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Juristen-Vereinigung Lebensrecht zur Abtreibung

Strafrecht hat Schutzwirkung

Am Rosenmontag war wieder Zeit für Symbole und Kulissen. Nicht in den rheinischen Karnevalsregionen, sondern im politischen Berlin. Denn dort wurde der Red Hand Day begangen. Seit 2003 steht der 12. Februar als „Tag der roten Hand“ gegen den Einsatz von Kindersoldaten. Politiker von Regierung und Opposition taten, was sie gut können: Sie setzten ein Zeichen und ließen sich mit rot eingefärbter Handinnenfläche, quasi als Stoppzeichen gegen die Kamera gehalten, fotografieren. Mit ernster Miene schaut man in die Objektive.

Das Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend schrieb auf X/Twitter: „Am #RedHandDay stehen wir zusammen gegen die Rekrutierung und den Einsatz von Kindersoldat*innen. Es ist Zeit, zu handeln und für ihre Rechte einzustehen. Kinderministerin Lisa Paus setzt ein Zeichen gegen die Ausbeutung von Kindern.“ Und Paus stand im Bundestag an gespannten Leinen und befestigte mit einer Wäscheklammer eines von vielen DIN-A-4-Blättern mit einem roten Handabdruck darauf. „Kinder = Zukunft“ stand auf einem der Plakate, von Schülern angefertigt, und „Kinder brauchen Bildung, keine Waffen!“

Der Grünen-Staatsminister Tobias Lindner setzte ebenfalls einen Tweet ab: „Es ist unsere Aufgabe, Kinder vor Gewalt zu schützen, Opfer zu unterstützen und die Verbrechen der Täter zu ahnden.“ Dazu ein Foto, das ihn mit einem dieser Blätter in der Hand zeigt, auf dem über einer roten Hand geschrieben steht: „Kinder sollen auf den Spielplatz und nicht in den Krieg!“

Die Bundestagsfraktion der Grünen schrieb unter anderem: „Noch immer sind 250.000 Mädchen & Jungen von dieser seelischen Zerstörung & Ausbeutung betroffen. Unser Ziel ist eine friedliche Zukunft für alle Kinder weltweit.“ Paus’ Kabinettskollege Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) twitterte in dem Zusammenhang: „Jedes Kind hat ein Recht auf Kindheit.“

Hehre Absichten. Jemand goss bei X Wasser in den Wein: „Warum setzt die ‘Kinderministerin Lisa Paus’ nicht mal ein Zeichen gegen die 100.000-fache Tötung von Kindern in Deutschland?! Warum will sie #Abtreibung auch noch legalisieren, statt sich für ihr Lebensrecht einzusetzen??“

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Das Lebensrecht der noch ungeborenen Kinder steht nach dem Willen der Ampel-Koalition zur Disposition. Denn diese hatte im März vergangenen Jahres eine „Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“ einberufen, um binnen Jahresfrist zu prüfen, wie Abtreibung außerhalb des Strafrechts geregelt werden könnte, um sie zu „entkriminalisieren“. Es waren die Minister Lisa Paus, Marco Buschmann und Karl Lauterbach (Gesundheit, SPD), die die Kommission federführend für ihre Ressorts beriefen.

Das Problem an dem Unterfangen: Der ungeborene Mensch im Mutterleib ist nach deutschem Recht Träger von Menschenwürde und hat ein Recht auf Leben. Paragraf 219 StGB hält das knapp fest, wenn der Gesetzgeber die Schwangerenkonfliktberatung definiert: „Die Beratung dient dem Schutz des ungeborenen Lebens. (…) Dabei muss der Frau bewusst sein, dass das Ungeborene in jedem Stadium der Schwangerschaft auch ihr gegenüber ein eigenes Recht auf Leben hat und dass deshalb nach der Rechtsordnung ein Schwangerschaftsabbruch nur in Ausnahmesituationen in Betracht kommen kann, wenn der Frau durch das Austragen des Kindes eine Belastung erwächst, die so schwer und außergewöhnlich ist, dass sie die zumutbare Opfergrenze übersteigt.“

Man darf gespannt sein, wie der bis Ostern erwartete Abschlussbericht der Kommission das Ansinnen umzusetzen will. Dafür wäre es unerlässlich, die unbequeme Tatsache, dass auch ungeborene Menschen unter dem Schutz der Rechtsordnung stehen, aus der Welt zu schaffen.

