf diesen werden aber enorm hohe Steuern und Abgaben draufgeschlagen. Immerhin beim Ranking der Energiepreise sind wir Spitzenreiter.

Welchen Anteil hat die CDU an der aktuellen wirtschaftlichen Misere?

Natürlich hat die CDU eine Mitverantwortung, weil sie 16 Jahre an der Macht gewesen ist. Diese Weichen sind damals gestellt worden. Zwei Beispiele zeigen, dass die Ampel die Fehler aber verstärkt und eine Behebung derselben verhindert hat. Erstens: Im vergangenen Jahr ist Deutschland zum denkbar ungünstigsten aller Zeitpunkte aus der Kernkraft ausgestiegen. Das unter Verantwortung der Ampel. Zweitens: Bürokratie. Wir hatten vorher schon eine überbordende Bürokratie und Regulierungswut, doch in den vergangenen zwei Jahren hat sich das laut Normenkontrollrat noch mal in schwindelerregende Höhen hochgeschaukelt.

Das Ifo-Institut hat mitgeteilt, dass in der Industrie die Zeiten auf Personalabbau stünden. Herrscht in Deutschland Fachkräftemangel oder ist das nur ein argumentativer Trick der Politiker, die überfordert sind mit der Masseneinwanderung?

Wichtig ist: Wir haben nicht nur einen Fach-, sondern vor allem einen Arbeitskräftemangel. Fachkräftemangel, da denken wir an MINT-Berufe, da denken wir an IT. Richtig ist, dass wir aber nur rund 275.000 offene MINT-Stellen in Deutschland haben. Wir haben aber insgesamt vier Millionen Menschen, die nicht erwerbstätig sind, es aber sein könnten. Es geht vielmehr um ungelernte Berufe in Dienstleistungsbereichen, Reinigungswirtschaft, Sicherheitswirtschaft, Gastronomie, man denke an die Situation an den Flughäfen. In Berlin fandest du vergangenes Jahr kein Restaurant mehr, das nicht einen Ruhetag einführen oder früher schließen musste, weil es zu wenig Personal gab. Und da spielt das Bürgergeld natürlich eine ganz entscheidende Rolle. Bevor wir uns mit Einwanderung beschäftigen, sollten wir doch bitte erst mal diejenigen in Arbeit bringen, die wir hier haben.

Zur Person Caroline Bosbach

Caroline Bosbach kam 1989 als älteste von drei Schwestern in Bergisch Gladbach auf die Welt. Sie modelte während der Schulzeit, studierte anschließend Business Communication Management in Berlin und arbeitete viele Jahre in der Gastronomie. Nach ihrem Abschluss 2016 arbeitete sie bei einer Frankfurter PR-Agentur und trat in mehreren Fernsehshows auf, darunter diverse Quizshows, „Grill den Henssler“ oder „Let’s Dance“. Die Tochter von CDU-Politiker Wolfgang Bosbach ist ebenfalls Mitglied der Christlich Demokratischen Union und arbeitete im Wahlkampfteam des früheren hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier sowie als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bundestag. Seit 2021 ist Caroline Bosbach Bundesvorsitzende des Jungen Wirtschaftsrats der CDU. Im selben Jahr erschien ihr Buch „Schwarz auf Grün. Was die schweigende Mehrheit umtreibt“. Sie war kurzzeitig mit dem SPD-Politiker Oliver Strank verlobt. Seit August 2023 ist sie für das Energieunternehmen Stromkontor Rostock in Bergisch Gladbach tätig.

Jedes Jahr wandern 50.000 bis 100.000 gut ausgebildete Menschen aus Deutschland aus. Was sind die Gründe dafür?

Es liegt nicht daran, dass Deutschland nicht lebens- und liebenswert wäre. Stattdessen gilt es zu fragen: Warum sollten junge, gut ausgebildete, motivierte, engagierte Menschen ausgerechnet in dem Land arbeiten mit der höchsten Steuer- und Abgabenlast? Wenn du weißt, dass jeder zweite Euro, den du verdienst, erst mal weg ist, und wenn ich in anderen Ländern andere Möglichkeiten und mein ganzes Leben noch vor mir habe, verstehe ich das. Es geht also um die Attraktivität, in diesem Fall um den Wirtschafts- und auch Arbeitsstandort Deutschland. Andere Länder haben bessere Rahmenbedingungen. Deswegen sagen junge Menschen, warum soll ich hierbleiben?

