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Kolumne „Mild bis rauchig“

Mission: Possible!

Es war an einem heißen Sommertag in einem Sozialbau im Osten von Paris, 1959: „Wir haben viel Pastis getrunken und Zigaretten geraucht, und ich habe zu René gesagt: Die Gallier, das ist es. In einer Viertelstunde war die Geschichte perfekt. Ein Chef, ein Druide, ein Barde und gallische Krieger. So ist das Dorf entstanden.“

Mit diesen Worten berichtete vor einigen Jahren in einem Interview der im Jahr 2020 verstorbene Albert Uderzo von der Entstehung des weltberühmten Comics der beiden gallischen Helden Asterix und Obelix, die das Imperium Romanum in Atem hielten und Julius Cäsar den Ruhm streitig machten, die ganze Welt besiegt zu haben. Denn es gab ja da das kleine gallische Dorf, das sich mittels eines Zaubertranks fröhlich und erfolgreich gegen die Übermacht der Römer zur Wehr setzte.

Zur Zeit des Interviews, das war 2009, wurden Asterix und Obelix fünfzig Jahre alt. Groß war die Festesfreude – besonders in Frankreich. Zum Jubiläum startete ganz Paris in die Gallischen Festwochen. Es gab ein Asterix-Musical und im Mittelaltermuseum eine Asterix-Ausstellung mit Originalskizzen und Bildern. Die Post gab eine Asterix-Briefmarke heraus, und in einem Internetvideo malten Kampfjets der französischen Luftwaffe einen riesigen Asterix-Kopf in den Himmel, unterstützt durch Computertricks. Ende Oktober damals gab es eine Parade durch Paris unter dem Motto: „Die Gallier fallen in Lutetia ein.“

Elf ungelernte Männer sollen gegen die Übermacht einer Welt antreten

Mit ihrem zentralen Thema treffen die Asterix-Geschichten etwas von unserer menschlichen Sehnsucht. Wir möchten stark sein, siegreich gegen unabänderliche Übermächte, möchten es ab und zu den Mächtigen zeigen, wollen frei sein von der Angst zu unterliegen und von Ungerechtigkeiten besiegt zu werden. All das ist für die beiden gallischen Freunde kein Problem. Sie kehren die Allmachtsszenarien des großen Cäsar um in unterhaltsame Slapsticknummern. Sie lassen das Imperium scheitern – nicht in der großen Schlacht, sondern in den zufälligen Begegnungen von kleinen und meist untersetzten gallischen Dorfbewohnern, die die Legionäre des Cäsar mit blauen Augen und verbeulten Rüstungen zurücklassen. Peinlich für den Weltenherrscher.

Heute begeht die katholische Kirche den Sonntag der Weltmission, und ich fühle mich als alter Asterix-Fan angesprochen. Denn was machen die Katholiken an diesem Sonntag? Sie bedenken die Quellen der Mission vor zweitausend Jahren, das, was damals der Anfang ihrer Geschichte war. Und bedenken das Szenario, das mit seinen ungleichgewichtigen Kräfteverhältnissen sehr an das kleine gallische Dorf erinnert: 11 Männer – in Worten: elf – erhalten den kühnen Auftrag, in die große Welt zu ziehen und den Glauben an Jesus Christus, den Sohn Gottes zu verkünden.

Bei der Abschiedsrede ihres Meisters am Tag, an dem er sich nach seiner Auferstehung und nach einer vierzigtägigen Wiedersehensfreude den Blicken seiner Jünger entzog und in den Himmel auffuhr, gibt er ihnen den Befehl, in alle Welt zu gehen, das Evangelium allen Geschöpfen zu verkünden und alle (!) Menschen im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes zu taufen.

