Mit Tolkien und Spengler gegen die Verzweiflung
Vor ein paar Tagen, am 2. September 2023, jährte sich J. R. R. Tolkiens Todestag zum 50. Mal. Als Kind und Jugendlicher verschlang ich alles, was ich von Tolkien zwischen die Finger bekam: „Das Silmarillion“, den „Hobbit“ und vor allem immer wieder den „Herrn der Ringe“. Allerdings ließ irgendwann zuerst die Pubertät und anschließend die durch Hollywood-Bombast korrumpierte Verfilmung von Peter Jackson meine Tolkien-Liebe etwas abkühlen.
Als ich vor ein paar Jahren dann doch wieder einmal den „Herrn der Ringe“ in die Hand nahm, schlug mich das Buch sofort wieder in seinen Bann. Nun las ich es jedoch mit anderen Augen. Der katholische Subtext des Werkes etwa, der mir früher gänzlich verborgen geblieben war, trat mir nun in aller Deutlichkeit entgegen. Man denke etwa an Frodo, Gandalf und Aragorn als Verkörperung der drei messianischen Rollen des Priesters, des Propheten und des Königs oder auch das Lembas-Brot der Elben, das – dem himmlischen Manna und sogar der Eucharistie ähnelnd – übernatürliche Stärkung spendet.
Dennoch ist der „Herr der Ringe“ keine christliche Gesinnungsliteratur. Das Buch, so betonte Tolkien selbst im Vorwort, sei „weder allegorisch noch aktuell“. Allerdings wird man es dennoch zur katholischen Literatur im Sinne Martin Mosebachs zählen dürfen, das heißt: zu einer Literatur, die vom Geist katholischer Kultur und Lebensart derart durchzogen ist, dass sie das Katholischsein gar nicht eigens zu thematisieren, geschweige denn zu propagieren braucht.
Wenn das Dritte Zeitalter an sein Ende kommt
Ein weiterer Aspekt, der mir bei meiner Relektüre zum ersten Mal in aller Deutlichkeit bewusstwurde, ist die melancholische Grundstimmung dieses Romans. Mag am Ende auch das Licht über die Finsternis triumphieren, so ist dieser Sieg doch bittersüß. Denn die Welt von Mittelerde ist im Untergang begriffen: Die letzten Elben sind dabei, die Welt für immer zu verlassen und ins jenseitige Valinor zu segeln.
Mit ihnen gehen auch der Zauberer Gandalf sowie die beiden heldenhaften Hobbits Bilbo und Frodo, die als Ringträger entscheidend die Geschicke von Mittelerde geprägt haben. Das Dritte Zeitalter kommt an sein Ende. Mit dieser Entzauberung beginnt zugleich die Epoche der Menschen.
Auch Spenglers Schicksalsidee ist so bittersüß wie erhebend
Dieselbe Schwermut, die einen beim Lesen des „Herrn der Ringe“ überkommen kann, überfiel mich kürzlich auch, als ich mich mit einem ganz anderen Buch beschäftigte, nämlich mit Oswald Spenglers kultur- und geschichtsphilosophischem Klassiker „Der Untergang des Abendlandes“. Auch Spengler beschreibt nämlich eine Welt, die in Auflösung begriffen ist, nur ist es nicht das fiktive Mittelerde, sondern das reale Abendland. Dieser Unterschied ändert nichts daran, dass beide Zeitenwenden sich nicht zufällig, sondern schicksalhaft ereignen: Das Dritte Zeitalter muss ebenso an sein Ende kommen wie der Okzident.
Spenglers Geschichtsphilosophie ist leichtfertig als freiheitsfeindlicher Pessimismus verschrien worden. Dabei ist seine Schicksalsidee, wenn man sie nur richtig versteht, ebenso bittersüß wie erhebend. Sie lässt sich wunderbar mithilfe des „Herrn der Ringe“ erläutern, in dem eine ganz ähnliche Schicksalsvorstellung waltet.