„Ich war nicht rebellisch. Ich war einfach verrückt nach Freiheit“

Sie sind die älteste Tochter des CDU-Urgesteins Wolfgang Bosbach. Man stellt sich eigentlich vor, wenn man die Tochter eines konservativen rheinländischen Politikers ist, wächst man wie in einem Klosterinternat auf. Stattdessen haben Sie einmal erwähnt, Sie hätten eine Punk-, eine Metal- und sogar eine Grufti-Phase hinter sich. Wie kommt’s?

Unsere Eltern haben immer gesagt: solange du dich erstens gut benimmst, und zweitens, gute Noten mit nach Hause bringst, kannst du mehr oder minder tun, was du möchtest. Das heißt, das war keine Laissez-faire-Erziehung, die ist schon an bestimmte Bedingungen geknüpft worden. Aber ich habe sowohl das mit dem Benehmen als auch das mit den guten Noten immer ordentlich hinbekommen (lacht). Also habe ich mich ausgelebt, war in verschiedenen Subkulturen unterwegs. Oft werde ich gefragt, ob das eine rebellische Phase war. Doch das kann man nicht sagen. Ich war nicht rebellisch. Ich war einfach verrückt nach Musik, nach Freiheit, nach Abwechslung. Ich bin sehr ländlich und behütet groß geworden, die nächste Bushaltestelle lag 40 Minuten entfernt. Ich bin auf einem Dorf aufgewachsen. Wenn junge Leute da im Hinterkopf haben, ich breche mal aus, ich probiere mich in der Jugend aus, dann ist das für mich völlig nachvollziehbar.

Haben Sie jemals Druck verspürt, in der Schule, im Studium, aber auch später, erfolgreich zu sein?

Ich habe das Glück gehabt, für gute Noten nicht wahnsinnig viel tun zu müssen. Das ging mir zum Glück alles leicht von der Hand. Druck haben wir nie bekommen. Wir haben aber durchaus den Hinweis zu Hause bekommen: Wer nichts im Boden hat, muss was in der Birne haben. Und deswegen Bildung, Bildung, Bildung. Bildung war und ist die einzige Währung, die wir hier in Deutschland haben. Deswegen bin auch ich der Meinung, dass die besten Investitionen die Investitionen in die Köpfe unserer Kinder sind.

Caroline über ihren Vater Wolfgang Bosbach: „Ich finde es genau richtig, wie er das macht: Wem würde es denn helfen, zu Hause zu sitzen und den ganzen Tag zu grübeln?“

Ihr Vater leidet an einer Krebserkrankung. Wie gehen Sie als Angehörige damit um, wenn ein geliebtes Familienmitglied schwer krank ist? Haben Sie einen Ratschlag für andere in dieser Situation?

Nein, das muss jeder für sich selbst entscheiden, und zwar innerhalb der Familien. Ich glaube nicht, dass man da von einem Fall auf den anderen schließen kann. Ich sag mal so, im Grunde ist es ganz entscheidend, wie die Person selbst damit umgeht. Mein Papa hat einfach für sich entschieden, dass er seinen Lebensstil kaum ändern wird. Er arbeitet eigentlich genauso viel wie vorher, beziehungsweise wie die Kraft es zulässt. Er ist ja nach wie vor viel unterwegs, obwohl er kein politisches Mandat mehr hat. Gerade ist er von CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann gefragt worden, ob er den Wahlkampf im Osten unterstützen kann. Ich persönlich finde es genau richtig, wie er das macht: Wem würde es denn helfen, zu Hause zu sitzen und den ganzen Tag zu grübeln?

Spätestens seit Ihrer Teilnahme bei „Let’s Dance“ interessieren sich Medien auch für Sie als Privatperson. Eine Frage, die da immer wieder aufkommt, ist: Gibt es einen Mann in Ihrem Leben? Also: Gibt es einen Mann?

Ich halte Privates gerne privat. Deswegen finden Sie auch keine Antwort auf die Frage in den einschlägigen Klatschseiten.

„Die Angst, etwas zu verpassen, ist eine Volkskrankheit geworden“

Wir sehen es an der Resonanz auf unsere Texte zum Thema Beziehung. Nicht wenige junge Menschen scheinen Probleme damit zu haben, den richtigen Partner zu finden. Die Singlequote ist hoch. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Ich weiß noch, als ich ein junges Mädchen im Teenageralter war, da gab es keine Smartphones, da gab es kein Tinder, da gab’s kein Bumble, da hat es diese ganzen Sachen nicht gegeben. Da hat man sich an so ganz verrückten Orten kennengelernt, die kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen.

