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Zum 80. Todestag des seligen Bernhard Lichtenberg

Märtyrer der Menschenrechte

Papst Johannes Paul II. erkannte 1994 den Priester Bernhard Lichtenberg als Märtyrer an und sprach ihn 1996 selig. Für die nächste Etappe auf dem Weg zur Heiligsprechung ist noch der Nachweis einer wunderbaren Gebetserhörung auf die Fürsprache des seligen Bernhard erforderlich. 1875 in Ohlau geboren und 1899 in Breslau zum Priester geweiht, war Lichtenberg an der Wende zum 20. Jahrhundert aus Schlesien in die Reichshauptstadt gekommen und dort vier Jahrzehnte tätig gewesen. Nach pastoralen Lehrjahren als Kaplan und Kuratus übernahm er 1913 die Herz-Jesu-Pfarrei im bis 1920 noch selbständigen Charlottenburg. Die „Riesengemeinde“ mit über 30.000 Katholiken wurde aufgeteilt; fünf neue Gotteshäuser entstanden.

Als Mandatsträger der Zentrumspartei im Charlottenburger Stadtparlament verstand er die politische Interessenvertretung als besondere Form priesterlicher Weltverantwortung. Ob nun als Redner auf den Märkischen Katholikentagen gefeiert oder als „Pfaffe“ und „Mann der Dunkelkammer“ in der kommunalpolitischen Arena Charlottenburgs verhöhnt, unbeirrt vertrat er selbst in tumultartig verlaufenden Veranstaltungen einen klaren kirchlichen Standpunkt.

1931 attackierte ihn Goebbels’ Angriff mit dem Vorwurf der „viehischen Totenschändung“, als er eine Einladung zur Verfilmung von Remarques „Im Westen nichts Neues“ mitunterzeichnet hatte. Aber auch die linksbürgerliche Seite sparte nicht mit heftiger Polemik. Auf einer Großkundgebung gegen den Abtreibungsparagraphen 218, zu der ihn sein Bischof als Vertreter der katholischen Kirche entsandt hatte, wurde er geradezu „hinausgepfiffen“.

„Nationalsozialismus, für ihn Häresie und Gottlosigkeit zugleich“

Im neuerrichteten Bistum Berlin wurde er 1931 Domkapitular, 1932 Dompfarrer und 1938 schließlich Dompropst. Er war zuständig für die gesamte Seelsorge, für weibliche Orden, für Alkoholkranke, Konvertiten, Siedler und für die als „Nichtarier“ verfolgten Katholiken.

Besonders bekannt geworden ist Lichtenbergs Gebet, das er unter dem Eindruck des Pogroms der „Kristallnacht“ gesprochen hat:

„Was gestern war, wissen wir. Was morgen ist, wissen wir nicht. Aber was heute geschehen ist, haben wir erlebt. Draußen brennt der Tempel. Das ist auch ein Gotteshaus.“

Seitdem hat er jeden Abend für die „schwer bedrängten nichtarischen Christen und Juden“ wie auch für alle anderen Notleidenden und Verfolgten öffentlich in der Kathedrale gebetet, die nur wenige hundert Meter von der Reichskanzlei entfernt lag.

In einer Einschätzung des Sicherheitsdienstes der SS von April 1940 galt er als „ein fanatischer Kämpfer für die katholische Sache und ein ebenso fanatischer Gegner des Nationalsozialismus, der für ihn Häresie und Gottlosigkeit zugleich ist“.

„Lasst Euch durch diese unchristliche Gesinnung nicht beirren“

Aufgerüttelt durch Bischof von Galens „Brandpredigt“ protestierte Lichtenberg 1941 gegen die „Euthanasie“-Morde: „[A]uf meiner priesterlichen Seele liegt die Last der Mitwisserschaft an den Verbrechen gegen das Sittengesetz und das Staatsgesetz. Aber wenn ich auch nur einer bin, so fordere ich doch von Ihnen, Herr Reichsärzteführer, als Mensch, Christ, Priester und Deutscher Rechenschaft für die Verbrechen, die auf Ihr Geheiß oder mit Ihrer Billigung geschehen, und die des Herrn über Leben und Tod Rache über das deutsche Volk herausfordern.“