Gandalf bringt sie zur Sprache, als er erklärt, warum gerade so ein unbedeutendes Geschöpf wie ein Hobbit in den Besitz des großen Ringes der Macht gelangen konnte: „Im Hintergrund war noch etwas anderes am Werk, das über die Absicht des Ringschöpfers hinausging. Ich kann es nicht deutlicher ausdrücken, als wenn ich sage, dass Bilbo dazu ausersehen war, den Ring zu finden, aber nicht von dem, der den Ring gemacht hatte.“ Und an Frodo gerichtet, dem nun die Bürde des Ringes zugefallen ist, fügt der Zauberer hinzu: „In diesem Fall wärst auch du ausersehen. Und das mag vielleicht ein ermutigender Gedanke sein.“
Der alle Dinge unter dem Blickpunkt der Ewigkeit schaut
Die Erkenntnis, dass das eigene Leben unentrinnbar in ein schicksalhaftes Geschehen verstrickt ist, soll hier also gerade nicht entmutigen, sondern vielmehr das Innere zu Dingen aufrichten, die größer und wichtiger sind als man selbst. Damit ist eben jener Schicksalsliebe Ausdruck verliehen, auf deren Grundlage Spengler seine Leser auffordert, das „Großartige“ historischer Schicksalsprozesse, und seien es solche des Niedergangs, zu empfinden.
Unsere Freiheit wird durch den Glauben an eine Vorsehung übrigens nicht notwendigerweise verneint. Zum einen gibt es die innere Freiheit, auf die vor allem die Stoiker hingewiesen haben und auf die sich auch Spengler bezieht. Sie besteht in der Fähigkeit, zu entscheiden, ob man sich vom Schicksal führen oder fortzerren lässt. Zum anderen gibt es sogar noch größere Spielräume für die Freiheit, wenn man anstelle eines blinden Schicksals, wie es bei Spengler dominiert, die Vorsehung eines allwissenden Gottes setzt, der alle Dinge unter dem Blickpunkt der Ewigkeit schaut. Als der Souverän allen Seins kann Er uns Freiräume für selbstbestimmtes Handeln gewähren und dieses zugleich auf zeitlose Weise „voraussehen“.
So oder so gibt es keinen Grund, angesichts schicksalhafter Vorgänge zu verzweifeln, und zwar selbst dann nicht, wenn sie den Untergang eines Zeitalters bedeuten.
Dazu passt eine Information aus den aktuellen VdS-Nachrichten:
"Kein Deutsch mehr in der Bischofssynode
Bisher gehörte Deutsch in den Bischofssynoden zu den offiziellen Sprachen der Versammlung – für die kommende Weltsynode entfällt diese Regelung. Das hat jetzt der Vatikan mitgeteilt."
Ist schon sehr gewagt, Spengler und Tolkien gleich zu interpretieren, ob sie ihrerseits dieser Vereinnahmung zugestimmt hätten, dürfte fraglich sein.
Noch etwas:
Der genannte Online-Kurs über Oswalds Spenglers „Der Untergang des Abendlandes“ ist in englisch.
Damit dürfte wiederum Walter Krämer (vom Verein deutsche Sprache), der kürzlich so wohlwollend interviewt wurde, überhaupt nicht einverstanden sein. Er plädiert für Deutsch an Universitäten.
Hier grundsätzlich an traditionellen Werten festhalten zu wollen, aber ausgerechnet die eigene Sprache, zentraler Teil der Heimat, ohne Not preiszugeben, ist widersprüchlich.
Dazu passt eine Information aus den aktuellen VdS-Nachrichten:
"Kein Deutsch mehr in der Bischofssynode
Bisher gehörte Deutsch in den Bischofssynoden zu den offiziellen Sprachen der Versammlung – für die kommende Weltsynode entfällt diese Regelung. Das hat jetzt der Vatikan mitgeteilt."
Ist schon sehr gewagt, Spengler und Tolkien gleich zu interpretieren, ob sie ihrerseits dieser Vereinnahmung zugestimmt hätten, dürfte fraglich sein.
Noch etwas:
Der genannte Online-Kurs über Oswalds Spenglers „Der Untergang des Abendlandes“ ist in englisch.
Damit dürfte wiederum Walter Krämer (vom Verein deutsche Sprache), der kürzlich so wohlwollend interviewt wurde, überhaupt nicht einverstanden sein. Er plädiert für Deutsch an Universitäten.
Hier grundsätzlich an traditionellen Werten festhalten zu wollen, aber ausgerechnet die eigene Sprache, zentraler Teil der Heimat, ohne Not preiszugeben, ist widersprüchlich.