Verraten Sie sie uns!

Draußen! Draußen, in der Bahn oder auf einer Party, wo du die ganze Zeit das Handy vor dem Gesicht hattest. Man hatte viel natürlichen, direkten Kontakt zueinander, und ich bin sowieso der Meinung, dass es uns nicht guttut, nonstop in digitalen Sphären abzutauchen. Das echte Leben ist auch schön. Und der Partnersuche schon zuträglicher.

Inwiefern?

Wenn Sie jemanden im Chat kennenlernen, haben Sie ein ganz bestimmtes Bild, eine Erwartung, dagegen können Sie auch nichts tun, das entsteht einfach. Wenn Sie die betreffende Person dann kennenlernen, trifft das mit den Erwartungen, die Sie vorher hatten, selten überein. Dann ist man enttäuscht, und es wird nicht leichter, den richtigen Partner zu finden. Parallel dazu haben wir durch diese Art von Apps viel mehr Auswahl. Je mehr Auswahl du hast, desto unzufriedener wirst du. Weil du dich immer fragen wirst, soll ich mich jetzt wirklich binden? Da draußen gibt es ja noch so viele andere, unzählige Möglichkeiten. Die Vielzahl an Möglichkeiten und diese Suggestion, eine schier unendlich große Auswahl zu haben, macht es schwer, sich zu binden. Man glaubt immer, etwas zu verpassen. Das ist sowieso eine Volkskrankheit geworden, gerade bei jungen Menschen: die Angst, etwas zu verpassen.

Sie sind ebenfalls sehr aktiv. Man könnte meinen, Sie seien ebenfalls von diesem Gefühl besessen?

Sagen wir so: Es ist lange so gewesen, dass ich auf allen Hochzeiten gleichzeitig tanzen wollte. Vor nicht allzu langer Zeit hat der beste Freund meines Vaters mir dann einen Satz gesagt, der mich nachhaltig geprägt hat: Caroline, jedes Nein ist ein Ja für dich! Seitdem begleitet mich dieser Satz. Der Freund meines Papas hat mit Politik nichts zu tun. Er ist erfolgreicher Unternehmer, und ich glaube, dieser Erfolg kommt nicht von ungefähr. Er hat mir schon einige gute Ratschläge gegeben, aber diesen würde ich auch jedem anderen geben: Sich selber öfter zu fragen: Muss das jetzt sein? Ist das nicht vielleicht die kleine Schippe zu viel, diese paar Stunden, die ich vielleicht besser für mich bräuchte, um nachzudenken, zu reflektieren, zu priorisieren.

Vor drei Jahren haben Sie zusammen mit Torsten Weber ein Buch herausgebracht. Im Untertitel heißt es dort: Für eine neue Politik der Mitte. Sie machen keinen Hehl daraus, konservativ zu sein. Ist Konservativismus heute noch in der Mitte oder nicht schon weit rechts, weil sich die Koordinaten so weit nach links verschoben haben?

Die Koordinaten haben sich nicht nach links verschoben, im Gegenteil. Ich glaube, dass wir im Jahr 2024 mit Blick auf die aktuellen Umfragen sehen, dass meine These zutrifft, wonach Deutschland per se ein eher konservatives Land ist und eine bürgerlich-pragmatisch orientierte Mehrheit hat. Es gibt aber viele, die etwas anderes suggerieren möchten: Teile der Medienlandschaft, Teile der Regierung. Mein Eindruck ist, dass die Linken und Grünen, gerade die Jungen, auch im digitalen Raum, lauter und aggressiver in der Kommunikation auftreten. Und ganz wichtig: Sie sind besser vernetzt. Und deswegen kommt es manchmal so rüber, als wären sie in der Überzahl, aber das sind sie nicht.

„Jeder, der kein dickes Fell hat, sollte um die Politik einen großen Bogen machen“

Unter dem Führungsduo Merz und Linnemann hat die CDU wieder einen konservativeren Kurs eingeschlagen. Das neue Grundsatzprogramm ist konservativer. Allerdings hat die CDU auch ein Glaubwürdigkeitsproblem. Wie könnte Ihre Partei wieder an Glaubwürdigkeit gewinnen?

Indem sie die Versprechen, die sie beispielsweise mit dem Grundsatzprogramm macht, mit ihren Forderungen, Thesen und Überzeugungen, die sie dort präsentiert, auch umsetzt. Dass es nicht nur bei Reden bleibt, sondern dass sie auch ins Handeln kommt. Ich persönlich finde das Grundsatzprogramm sehr gut. Ich hoffe nur, es hält länger als bis zu den nächsten Koalitionsverhandlungen.