Im Oktober desselben Jahres bereitete er eine Kanzelvermeldung vor: „In Berliner Häusern“, so schrieb Lichtenberg, „wird ein anonymes Hetzblatt gegen die Juden verbreitet. Darin wird behauptet, dass jeder Deutsche, der aus angeblicher falscher Sentimentalität die Juden irgendwie unterstützt, und sei es auch nur durch ein freundliches Entgegenkommen, Verrat an seinem Volke übt. Lasst Euch durch diese unchristliche Gesinnung nicht beirren, sondern handelt nach dem strengen Gebote Jesu Christi: ‘Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.’“

Zur Vermeldung kam es nicht mehr, da er „wegen staatsfeindl[icher] Betätigung“ festgenommen wurde. Im Verhör bekannte er in aller Offenheit, „dass ich die Evakuierung [der Juden] innerlich ablehne, weil sie gegen das Hauptgebot des Christentums gerichtet ist: ‘Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst’, und ich erkenne auch im Juden meinen Nächsten, der eine unsterbliche, nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffene Seele besitzt. Da ich aber diese Regierungsverfügung nicht hindern kann, war ich entschlossen, deportierte Juden und Judenchristen in die Verbannung zu begleiten, um ihnen dort als Seelsorger zu dienen.“ Auch später erklärte sich Lichtenberg mehrfach bereit, ins Ghetto Litzmannstadt (Lodz) zu gehen. Die Gestapo hatte diese Möglichkeit vage in Aussicht gestellt, aber nicht ernsthaft erwogen.

Im Gefängnis erreicht ihn ein Gruß Papst Pius’ XII.

Im Mai 1942 verurteilte ein Sondergericht Lichtenberg zu zwei Jahren Gefängnis – die Polizei- und Untersuchungshaft wurde angerechnet – und zu den Kosten des Verfahrens in Höhe von 1.185 RM. Die Zahlung der staatlichen Bezüge wurde eingestellt. Ende September 1943 konnte der Berliner Bischof eine Grußbotschaft des Papstes Lichtenberg persönlich ins Gefängnis übermitteln: „Es hat Uns ... getröstet“, schrieb Pius XII., „dass die Katholiken, gerade auch die Berliner Katholiken, den sogenannten Nichtariern in ihrer Bedrängnis viel Liebe entgegengebracht haben, und Wir sagen in diesem Zusammenhang ein besonderes Wort väterlicher Anerkennung wie innigen Mitgefühls dem in Gefangenschaft befindlichen Prälaten Lichtenberg.“ Über diese Anteilnahme des Papstes war Lichtenberg „ganz überwältigt von Glück“.

Mit dem Ende der Haft wurde Lichtenberg nicht entlassen, sondern der Gestapo „rücksistiert“ und in das Arbeitserziehungslager Wuhlheide gebracht. Das Reichssicherheitshauptamt verfügte die Einweisung in das Konzentrationslager Dachau, obwohl Lichtenbergs besorgniserregender Gesundheitszustand aktenkundig war. In der Gefangenschaft hatte er 33 Kilogramm Gewicht verloren. Mit einem Sammeltransport traf der „Schubgefangene“ Lichtenberg am 3. November 1943 in Hof ein. Am nächsten Morgen wurde er wegen seines lebensbedrohlichen Gesundheitszustandes gefängnisärztlich in das Stadtkrankenhaus in Hof überwiesen. Dort ist er, betreut von Diakonissen und gestärkt mit den Sterbesakramenten, vor 80 Jahren, am 5. November 1943 gegen 18 Uhr, verstorben. Es war der Herz-Jesu-Freitag.

Sein Leichnam wurde nicht eingeäschert, sondern wider Erwarten ortspolizeilich freigegeben, nach Berlin gebracht und auf dem St.-Hedwigs-Friedhof in der Liesenstraße unter großer Anteilnahme der Bevölkerung bestattet. Seit 1965 ruhen die sterblichen Überreste Bernhard Lichtenbergs in der St.-Hedwigs-Kathedrale und zur Zeit während des Umbaus der Kathedrale in der Gedenkkirche Maria Regina Martyrum in Berlin-Charlottenburg.

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