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Kolumne „Der Schweizer Blick“

Eigentum ist relativ

Zürich, die bevölkerungsreichste Stadt der Schweiz, ist der Anziehungspunkt für alle, die am Tag der Arbeit gern laut grölend und mit Transparenten bewaffnet durch die Straßen ziehen. Hier ist die Aufmerksamkeit am größten, außerdem macht man es den Medien damit einfacher, denn die meisten Verlage sind hier ansässig.

Die Journalisten spielen auch regelmäßig mit und berichten pflichtschuldig von den 1. Mai-Demonstrationen, obschon diese wie der Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“ anmuten, wenn auch im Jahrestakt. Es gibt eine bewilligte Kundgebung, die keinen interessiert, parallel dazu beschädigt ein linker Mob die Fassaden von Banken und kleinen Läden sowie parkende Fahrzeuge. Farbbeutel sind die harmlose Variante, Pyros die handfestere. Wobei Zürich nur das Zentrum dieser Aktivitäten ist, auch Städte wie Basel und Bern bekommen in aller Regel etwas davon ab.

Dass jemand ein Auto in Schutt und Asche legt, ist dabei keineswegs Gewähr dafür, dass er oder sie eine Ahnung davon hat, wofür hier gerade demonstriert wird. Der erste Tag im Mai ist einfach die ideale Gelegenheit, im sicheren Windschatten von Gefolgsleuten persönliche Aggressionen auszuleben. Da muss das mühsame Wälzen von Theorie hintanstehen.

Wozu mehr Lohn fordern, wenn man gar nicht erst arbeitet?

Die Gewerkschaften, denen dieser Tag einst „gehörte“, sind nur noch Begleitmusik und in dieser Rolle kaum hörbar. Die offizielle diesjährige Parole „Mehr Lohn. Mehr Rente. Gleichstellung jetzt“ interessiert den gewaltbereiten Teil der Parade, der den meisten Raum einnimmt, nicht. Wofür bitte mehr Lohn, wenn man vorsichtshalber lieber gar nicht erst arbeitet?

Die inoffiziellen Sprüche sind viel kreativer, denn auch der Poesie wird am 1. Mai viel Platz eingeräumt. „Eusi Straße, eusi Quartier, weg mit de Yuppies, weg mit de Schmier“. Zur Erklärung: „Schmier“ ist ein Dialektwort für Polizei. Yuppies wiederum ist international und muss nicht übersetzt werden. Will heißen: In der wunderbaren neuen Welt, in denen es keine Besitzer und Besitztümer mehr gibt, muss alles unabhängig von Leistung verteilt werden. Gleichzeitig darf ausgerechnet denen nichts gehören, die dafür so etwas Exotisches wie Arbeit auf sich nehmen – sie sollen bitte verschwinden. Woher der Anspruch der Demonstranten auf „ihre“ Straßen und Quartiere kommt, bleibt ein Rätsel.

Wobei die Forderung auch von Stimmen aus der Politik geteilt wird. Die sozialdemokratische Nationalrätin Tamara Funiciello sagte in ihrer Rede: „Wir sind gekommen, um zu bleiben. Und wir fordern dabei nicht nur die Hälfte des Kuchens. Wir fordern die ganze Bäckerei.“ Das ruft natürlich viel Applaus hervor. Aber sachlich betrachtet ist es nie eine gute Idee, eine Bäckerei – im übertragenen Sinn die Wirtschaft oder das ganze System – linken Maximalforderern zu überlassen. Denn diese werden kaum um 3 Uhr morgens aufstehen, um frische Brötchen zu backen, sondern höchstens alles, was noch vom Vortag übrig ist, selbst aufessen, bevor die ersten Kunden kommen.

Alles in allem: Viel Klamauk mit Ansage

Vor Jahren geisterte ein Screenshot aus einem links-alternativen Forum herum, der dem Ganzen ein Gesicht gibt. Ein glühender Anhänger einer Art Anarcho-Kommunismus verkündete darin, er werde nun dank seines Gartens Selbstversorger, um vom Kapital und dessen teuflischen Vertretern unabhängig zu sein. Bedauerlicherweise fehlte ihm aber das Geld, um die nötigen Materialien – Schaufel, Harke, Samen und so weiter – zu kaufen, und er rief zu edlen Spenden auf, um seinen autarken Lebenswandel aufnehmen zu können. Er brauchte also die Hilfe von Leuten, die auf Erwerbsarbeit setzen, um später Tomaten ernten und über das System herziehen zu können. Besser kann man ideologisch aufgeladene Schizophrenie nicht illustrieren.

Dieses Jahr ging es vor allem in Basel hoch zu und her. Der sogenannte „Schwarze Block“, ein Trupp selbsternannter Rächer der Enterbten und anderweitig Besitzlosen, hatte sich dort unter die ordentliche Demonstration gemischt, um der Polizei das Leben schwerzumachen. Was vermutlich ehrbare Familienväter und -mütter, die ihre Kinder früh in den Alltag des Klassenkampfs einführen wollten, etwas überraschte, sie kamen so auch in den Genuss von Tränengas, das sich gern ausbreitet. Ansonsten setzt die Polizei bei solchen Anlässen gern auf „Deeskalation“, also auf freiwillige Zurückhaltung in der Hoffnung, es berste deshalb das eine oder andere Schaufenster weniger.

Alles in allem: Viel Klamauk mit Ansage, und wie jedes Jahr lässt sich eine Mehrheit der Schweizer von Botschaften, die per Megaphon verbreitet werden, nicht sonderlich beeindrucken. Die Chancen stehen gut, dass die Marktwirtschaft noch ein bisschen Bestand hat. Denn als würdige Alternative zum herrschenden System stellen sich Rädelsführer unter den Demonstranten eher nicht dar.

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