Sie haben 2021 mal nach einem Auftritt bei SternTV einen Sturm der Entrüstung über sich ergehen lassen müssen. Wie geht man mit einem Shitstorm um?

(lacht) Ich weiß genau, um welche Sendung es geht. Die Themen waren Impfpflicht, Ruf des Muezzins und Gendern. Ich denke, die Redaktion wusste schon, warum sie mich eingeladen hat: weil Frau Bosbach gegen alles drei ist. Genauso war es dann. Auch wenn ich bei den Themen Gendern und Muezzinruf die Mehrheitsmeinung der Bevölkerung wiedergegeben habe, so war Social Media voller niederträchtiger Kommentare.

Ich sag es mal so: Ich habe ein dickes Fell. Jeder, der das nicht hat, sollte um die Politik einen großen Bogen machen. Das meine ich ernst. Und dann musst du dir auch klarmachen, dass die Wut selten gegen dich als Person gerichtet ist, sondern gegen deine Thesen und Haltungen. Dann würde ich jedem empfehlen, den Blick stets auf das Positive zu richten. Damit meine ich: Nach einem Auftritt ist Ihr Postfach voll mit Nachrichten. Davon sind 90 Prozent positiv, in den anderen zehn Prozent werden Sie beschimpft. Welche behalten Sie im Kopf, wenn Sie abends ins Bett gehen: die 90 Prozent positiven oder die zehn negativen?

Ich freue mich über so viele schöne Nachrichten.

Nein, der Mensch hat die Neigung, in genau so einem Fall leider die schlechten Kommentare zu behalten. Bei konstruktiver Kritik hingegen kann man sich schon fragen: Welche Nachrichten bringen mir etwas, woraus kann ich noch etwas lernen?

Sie sind Bundesvorsitzende des Jungen Wirtschaftsrats der CDU, Sie sind medial aktiv, Autorin, Sie haben natürlich auch einen bürgerlichen Beruf. Was treibt Sie an?

Puh, das ist eine gute Frage. Vorweg: Einen ordentlichen Vollzeit-Job zu haben, hat schon mal viele Vorteil (lacht). Dann habe ich die Selbstständigkeit, arbeite als Moderatorin, als Speakerin, als Autorin und habe diverse politische Ehrenämter. Auch der Bundesvorsitz beim Jungen Wirtschaftsrat ist ein hundertprozentiges Ehrenamt. Dafür gibt es keinen Pfennig, was viele auch nicht wissen. Im Grunde treibt mich an, dass ich weiß, was ich dieser Gesellschaft zurückgeben möchte. Und ich möchte vor allem den Leuten eine Stimme geben, die medial unterrepräsentiert sind. Eben diese habe ich in meinem ersten Buch auch so benannt, die sogenannte schweigende Mehrheit. Ich setze mich ein, und ich habe keine Angst, meine Stimme zu erheben.

Dürfen wir Sie bald als aktive Politikerin erleben?

Der Blick in die Glaskugel ist schwer, weil ich das einfach noch nicht für mich entschieden habe. Ich bin mit dem Wissen groß geworden, wie viele Schattenseiten die Politik hat. Ich bin in einem politischen Haushalt aufgewachsen, mein Vater saß 23 Jahre im Deutschen Bundestag. Glauben Sie mir, ich habe nicht nur Schönes erlebt und gehört. Aber ich bin ein politischer Mensch, weshalb ich nichts ausschließen möchte. Ob der vielen Schattenseiten würde ich jedem Menschen raten, gerade den Jungen, sich das ganz genau zu überlegen. Und vor allem, sich niemals von der Politik abhängig zu machen. Weder emotional noch finanziell.

 

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Kommentare

Kommentar
5
Stiller Leser
Vor 8 Monate 1 Woche

Wenn Frau Bosbach in die aktive Politik ginge und ihre Partei auf Linie brächte, würde ich mir die Wahl der Union vorstellen können.
Aktuell hat sie aber an Glaubwürdigkeit verspielt. 🤷‍♂️

3
Armin Eck
Vor 8 Monate 1 Woche

Starkes Interview und noch stärkere Frau.

