Die Rückkehr der DDR
„Die BRD – das ist die DDR 2.0!“ Mit dieser Feststellung treten Leute oft an mich, einen Ossi, heran. Nein, das Land, in dem wir leben, ist keine neue DDR. Es gibt keine Mauer, keine Reiseverbote, keine Stasi-Gefängnisse. Dafür alle Zutaten einer parlamentarischen Demokratie, wie freie Wahlen, Gewaltenteilung und unabhängige Justiz. Auf die Frage: „Fühlst du dich heute manchmal an die DDR erinnert?“ hingegen kann es nur ein „Ja“ und ein „Nicht nur manchmal“ geben.
Als jüngst Bundeskanzler, Wirtschaftsminister und ihr medialer Reise-Tross maskenlos nach Kanada flogen, da erinnerte das sehr an die alte DDR. Warum? Eliten in Deutschland muten heute dem gemeinen Mann ein umfassendes Corona-Maskenregime zu, das für sie selbst anscheinend nicht gelten soll. Kritik an solchen Doppelstandards framt man dann als eine Art Hochverrat und müht sich, lächerliche Rechtfertigungen für das eigene Tun zu finden.
Ähnlich war das damals in Wandlitz: Dort hauste die SED-Elite abgeschottet vom Volk und wurde im siedlungseigenen Laden mit Westjoghurt verköstigt, den es sonst im Arbeiter- und Bauernstaat nicht gab. Zweierlei Maß und keine Antenne dafür, dass es sich um ein Problem handeln könnte – damals wie heute.
Damals wie heute: die Vergabe von Privilegien
In der DDR hielt das Regime die meist in der SED organisierten Eliten lange mit der Vergabe von Privilegien bei der Stange. Da die bevorzugte Zuteilung eines Autos, hier eine Reise in den Westen, dort eine dicke Prämie. Noch heute schwärmen ehemalige Angehörige dieser Schicht von solchen goldenen Zuständen. Sie empfinden ihre Ex-Privilegien, für die andere Verzicht üben mussten, nicht als Privilegien. Für sie war es Normalität.
Heute unterhält der Staat in Verwaltung, Universitäten und Kultureinrichtungen neben dem unbedingt notwendigen Personal einen vollalimentierten, steuerfinanzierten Wasserkopf, der sich um seine Existenz keine Sorgen machen muss. Die Pfründenvergabe, etwa an die Heerscharen von „Beauftragten“ für dieses und jenes, erfolgt wie in der DDR nach politischer Opportunität und Loyalität.
Die Vergabe der Posten verläuft oft in Sonderstrukturen jenseits der verfassungsgemäßen Organe. Diese tragen das Kennzeichen von staatlicher Auflösung zugunsten von Partei gebundenen Sonderinteressen. Der sich nicht zu einer Partei bekennende Bürger darf als Nettosteuerzahler bezahlen und bleibt auf der Strecke.
Als Wissenschaft getarnte Ideologie
Es ist kein Wunder, dass sich in diesen privilegierten, unterbeschäftigten Kreisen krause Ideen entwickeln. Mancher steigt allerdings auch genau wegen seiner krausen Ideen dorthin auf. Man könnte derartige Erscheinungen, wie etwa die Genderideologie in all ihrer verschrobenen Einfalt, als Marotten abtun, verkörperten sie nicht ein Übel, das es vor über 30 Jahren ebenfalls gab: als Wissenschaft getarnte Ideologie.
War es damals der „wissenschaftliche Kommunismus“, der die Welt nach herbeikonstruierten Klassen in Gut und Böse einteilte, ist es heute eine an „Rasse“, Geschlecht und sexuellen Vorlieben orientierte Konstruktion. Gestern durfte ein „Intellektuellenkind“ kein Abitur machen, heute diktiert der „Wokeismus“ Quoten und „positive Diskriminierung“. Das eine ist so kollektivistisch wie das andere, und der intellektuelle Gehalt beider Ideologien ist ähnlich jämmerlich.
Damals wie heute: Der „neue Mensch“ ist Kollektivist
Wokeismus und Kommunismus gemeinsam ist dabei zweierlei: ein bipolares Weltbild nach dem Motto „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns“ und ein so langweiliges wie aggressives Dauermoralisieren. Heute wie gestern gilt: Wir sind gut. Was wir tun, ist immer richtig. Der erträumte „neue Mensch“ ist in beiden Fällen Kollektivist. Deswegen ist Kritik grundsätzlich böse.