Ihnen die Rechte kurzerhand zu entziehen, indem etwa empfohlen würde, die Paragrafen 218 und 219 StGB aufzuheben, ist kein Weg, denn angesichts „der Tatsache, dass es sich bei der Aufgabe, das menschliche Leben vor seiner Tötung zu schützen, um eine elementare staatliche Schutzaufgabe handelt, kann auf den Einsatz auch des Strafrechts und die davon ausgehende Schutzwirkung nicht frei verzichtet werden (BVerfGE 88, 203 [257]).“ Auf diese Leitplanken des Bundesverfassungsrechts wies der Vorsitzende der Juristen-Vereinigung Lebensrecht (Köln), Christian Hillgruber, gegenüber Corrigenda hin.

Eine „Entkriminalisierung“ erlaubt das Grundgesetz nicht

Hillgruber, der Öffentliches Recht an der Universität Bonn lehrt, zitiert ein einschlägiges Urteil des Bundesverfassungsgerichts, demgemäß das Strafrecht „regelmäßig der Ort“ ist, „das grundsätzliche Verbot des Schwangerschaftsabbruchs und die darin enthaltene grundsätzliche Rechtspflicht der Frau zum Austragen des Kindes gesetzlich zu verankern. Sofern allerdings wegen verfassungsrechtlich ausreichender Schutzmaßnahmen anderer Art von einer Strafdrohung für nicht gerechtfertigte Schwangerschaftsabbrüche in begrenztem Umfang abgesehen werden darf, kann es auch genügen, das Verbot für diese Fallgruppe auf andere Weise in der Rechtsordnung unterhalb der Verfassung klar zum Ausdruck zu bringen“ (BVerfGE 88, 203 [258]).

Vor diesem Hintergrund, so der Vorsitzende der Juristen-Vereinigung Lebensrecht mit Verweis auf Karlsruhe, komme eine vollständige Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs, wenn überhaupt, jedenfalls nur dann in Betracht, wenn gleichzeitig an anderer Stelle der Rechtsordnung hinreichend deutlich und unmissverständlich ausgesprochen wird, dass Schwangerschaftsabbrüche grundsätzlich verboten sind und nur in Ausnahmelagen zulässig sein können (BVerfGE 88, 203 [257]).

„Bei den derzeitigen Reformbestrebungen ist das bisher nicht einmal ansatzweise erkennbar“, schilderte er gegenüber Corrigenda seine Beobachtung. Stattdessen werde ein „Recht auf Abtreibung“ propagiert, „das unsere Rechts- und Verfassungsordnung aus gutem Grund – nämlich wegen des Würdeanspruchs und Lebensrechts auch des ungeborenen Menschen – nicht kennt“. Eine „Entkriminalisierung“ könne unter diesen Umständen nur als „völlige Freigabe des Schwangerschaftsabbruchs verstanden werden, was unsere Verfassung aber nicht erlaubt“.

Kein abgestufter Lebensschutz

In der gegenwärtigen Reformdiskussion und so auch in der Zielstellung der genannten Kommission bliebe nach Hillgruber „bewusst im Unklaren“, wo, wenn denn nicht im Strafrecht, eine „normative Orientierung bietende Regelung über den Schwangerschaftsabbruch getroffen werden soll“.

Der Vorsitzende der Juristen-Vereinigung Lebensrecht beklagte, dass vielmehr eine weitere Schwächung des Schutzes des ungeborenen Lebens erwogen wird: indem künftig Schwangerschaftsabbrüche statt wie bisher bis zur zwölften künftig sogar bis zur 22. Woche nach Beratung straffrei sein sollen, wie es beispielsweise der Deutsche Juristinnenbund haben möchte („ausnahmslos bis zur Überlebensfähigkeit des Fötus“). In diesem Zusammenhang wird ein sogenannter abgestufter Lebensschutz Ungeborener propagiert, der mit dem Voranschreiten der Schwangerschaft erst allmählich anwachsen soll.