2
Andreas Graf
Vor 8 Monate 1 Woche

Frau Bosbach sondert die typischen langweiligen CDU-Plattitüden ab. Die Kern-/Streitthemen klammert sie aus. Sie hat nicht verstanden, weshalb die "Wutbürger" zu den rechten Rändern laufen, deren Lösungen sie ablehnt. Sie ist ein angepasstes Mädchen, das wohlbehütet aufgewachsen ist. Die Not des gemeinen Bürgers kennt sie nicht. In der Personalie ist vermerkt, sie sei im Wahlkampfteam von Ministerpräsident Volker Bouffier gewesen. Das entlockt mir ein abwertendes Schmunzeln.

1
Josef H.
Vor 7 Monate

„ Das sehen wir allein schon daran, dass wir einen starken Zuwachs an Wutbürgern haben, die zu den politischen Rändern laufen, von denen wir aber wissen, dass sie keine Alternativen für dieses Land sein können.“
Ab hier ist der Artikel/die Meinung von Frau Bosbach uninteressant. Wer Kritiker der für Deutschland fatalen Politik der Ampel als „Wutbürger“ bezeichnet und meint zu „wissen“, dass die AfD „keine Alternative“ sein kann, dass deren Wähler zu ihnen „laufen“- wer diese Sprache spricht, ist intellektuell im Aus.

0
Anja T. F. aus…
Vor 8 Monate 1 Woche

Ein nachdenklich stimmendes Interview einer tapferen jungen Frau. Ein dickes Fell in der Politik musst du haben. Wir haben wirklich die schlechteste Regierung seit 30 J. Dass mit den Hartz-4-Empfängern, die jetzt nicht mehr so heißen, damit hat die Bosbach einen Punkt. Aber dass gut ausgebildete Menschen aus Deutschland weggehen weil der Fiskus so lange Finger macht, das ist schon traurig, dass die Leute so denken, ich mein, Kontostand so und so, aber gibt es denn kein Heimatgefühl mehr? Woanders ist es selten besser. Einfach weggehen und dann ohne Familie und Eltern im Ausland zu leben, wo keiner auf einen wartet. Nein, das ist es nicht.

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Josef H.
Vor 7 Monate

„ Das sehen wir allein schon daran, dass wir einen starken Zuwachs an Wutbürgern haben, die zu den politischen Rändern laufen, von denen wir aber wissen, dass sie keine Alternativen für dieses Land sein können.“
Ab hier ist der Artikel/die Meinung von Frau Bosbach uninteressant. Wer Kritiker der für Deutschland fatalen Politik der Ampel als „Wutbürger“ bezeichnet und meint zu „wissen“, dass die AfD „keine Alternative“ sein kann, dass deren Wähler zu ihnen „laufen“- wer diese Sprache spricht, ist intellektuell im Aus.

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Anja T. F. aus…
Vor 8 Monate 1 Woche

Ein nachdenklich stimmendes Interview einer tapferen jungen Frau. Ein dickes Fell in der Politik musst du haben. Wir haben wirklich die schlechteste Regierung seit 30 J. Dass mit den Hartz-4-Empfängern, die jetzt nicht mehr so heißen, damit hat die Bosbach einen Punkt. Aber dass gut ausgebildete Menschen aus Deutschland weggehen weil der Fiskus so lange Finger macht, das ist schon traurig, dass die Leute so denken, ich mein, Kontostand so und so, aber gibt es denn kein Heimatgefühl mehr? Woanders ist es selten besser. Einfach weggehen und dann ohne Familie und Eltern im Ausland zu leben, wo keiner auf einen wartet. Nein, das ist es nicht.

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Andreas Graf
Vor 8 Monate 1 Woche

Frau Bosbach sondert die typischen langweiligen CDU-Plattitüden ab. Die Kern-/Streitthemen klammert sie aus. Sie hat nicht verstanden, weshalb die "Wutbürger" zu den rechten Rändern laufen, deren Lösungen sie ablehnt. Sie ist ein angepasstes Mädchen, das wohlbehütet aufgewachsen ist. Die Not des gemeinen Bürgers kennt sie nicht. In der Personalie ist vermerkt, sie sei im Wahlkampfteam von Ministerpräsident Volker Bouffier gewesen. Das entlockt mir ein abwertendes Schmunzeln.

5
Stiller Leser
Vor 8 Monate 1 Woche

Wenn Frau Bosbach in die aktive Politik ginge und ihre Partei auf Linie brächte, würde ich mir die Wahl der Union vorstellen können.
Aktuell hat sie aber an Glaubwürdigkeit verspielt. 🤷‍♂️

3
Armin Eck
Vor 8 Monate 1 Woche

Starkes Interview und noch stärkere Frau.