Wer widerspricht, gilt als „Nazi“. Gestern wanderte man deswegen in den Knast. Heute riskiert man die bürgerliche Existenz. Alexis de Tocquevilles Vorahnungen haben sich bestätigt. Der Satz „Ich möchte nicht“ ist heute erneut fast widerständig. Die nach 1990 versprochene Möglichkeit, Individualist zu sein, vergeht.
Angehörige beider Ideologien führten und führen dabei gern das Wort „Demokratie“ im Munde, sind aber letztlich Extremisten. Debattenfreiheit gilt ihnen nur, wenn die eigenen Narrative bedient werden. Das resultiert aus dem Wunsch, eine „neue“ Gesellschaft herbeizukonstruieren. Der Kommunist entwarf am Reißbrett die Vision der „klassenlosen Gesellschaft“, in der ewige Glückseligkeit herrschen sollte. Der „Wokie“ konstruiert sich das vermeintlich diskriminierungsfreie Öko-Paradies. Für ihn wie für den Kommunisten von einst zählen Argumente nicht. Was zählt, ist die „richtige“ Gesinnung.
In der DDR äußerte man die „richtige“ Gesinnung durch konsequentes „nach vorn Diskutieren“, das Vermeiden von „Fehlerdiskussion“ und diverse Rituale der Zustimmung. Man ging zur Mai-Demonstration. Heute klebt man sich öffentlich das Etikett „progressiv“ auf, folgt ausgefeilten Sprachregeln und empört sich rituell moralisch an den richtigen Stellen. Das ist meist die vermeintliche „Diskriminierung“ von irgendjemandem. In den USA nennt man das „Virtue signalling“, sehr frei übersetzt: Tugendprotzerei.
Damals wie heute: Der Staat greift in die Märkte ein
Einst glaubten wir, die DDR-Planwirtschaft gegen einen überlegenen freien Markt eintauschen zu können. Doch auch hier wendete sich das Blatt. Nicht nur in der Energiekrise greift der Staat tief in die Märkte ein. Die Verfügbarkeit über Eigentum wird ausgehöhlt, offen träumen die „Progressiven“ von der vollständigen Abschaffung des Erbrechtes. Die Steuer- und Abgabenlast ist ein schlechter Witz. Sie wirkt enteignend.
Der Staat deckelt so den materiellen Erfolg des Einzelnen – ganz wie er es in der DDR auf weniger subtile Weise durch brutale Enteignung tat. Damit wollte er die Möglichkeit Geld zu sparen, um es für selbst definierte Ziele über das bloße Notwendige hinaus einzusetzen, zunichtemachen.
Mehr noch: Sogar der materielle Mangel erhebt in der Berliner Republik mittlerweile wieder sein Haupt. Der Ostdeutsche grüßt ihn als alten Bekannten, wundert sich, warum es selbst in der Zone immer Speiseöl und Klopapier gab und bereitet sich schon nach den alten Rezepten auf den Winter vor. Auch ökonomisch gilt: All dem kann sich das Individuum immer weniger entziehen. Das Recht, in Ruhe gelassen zu werden, schwindet. Und so beginnt die Suchen nach Nischen. Wie damals.
Nicht wie damals: staatshörige Westdeutsche
Nicht wie damals, und das ist bedauerlich, ist eine politische Grundstimmung in Deutschland. Damals, in der DDR, war sie mehrheitlich staatskritisch. Man zündete seine filterlose „Karo“ mit dem aufgedruckten Logo nach vorn an. Das nannte man „gegen den Staat rauchen“. Heute erhofft sich im neuen Deutschland eine Mehrheit vom Staat die Lösung aller Probleme, ja gar die Erlösung.
Der Westdeutsche ist staatsgläubig. Das ist der infantile Glaube an die Weisheit der Obrigkeit, die den meisten Ostdeutschen in 40 Jahren DDR und der Nachwendezeit gründlich ausgetrieben wurde. Man erwartet vom Staat nicht mehr viel – und ist genau deswegen auch nach über 30 Jahren noch aufsässig. Der Ostdeutsche weiß: Man kann Menschen nicht ideologisch heranzüchten. Gesellschaften lassen sich nicht auf dem Reißbrett konstruieren. Das geht immer schief.
Kommentare
Kurz und bündig: Der OSTEN hat uns wieder eingeholt, im Sinne dessen: "WER nicht FÜR uns IST, ist GEGEN UNS", schleicht sich sichtlich ein, bspw. Annalena B.: "EGAL, WAS `meine Wähler´ SAGEN." (Das ist mir keineswegs ein "Freud´scher Versprecher."