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Marsch füs Leben in Wien

„Man muss sich sein Lebensrecht nicht erst verdienen“

Ein Meer von rosa Luftballons, rosa Bannern und rosa Armbändern, die an den Handgelenken der Teilnehmer prangen. Ein Ziel: „Kinder schützen, Frauen unterstützen und Abtreibungen hinfällig machen“ – unter diesem Motto versammeln sich an diesem Samstagnachmittag bis zu 2.500 Personen am Wiener Karlsplatz, um für die Rechte von ungeborenen Babys zu demonstrieren. Unter den Teilnehmern waren auch die Nationalratsabgeordnete der österreichischen Christdemokraten (ÖVP), Gudrun Kugler, und der Leiter der Plattform Christdemokratie, Jan Ledochowski.

Auch 50 Jahre nach Einführung der Fristenlösung in Österreich kocht das Thema Abtreibung immer wieder hoch: Im September etwa formierte sich die neue Plattform #AusPrinzip, die unter anderem fordert, dass Schwangerschaftsabbrüche aus dem österreichischen Strafgesetz gestrichen werden. Unterstützer des Pro-Choice-Netzwerk ist auch Andreas Babler, der Vorsitzende der österreichischen Sozialdemokraten (SPÖ). In Tirol und Vorarlberg gab es in den vergangenen Monaten Diskussionen darüber, Abtreibungen in öffentlichen Krankenhäusern durchzuführen zu lassen.

Die Teilnehmer trugen Schilder passend zur Stimmung: „Bitte lächeln! Deine Mutter hat sich für dich entschieden“

„Wir wollen endlich eine Statistik und Motivforschung zum Thema Schwangerschaftsabbruch. Wir wollen eine verpflichtende Bedenkzeit von mindestens drei Tagen. Wir wollen eine ärztliche Hinweispflicht für Beratungs- und Unterstützungsangebote“, verkündet Petra Plonner, Vorsitzende der Bürgerinitiative #fairändern, in ihrer Ansprache vor Beginn des Marsches.

Damit ist die Lebensschützerin Plonner nicht allein: Laut der repräsentativen IMAS-Umfrage mit über 1.000 Österreichern wünschen sich 80 Prozent der Bevölkerung mehr Unterstützung für Schwangere in Not. Plonner weiß, wovon sie redet: Als Teenager kurz vor dem Abitur ließ sie selbst eine Abtreibung durchführen.

Grünen-Gemeinderätin rieft zum Gegenprotest auf

„Danke, dass ihr den Mut habt, die Stimme für die Stillen zu sein! Ihr habt das Recht, euch für den Schutz des menschlichen Lebens einzusetzen. Ihr habt das Recht, weil es eine biologische Tatsache ist, dass menschliches Leben mit der Verschmelzung von Eizelle und Samen beginnt. Ihr habt Recht, weil es eine rechtliche Tatsache ist, dass jeder Mensch ab diesem Zeitpunkt eine Würde und ein Recht auf Leben hat“, ruft der Rechtsanwalt Felix Böllmann von der Menschenrechtsorganisation ADF International den Teilnehmern zu.

Die Demonstrationsroute verläuft, anders als in den vergangenen Jahren, nicht über die Wiener Ringstraße, an der sich Parlament, Hofburg, Universität und Rathaus befinden, sondern über die eher ruhige Prinz-Eugen-Straße neben dem Belvedere. Der Grund dafür ist, dass Hannes Brechja, ein Organisator von Demonstrationen, die sich gegen die Corona-Maßnahmen richteten, bereits vor eineinhalb Jahren die Ringstraßen-Route an allen Oktobersamstagen für Demonstrationen „reservierte“. So fand schließlich zeitgleich zum „Marsch für das Leben“ die Demo „Friedensmarsch / Gegen den Great Reset“ statt.

Mehr als 2.000 Teilnehmer des Marsch fürs Leben zogen vom Wiener Karlsplatz über die Prinz-Eugen-Straße neben dem Belvedere

Der Umzug über die Prinz-Eugen-Straße verläuft ruhig und ohne Zwischenfälle, trotz einer Antifa-Gegendemonstration mit dem Motto „Marsch zur Hölle jagen“. Schon vor dem Marsch fürs Leben rief die Wiener Gemeinderätin Viktoria Spielmann von den Grünen zu Gegenprotesten auf. In einer Presseaussendung bezeichnet sie den Pro-Life-Marsch als „toxischen Aufmarsch aus dem christlich-fundamentalistischen und rechten Spektrum, der nichts anderes als einen Gebärzwang fordert“.

Beim Abmarsch vom Karlsplatz wird die Pro-Life-Demo von circa 300 Gegendemonstranten für ungefähr zehn Minuten beim Weitergehen blockiert, bevor die Polizei die Blockade auflöst. Später werden einige Gegendemonstranten von Polizisten festgenommen, laut einem Eintrag des „X“-Accounts „nofundis_wien“ wegen unerlaubter Gesichtsvermummung. Der Mit-Organisator und Moderator des Marsch fürs Leben, Ludwig Brühl, ist zufrieden mit der Arbeit der Polizei: „Sie haben es ganz nach dem Lehrbuch gemacht. So soll es sein“, lobt er im Anschluss gegenüber Corrigenda.

„Würde ist nicht von Herkunft, Alter oder Gesundheit abhängig“

Der Marsch fürs Leben war ein „großes Fest für das Leben“, betont er. „Dieses Jahr sind 50 Jahre Fristenregelung in Österreich und es ist Zeit, endlich eine menschenfreundliche, eine gerechte Lösung zu finden“, sagt Brühl, der auch Pressesprecher von ADF international ist.

Menschenwürde und das Lebensrecht müsse man sich nicht erst verdienen, indem man zwölf Wochen alt wird oder indem man dauerhaft gesund bleibt. „Würde ist nicht von Herkunft, Alter oder Gesundheit abhängig, ungeborene Kinder haben die gleiche Würde und das gleiche Recht wie wir und deswegen sollten wir sie genauso schützen und alles tun, damit sie auf die Welt kommen können“, ist er überzeugt. Nicht nur auf politischer, sondern auch auf kultureller Ebene werden Brühl und seine Mitstreiter dafür aber noch einige Hürden überwinden und viel Gegenwind aushalten müssen. An diesem Samstag wirken sie sehr entschlossen – und gleichzeitig gut gelaunt.

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