Welch ein Anspruch! Elf ungelernte Analphabeten, die meisten Fischer am See Genezareth, sollen die Welt umkrempeln, sollen gegen die Übermacht einer andersgläubigen Welt antreten und inmitten eines dekadenten, aber immer noch mächtigen Imperium Romanum den Samen des Christentums mit ihrem Wort und ihrem Blut ausstreuen und der Anmaßung der Mächtigen damit den Todesstoß versetzen. Wie soll das gehen? Auch für die Apostel damals eine unübersehbare Frage. Menschlich betrachtet ein Projekt, das zum Scheitern verurteilt ist.

Die Übermacht der Kräfte ist heute nicht geringer als zur Zeit der Apostel

Nun wissen wir aber aus der rückwärtigen Betrachtung, wie die Geschichte sich entwickelt hat. Dass die Verzagtheit der Jünger sich in mutiges Drauflosgehen gewandelt hat, als sie – zehn Tage später – im Pfingstereignis den Heiligen Geist empfingen und sie sich daraufhin durch nichts und niemanden davon abhalten ließen, ihren Missionsauftrag zu erfüllen – nicht einmal durch ihre eigenen Schwächen und Fehler. Und es zeigte sich, dass Gott mit ihnen war und Sein Werk durch sie und in ihnen fortgesetzt hat. Aus elf Männern wurde eine Weltkirche!

Auf der Basis einer fixen Idee oder einer überspannten Ideologie wäre das wohl niemals geschehen. Es muss also etwas geben, das unabhängig von gewieften Marketingstrategien oder gar von unzulässiger Propaganda das Erfolgsgeheimnis ist, dass weder die römischen Cäsaren und ihre Marterkünste noch die diversen materialistischen Sozialismen der Weltgeschichte mit den ihnen eigenen Foltermethoden, weder intellektuelle Vernichtungsmaschinerien von der Aufklärung bis zum derzeit grassierenden Nihilismus in Kultur und Politik noch der Sündenballast derer, die sich zu den Jüngern Jesu Christi zählen es zu verhindern vermochten, dass die Botschaft von der Erlösung durch den Gottessohn sich einen Weg in die Herzen der Menschen bahnen konnte und dort eine weltbewegende Wohnung nahm.

Diese Betrachtung der Anfänge der christlichen Mission mag heute eine Hilfestellung sein, wo sich die Christen weltweit einer neuen und globalen Anfeindung gegenübersehen. Die Auseinandersetzungen mit einer anders- oder ungläubigen Welt sind heute nicht minder brutal und massiv. Und die Übermacht der Kräfte, die sich der christlichen Mission in den Weg stellen, ist nicht geringer als zur Zeit der Apostel. In unseren Breiten gibt es keinen römischen Cäsaren, der die Christen blutig verfolgen würde, aber es gibt genügend Diktatoren in den Meinungsschmieden der Redaktionen, im politischen Tagesgeschäft, in der Dekadenz der Medienwelt, die der christlichen Glaubensverbreitung in harschem Befehlston gebieten zu schweigen ob ihres anachronistischen, unmodernen, unbequemen und politisch stets unkorrekten Religionsgefasels, das dazu noch unter dem Verdacht der Fortschrittshemmung steht.

Keiner der Apostel ist im Bett gestorben

Wer zuletzt beim Marsch für das Leben in Köln die Aggressivität der Abtreibungsbefürworter realisiert hat, die von der Antifa bis zur Oberbürgermeisterin der Stadt gegen eine christliche Vorstellung von der Unantastbarkeit eines von Gott geschenkten Lebens anschrie, wird sich nichts mehr vormachen in der Frage, ob eine christliche Mission in unserem Land in Zukunft noch einer Willkommenskultur begegnen wird. Es scheint im Gegenteil beinahe der Titel des im Jahre 1996 von US-Regisseur Brian De Palma inszenierten Agententhrillers „Mission: Impossible“ auch für die Glaubensverbreitung in unserem Land als Überschrift geeignet zu sein.

Und deswegen hat es Sinn, sich die Anfänge der keineswegs sanften Missionsgeschichte des Christentums vor Augen zu führen, das knapp dreihundert Jahre gebraucht hat, um aus den Katakomben ans Licht des Tages zu treten und die freie Luft einer legitimierten Religion zu atmen.

