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Kolumne „Der Schweizer Blick“

Lehrer, die nicht lernen wollen

Diskussionen sind anstrengend. Im schlimmsten Fall kann man sogar noch etwas lernen aus ihnen. Doch wer will das heutzutage noch? Es gilt, die eigene Überzeugung zu schützen, indem man sich möglichst fernhält von Gegenstimmen. So läuft das in den sozialen Medien, und so läuft es immer öfter in persönlichen Debatten.

Damit kann man an den echten oder digitalen Stammtischen des Landes vielleicht gut leben. Die Schule aber sollte weiterhin ein Ort sein, an dem lustvoll und ergebnisoffen debattiert wird. 2 und 2 sind 4, keine Frage, aber viele Fächer gehen über eine einzige Wahrheit hinaus. Kinder sollten beispielsweise lernen, historische Ereignisse zu interpretieren, über alternative Lösungen nachzudenken und ihre Sicht der Dinge intelligent zu verteidigen. Wie sonst sollen sie später zu eigenständigen Persönlichkeiten werden?

Im Kanton St. Gallen im tiefen Osten der Schweiz haben einige Lehrkräfte offensichtlich andere Vorstellungen davon, was Schule sein soll. Für sie ist diese ein geschützter Rahmen, in dem ausschließlich vermittelt wird, dass staatlichen Vorgaben kritiklos zu gehorchen ist. Fragen sind nicht erlaubt. Wenn ihre persönliche Haltung dem entspricht, was sie den Kindern im Schulzimmer vorleben, kann einen das nackte Grauen ergreifen. Denn sie wehren sich derzeit gerade mit Händen und Füßen, jemandem zuzuhören, der vielleicht nicht das sagt, was sie hören wollen.

Erfolgreichster Komiker der Schweiz zu Podium in Schule eingeladen

Es geht im konkreten Fall um einen Weiterbildungsanlass für Lehrer der Sekundarschule, also der Oberstufe, die von Teenagern besucht wird. Ein solcher Anlass ist im besten Fall inspirierend, bringt neue Erkenntnisse und rüttelt an eingerosteten Mustern. Er zeigt nicht auf, wie es gemacht wird, sondern wie man es auch noch machen könnte.

Laut den Plänen des zuständigen Erziehungsdepartements des Kantons St. Gallen sollte in einer Podiumsrunde ein ehemaliger Lehrer namens Marco Rima mitreden. Dieser ist seit Jahrzehnten einer der erfolgreichsten Komiker der Schweiz. Zugegeben, Rimas aktive Zeit im Klassenzimmer liegt einige Zeit zurück, aber vielleicht wäre es ja gerade deshalb spannend, sein Urteil über das heutige Schulsystem zu hören. Wie erlebt er die Unterschiede zwischen damals und heute? Was hat einer zu sagen, der aus einer anderen Zeit stammt?

Das aber soll nicht geschehen, wenn es nach einigen der Betroffenen geht. Nach der Ankündigung, dass Rima vor Ort sein wird, lief ein Teil der eingeladenen Lehrkräfte Sturm. Sie waren nicht bereit, ihn als Diskussionsteilnehmer zu akzeptieren. Die Medien schrieben sich die Finger wund über die Einladung an den „umstrittenen“ Mann. Sogar das kantonale Parlament soll sich bald mit der Sache befassen.

In Ungnade gefallen, seit sich Rima gegen die Coronamaßnahmen aussprach

Denn während Marco Rima als Bühnenkünstler über viele Jahre Beliebtheit genoss, ist er in jüngerer Vergangenheit bei vielen in Ungnade gefallen. Er gehörte zu den wenigen Kulturschaffenden, die sich während „Corona“ gegen die Maßnahmenpolitik der Schweiz öffentlich geäußert haben. Seitdem polarisiert er.

Das weiß man, es ist Dauerthema in der Schweiz. Aber viele Fragen bleiben offen. Was hat dieses Engagement in den letzten drei Jahren mit seinen möglichen Inputs zum Bildungswesen zu tun? Wieso steht die Sicht der Dinge in Coronazeiten dem Vorhaben im Weg, dass sich ein ehemaliger Lehrer, der selbst zwei Kinder im schulpflichtigen Alter hat, auf einem Podium zum Schulunterricht von heute äußert?

Das wissen nur die Leute, die es gerade ungeheuerlich finden, einen Weiterbildungstag absolvieren zu müssen im Beisein eines Mannes, dem sie in einem völlig anderen Zusammenhang nicht beipflichten. Das Beispiel ist Beleg für die wachsende Intoleranz. Wer eine andere Meinung zum Thema X hat, soll doch bitte auch schweigen, wenn es um Y oder Z geht.

Rimas einziges „Verbrechen“: Er hat eine Meinung vertreten

Die Haltung von Marco Rima wurde bei drei Schweizer Volksabstimmungen rund um die Coronapolitik von rund 40 Prozent des Volkes geteilt. Das ist keine Mehrheit, aber eine ziemlich satte Minderheit. Zu keinem Zeitpunkt hat der Komiker demokratiefeindliche Ansätze vertreten. Er wurde auch nie gewaltbereit mit einer Armbrust vor dem Bundeshaus in Bern gesichtet. Sein einziges „Verbrechen“: Er hat eine Meinung vertreten. Was vielen Lehrkräften offenbar zu weit geht.