Aber, so Hillgruber gegenüber diesem Magazin, der Konzeption eines abgestuften Lebensschutzes hätten die Höchstrichter bereits eine klare Absage erteilt: „Das danach verfassungsrechtlich gebotene Maß des Schutzes ist unabhängig vom Alter der Schwangerschaft“, greift also nicht etwa erst bei einer Lebensfähigkeit des nasciturus (lateinisch „Der geboren werden wird“) außerhalb des Mutterleibs. „Das Grundgesetz enthält für das ungeborene Leben keine vom Ablauf bestimmter Fristen abhängige, dem Entwicklungsprozess der Schwangerschaft folgende Abstufungen des Lebensrechts und seines Schutzes. Auch in der Frühphase einer Schwangerschaft hat die Rechtsordnung deshalb dieses Maß an Schutz zu gewährleisten“.

Schon heute „eher an der Untergrenze“

Hillgruber verwies zustimmend auf die Stellungnahme des Kommissariats der deutschen Bischöfe von November 2023. Das Katholische Büro in Berlin hatte in Bezug auf die Arbeit der von der Bundesregierung eingesetzten Kommission mahnend festgestellt, dass sich mit den geltenden Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch das Recht bereits heute „eher an der Untergrenze des zum Schutz des ungeborenen Lebens verfassungsrechtlich Erforderlichen“ bewege, „soweit es als reines prozedurales Schutzkonzept durch Frist und Beratung gestaltet ist“. Dies gelte umso mehr, unterstrich der Lebensrechtler, „als das anspruchsvolle Beratungskonzept als in der Praxis gescheitert angesehen werden muss“.

Angesichts von 103.927 Schwangerschaftsabbrüchen, die 2022 in Deutschland gemeldet wurden  – eine viel höhere Dunkelziffer wird angenommen –, wird niemand, der Verstand und Herz hat, widersprechen. In den bisher gemeldeten drei Quartalen des zurückliegenden Jahres sind die Zahlen abermals gestiegen und verheißen eine ganz bittere Bilanz voll Tod und Trauer. Wie war das gleich noch – jedes Kind hat ein Recht auf Kindheit, Kinder sollen auf den Spielplatz und nicht in den Krieg: wenn 103.927 den Krieg im Mutterleib nicht überleben? Wenn statt Rosenmontag immer Aschermittwoch ist?

Hillgruber appellierte: „Angesichts dieser dramatischen Lage sind wir gegenwärtig mehr denn je gehalten, den Schutz der Menschenwürde und des Lebens der Ungeborenen, weil grundsätzlich angefochten, entschlossen und entschieden zu verteidigen.“

 

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Kommentare

Kommentar
1
Florian Hettig
Vor 9 Monate

Aus zahlreichen SocialMedia-Diskussionen weiß ich: Ein angebliches "Recht auf Abtreibung" ist bereits in vielen Köpfen DRIN! - Dass die Gesetze (noch) anders lauten, ist vielen Diskussionspartner(innen) nicht akzeptabel.

0
Vinko Vukadin
Vor 9 Monate

Die Bischöfe lassen Petitionen für 100km/h auf der Autobahn in den Kirchen unterschreiben, Petitionen für das Leben der Ungeborenen sucht man vergeblich.

Der moderne Staat schützt die brütenden Gartenvögel, aber nicht die ungeborenen Menschenkinder.

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Vinko Vukadin
Vor 9 Monate

Die Bischöfe lassen Petitionen für 100km/h auf der Autobahn in den Kirchen unterschreiben, Petitionen für das Leben der Ungeborenen sucht man vergeblich.

Der moderne Staat schützt die brütenden Gartenvögel, aber nicht die ungeborenen Menschenkinder.

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Florian Hettig
Vor 9 Monate

Aus zahlreichen SocialMedia-Diskussionen weiß ich: Ein angebliches "Recht auf Abtreibung" ist bereits in vielen Köpfen DRIN! - Dass die Gesetze (noch) anders lauten, ist vielen Diskussionspartner(innen) nicht akzeptabel.