Aber das hat auch seine Gründe: denn im Unterschied zum US-Agentenfilm war die Verkündigung des Erlösers Jesus Christus keine geheime oder geflüsterte Mission. Es war eine offenkundige. Es war auch kein System von Intrigen und Lügen, sondern die Wahrheit, so man sie von Gott empfangen hatte. Und es waren keine bezahlten Agenten gewesen, die den Glauben mit miesen Tricks unter die Leute gebracht hätten, sondern überzeugte Menschen, Missionare ihrer jeweiligen Zeit, die den Erfolg eingefahren haben durch ihre eigene Überzeugung, durch ihren Mut, durch ihren Glauben und durch ihre Liebe zu Jesus Christus, die am Ende doch das Unmögliche möglich gemacht hat. Und nicht zuletzt durch ihr Blut, das sie für die Wahrheit ihres Auftrags vergossen hatten. Keiner der Apostel ist im Bett gestorben!

Weil die Welt ohne Hoffnung ist

Der Blick auf den Missionsauftrag Jesu Christi an die ohnmächtigen Jünger und seine Geschichte mag auch für unsere Zeit hilfreich sein. Denn so wie es damals möglich war, aus einer Handvoll Männern auch ohne Facebook eine bis in den letzten Winkel der Erde weltumspannende Kirche zu machen, so wird es auch heute gelingen, das Evangelium in die Herzen der Menschen zu tragen. Vorausgesetzt, die Apostel unserer Tage geben den Mut nicht auf, von der Wahrheit überzeugt zu sein und sie nicht stattdessen auf dem Altar des Zeitgeschmacks zu opfern – der ja im Übrigen niemals und nirgends kompatibel mit dem Glauben an Jesus Christus war, der seine Jünger anwies, „in der Welt, aber nicht von der Welt“ zu sein.

Denn es sind ja nicht sie, auf deren Leistung es allein ankommt. Es ist etwas anderes. Sie haben zwar keinen Zaubertrank, der sie unverwundbar machen könnte, aber sie haben den Heiligen Geist, der durch sie wirken will und wirken wird, wenn sie sich in Seinen Dienst stellen und nicht kneifen. Die Missionare haben allen Grund, den Cäsaren unserer Tage keck ins Angesicht zu grinsen und ihren jämmerlichen Versuchen, eine Welt auf der Basis von Macht, Geld und Vergnügen zu organisieren, die Wahrheit Jesu Christi entgegenzuhalten.

Die Geschichte der Mission und der Missionare beweist es: dass nämlich die Verkündigung des Evangeliums im Reden, Leben, Sich-Verhalten, Ringen, Beten und Arbeiten immer eine Erfolgsgeschichte ist, wo Menschen sich nicht scheuen, gegen die Übermacht der Welt ohne Gott und die Welt der Götzen anzutreten, die doch eigentlich jenseits ihrer Drohgebärden sehr jämmerlich und sehr klein ist. Weil in ihr die Hoffnung fehlt, dass es etwas gibt, das sie haltbar macht. Weswegen sie jederzeit befürchten muss, dass ihr Sinkflug im Nichts enden wird. Nein, die Mission ist möglich. Weil Gott das Schwache erwählt hat, um das Starke zuschanden zu machen. (vgl. 1 Kor 1,27)

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Kommentare

Kommentar
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Helene Radermacher
Vor 1 Jahr 1 Monat

Tolle Predigt! Denn es ist mehr als nur ein journalistischer Beitrag!
Vielen Dank! Ich hoffe, Ihre Predigten werden einmal als Buch gedruckt!
LG Helene Radermacher

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Helene Radermacher
Vor 1 Jahr 1 Monat

Tolle Predigt! Denn es ist mehr als nur ein journalistischer Beitrag!
Vielen Dank! Ich hoffe, Ihre Predigten werden einmal als Buch gedruckt!
LG Helene Radermacher