Offiziell verschanzen sich die Kritiker hinter dem Standpunkt, jemand, der vor einigen Jahrzehnten als Lehrer tätig war, könne keine wertvollen Diskussionspunkte einbringen. Das ist reichlich seltsam, denn früher war das kein Problem. Es ging oft eben gerade darum, jemanden sprechen zu lassen, der von außen kommt und deshalb eine andere Perspektive hat. Das kann sehr befruchtend sein. Der kleine Gemüsebauer an einem Kongress der Bankiervereinigung: Ist das nicht endlich mal was anderes?

Eine wichtige Botschaft an unsere Kinder

Hätte es in diesem Fall auch Widerstand gegeben, wenn auf dem Podium vor den Lehrern eine Bäuerin mit sieben schulpflichtigen Kindern und ohne jede pädagogische Ausbildung aufgetreten wäre? Ganz im Gegenteil. Alle Beteiligten wären sich einig gewesen: Das ist endlich mal eine erfrischende, praxisnahe Herangehensweise, die verhindert, dass sich die üblichen Verdächtigen stundenlang über das unterhalten, was sie alle schon wissen. Hier hören wir gleich Einsichten, die aus dem echten Leben gegriffen sind. Raus aus der Wohlfühlblase, Konfrontation mit der anderen Sicht. Großer Applaus.

Das ist lange her. Jemand, der kritische Fragen zum Gebaren des Staates stellt, darf den Horizont von Lehrkräften heutzutage offenbar um keinen Preis erweitern. Obschon das vielleicht nicht die schlechteste Idee wäre.

Denn die Geschichte der Menschheit wäre anders verlaufen, wenn wir unseren Kindern diese Botschaft frühzeitig beigebracht hätten: Es gibt Momente, in denen man am Staat und seinen Direktiven zweifeln darf und muss.

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Kommentare

Kommentar
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H.u.P.Dornfeld
Vor 1 Jahr 2 Monate

Vielleicht ist Ihre jetzige Lehrergeneration auch das Ergebnis des linken Marschs durch die Institutionen. Solche sind genetisch links programmiert, d.h. orthodox und intolerant. Und für Schüler solcher Indoktrinierung soll das Wahlalter gesenkt werden, mit welcher Erwartung wohl? Aber vielleicht proben die dereinst ja auch den Aufstand gegen ihre Lehrer, so wie Hr. Aiwanger es als Pubertierender getan hat?
Überraschenderweise sind in Deutschland neuerdings selbst die Oberlehrer der Nation, die Grünen, lernfähig, und nehmen sogar sowas wie die Wiedereinsetzung der Wehrpflicht in den Mund:
https://vert-realos.de/die-zeitenwende-kann-auch-beim-dienst-an-der-ges…
Allerdings verstehen sich diese VERT-Realos als "entschiedene Realpolitiker innerhalb des Realoflügels" also doppelt gemoppelte beinahe-Opposition zur eigenen Partei, womöglich ein Fall für zukünftige Ausschließeritis.

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Lahor Jakrlin
Vor 1 Jahr 2 Monate

Nicht vielleicht.

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Piet Grawe-D.
Vor 1 Jahr 1 Monat

Das sind die Lehrer, die derzeit in den deutschen Medien gefeiert werden:
27.08.2023 https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/streicht-die-grammatik-lehrer-…

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Hans Hirzel
Vor 1 Jahr 2 Monate

Als Gesellschaft bewegen wir uns in rasantem Tempo auf A. Huxleys "Brave New World" zu. Einziger Trost für einige von uns - früher war es besser - oder ist auch dies nur Wunschdenken?

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H.u.P.Dornfeld
Vor 1 Jahr 2 Monate

Sagen wir so: Früher war's noch nicht ganz so schlimm.

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Piet Grawe-D.
Vor 1 Jahr 1 Monat

Das sind die Lehrer, die derzeit in den deutschen Medien gefeiert werden:
27.08.2023 https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/streicht-die-grammatik-lehrer-…

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Hans Hirzel
Vor 1 Jahr 2 Monate

Als Gesellschaft bewegen wir uns in rasantem Tempo auf A. Huxleys "Brave New World" zu. Einziger Trost für einige von uns - früher war es besser - oder ist auch dies nur Wunschdenken?

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H.u.P.Dornfeld
Vor 1 Jahr 2 Monate

Sagen wir so: Früher war's noch nicht ganz so schlimm.

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H.u.P.Dornfeld
Vor 1 Jahr 2 Monate

Vielleicht ist Ihre jetzige Lehrergeneration auch das Ergebnis des linken Marschs durch die Institutionen. Solche sind genetisch links programmiert, d.h. orthodox und intolerant. Und für Schüler solcher Indoktrinierung soll das Wahlalter gesenkt werden, mit welcher Erwartung wohl? Aber vielleicht proben die dereinst ja auch den Aufstand gegen ihre Lehrer, so wie Hr. Aiwanger es als Pubertierender getan hat?
Überraschenderweise sind in Deutschland neuerdings selbst die Oberlehrer der Nation, die Grünen, lernfähig, und nehmen sogar sowas wie die Wiedereinsetzung der Wehrpflicht in den Mund:
https://vert-realos.de/die-zeitenwende-kann-auch-beim-dienst-an-der-ges…
Allerdings verstehen sich diese VERT-Realos als "entschiedene Realpolitiker innerhalb des Realoflügels" also doppelt gemoppelte beinahe-Opposition zur eigenen Partei, womöglich ein Fall für zukünftige Ausschließeritis.

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Lahor Jakrlin
Vor 1 Jahr 2 Monate

Nicht vielleicht.